Wien (OTS) - RTR-GmbH und KommAustria legen der
Arbeitsgemeinschaft "Digitale Plattform Austria" einen Thesenkatalog
zur Einführung von digitalem terrestrischen Fernsehen (DVB-T) mit
folgenden Eckpunkten vor:
1. Die Tagungen der Expertenpanels haben einhellig ergeben: Für
Österreich ist die terrestrische TV-Verbreitung unverzichtbar.
Mehr als 63 % aller Fernsehteilnehmer beziehen TV-Programme,
insbesondere die des ORF, über Hausantenne. Dies ist eine
signifikant andere Ausgangslage als in Deutschland oder in der
Schweiz.
2. Als backbone einer "Grundversorgung neu" und wesentlicher Teil
einer integrierten und zukunftsgerichteten Technologiepolitik
(Kommunikationsplattformen wie Kabelnetze, SAT-Verbreitung,
terrestrische Rundfunkübertragung, UMTS, ADSL, etc.) soll die
Digitalisierung der Rundfunkübertragung Eingang in die
Arbeitsvorhaben der neuen Bundesregierung finden. Ein
Digitalisierungsfonds soll eingerichtet werden.
3. Fernsehen im Auto: Nur die Abstrahlung der Rundfunkprogramme
über terrestrische Sendeanlagen macht "Fernsehen im Auto"
möglich. "Konvergenz der Medien" wird auf folgenden
Einrichtungen sichtbar: Verkehrsnavigationssysteme, Handy,
Palm, PDA, Armbanduhr, ....
4. Ein erster 4-Stufen-Plan sieht nach Testphase und "sanftem
Simulcast-Betrieb" ab Ende 2006 einen beschleunigten Umstieg
auf die digitale Rundfunkübertragung vor, der Zeitpunkt der
Abschaltung der letzten analog betriebenen Rundfunkfrequenz
ist zwischen 2008 und 2012 zu sehen.
Anlässlich der Vollversammlung der Arbeitsgemeinschaft "Digitale
Plattform Austria" am Dienstag, dem 14. Jänner 2003 in der
Wirtschaftskammer Österreich präsentieren Dr. Alfred Grinschgl,
Geschäftsführer für den Fachbereich Rundfunk in der RTR-GmbH, und Dr.
Hans Peter Lehofer, Behördenleiter der KommAustria, den Mitgliedern
der Arbeitsgemeinschaft "Digitale Plattform Austria" die
ausführlichen Inhalte des Thesenkatalogs.
Damit können ein Jahr nach Gründung der Arbeitsgemeinschaft die
ersten Arbeitsergebnisse vorgelegt werden, die nach Debatte im Rahmen
der Vollversammlung in den ersten Digitalisierungsbericht aufgenommen
werden. Ein jährlicher Digitalisierungsbericht ist gemäß § 21 PrTV-G
durch die Regulierungsbehörde in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzler
zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen. Die Arbeitsgemeinschaft
"Digitale Plattform Austria" kann Empfehlungen für diesen Bericht
aussprechen.
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran
Die Digitalisierung des Rundfunks schreitet international
unaufhaltsam voran. Es liegt nicht in der Macht von Einzelstaaten,
sich dieser technologischen Entwicklung zu entziehen.
Die Digitalisierung der Terrestrik ist kein Selbstzweck, sondern
bringt in erster Linie Vorteile für die Konsumenten: eine größere
Angebotsvielfalt im Free-TV, Zusatzdienste (wie Elektronische
Programmführer, erweiterter Teletext, etc.) und interaktive
Anwendungen, mobiler TV-Empfang sowie eine deutlich verbesserte
Bildqualität.
Mehr als 63 % aller TV-Haushalte beziehen ORF-Programme über
Terrestrik
Sämtliche Übertragungsplattformen (Kabelnetze, Satellit und
Terrestrik, Breitband-Internet oder UMTS) mit ihren unterschiedlichen
Profilen sind aus medienpolitischer Sicht notwendig und
unverzichtbar. Dennoch kommt der Terrestrik aus zahlreichen standort-
und wirtschaftspolitischen Gründen eine besondere Bedeutung zu:
- Im Unterschied zu Kabel oder Satellit gewährleistet die
terrestrische Rundfunkübertragung am besten die Sicherung eines
diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugangs für die
Veranstalter von Rundfunkprogrammen.
- Darüber hinaus sichert die Etablierung eines zukunftssicheren,
digitalisierten, terrestrischen Sendernetzes als "backbone" der
heimischen Kommunikationsinfrastruktur die Bewahrung von Österreichs
kultureller Identität im Wettbewerb mit TV-Programmen aus der ganzen
Welt.
- Über ein digitalisiertes terrestrisches Sendernetz würde die
österreichische Bevölkerung mit wesentlich mehr Rundfunkprogrammen
(12 bis 16 Programme) versorgt werden, als dies bei der derzeitigen
analogen Nutzung möglich ist. Neben den Programmen des ORF und
privater österreichischer Anbietern könnten weitere nach einem
Auswahlverfahren zu nominierende Programmangebote, die im Interesse
des Publikums und des Medienstandortes Österreich liegen,
terrestrisch ausgestrahlt werden.
- Der Empfang von Fernsehprogrammen über die Hausantenne hat in
Österreich eine erheblich höhere Bedeutung als etwa in Deutschland,
der Schweiz oder Belgien, wo der Versorgungsgrad durch Kabelnetze
teilweise bis zu 90 Prozent beträgt. Rund 17 Prozent aller Haushalte
(2001) beziehen ihr Fernsehprogramme ausschließlich terrestrisch.
Darüber hinaus sind die Satellitenhaushalte (44,7 Prozent aller
Haushalte) für den Empfang der ORF-Programme nahezu vollständig von
der Terrestrik abhängig. Dies bedeutet letztlich, dass derzeit mehr
als 63 % (Mediaanalyse 2001, Fessel-GfK) aller Fernsehhaushalte ohne
terrestrische Versorgung die Programme des ORF nicht sehen könnten.
- Im Hinblick auf die Grundversorgung der österreichischen
Bevölkerung mit Fernsehprogrammen hat die Terrestrik gegenüber den
Kabelnetzen Vorrang, da in der Verfügbarkeit von Kabelanschlüssen
eine Privilegierung der in urbanen Gebieten liegenden Haushalte
bestehen könnte (Stichwort "digital divide").
- Die Satellitenverbreitung hat aus medienpolitischer Sicht den
Nachteil, dass sie nicht der innerstaatlichen Regulierung unterliegt.
Außerdem werden die Programme des ORF aus urheberrechtlichen Gründen
nur verschlüsselt - und damit nicht für jedermann zugänglich -
übertragen.
- Fernsehen entwickelt sich auch in Richtung eines medialen
Tagesbegleiters, dessen Inhalte partiell konsumiert werden. In dieser
Hinsicht sind Portabilität und der mobile Empfang im Auto oder in der
Bahn ganz wesentliche Leistungsmerkmale, die nur von der Terrestrik
zu erwarten sind.
Digitalisierungsfonds: Rundfunkgelder für Rundfunkzwecke
Die Digitalisierung der Rundfunkübertragung wird in einem kleinen
Land wie Österreich nicht marktgetrieben funktionieren. Daher regt
die Regulierungsbehörde an, Förderungen aus Mitteln eines
Digitalisierungsfonds bereitzustellen, der aus den Einnahmen der
Radio- und TV-Gebühr gespeist wird. Die Radio- und TV-Gebühr wird mit
der Rundfunkgebühr eingehoben, sie fließt bisher dem Staatshaushalt
zu und soll damit für Zwecke des Rundfunks Verwendung finden. Das dem
ORF zufließende Programmentgelt wird dadurch nicht geschmälert. Das
Gesamtaufkommen der Radio- und TV-Gebühr beträgt derzeit rund 45
Millionen EURO pro Jahr, 20 bis 25 % des Gesamtaufkommens sollen auf
10 Jahre gebunden dem Digitalisierungsfonds zufließen.
Die schwierigste Phase der Digitalisierung ist der
"Simulcast-Betrieb", die gleichzeitige analoge und digitale
Übertragung der TV-Programme. Die Simulcast-Phase zählt keineswegs zu
den eigentlichen Zielen der Digitalisierungsstrategie, sie stellt ein
notwendiges Übel dar, vergleichbar einer Baustelle auf der Autobahn,
die eine Verkehrsverbesserung zum Ziel hat.
Die Einführungsphase ist mit "Schmerzen" verbunden und stellt eine
besondere medienpolitische und funktechnische Herausforderung dar.
Der Grund dafür ist nicht zuletzt der Engpass an
Übertragungskapazitäten. Auch wenn die neue Technologie in Zukunft
eine wirtschaftlichere Nutzung des für Rundfunkzwecke reservierten
Frequenzspektrums verspricht, benötigen wir in der "Simulcast-Phase"
für den Parallelbetrieb zusätzliche Teile des Frequenzspektrums.
Simulcast-Betrieb vorerst ohne leistungsstarke Grundnetzsender
Es ist davon auszugehen, dass für den "Simulcast-Betrieb" keine
zusätzlichen leistungsstarken und hochwertigen TV-Kanäle an den
Standorten der wichtigsten Grundnetzsender zur Verfügung stehen. Mit
den etwas mehr als drei bestehenden analogen Frequenzketten ist das
Reservoir an leistungsstarken Frequenzen ausgeschöpft. Für den
"Simulcast-Betrieb" stehen daher TV-Kanäle bzw. Frequenzreste zur
Verfügung, die aus folgenden "Beständen" kommen:
- TV-Kanäle nach Anlage 2 A des Privatfernsehgesetzes, die für die
Digitalisierung vorgesehen sind.
- Frequenzvorschläge als Ergebnisse der von der Spezialfirma LS
telcom gelieferten Expertisen, die noch der internationalen
Koordinierung bedürfen.
- Übertragungskapazitäten nach Anlage 1 des Privatfernsehgesetzes,
die nicht im Zuge der Privatfernseh-Ausschreibung vergeben wurden.
- Heranziehung von Übertragungskapazitäten, die zur analogen
Rundfunkübertragung einem Zulassungsinhaber rechtskräftig zugeteilt
und länger als zwei Jahre nach Zuteilung nicht in Betrieb genommen
wurden. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der bundesweite
Zulassungsinhaber für Privat-TV nicht sämtliche rechtskräftig
zugeordneten Übertragungskapazitäten bis zum 22. April 2004 in
Betrieb nimmt.
- Nutzung von TV-Kanälen über 60, die von den Militärs der
NATO-Länder zögerlich freigegeben wurden und bisher nicht der
Rundfunkversorgung dienten.
- Zusätzliche Übertragungskapazitäten als Ergebnis der sogenannten
"Stockholm-Nachfolge-Konferenz", die in zwei Teilen - zur Jahresmitte
2004 und zu Beginn 2006 - über die Bühne gehen wird.
- Derzeit analog genutzte Füll-Frequenzen, die im Zuge eines
fortgeschrittenen "Simulcast-Betriebes" der analogen
Fernseh-Übertragung entzogen und der digitalen Nutzung zugeschlagen
werden.
Während der "Simulcast-Phase", die wohl in zügiger Form erfolgen
sollte, da die Bandbreite sämtlicher Vorteile von DVB-T erst bei
Erreichen des ATO (Analogue Turn Off) sichtbar werden, ist nicht nur
mit einer Beeinträchtigung des analogen Rundfunkempfangs, sondern
auch damit zu rechnen, dass die Anzahl der Haushalte, die sich
ausschließlich auf den terrestrischen Empfang der Rundfunkprogramme
abstützen, noch einmal deutlich zurückgeht - von rund 17 % (2001) auf
möglicherweise nur noch 10 % (Allerdings sei hier das Wort
"ausschließlich" betont, da neben dem Kabelanschluss oder dem
Satellitenempfang der terrestrische Empfang für Zweit- und
Drittgeräte weiterhin von Bedeutung sein wird). Gleichzeitig ist
davon auszugehen, dass nach zügiger und erfolgreicher Etablierung der
digitalen Rundfunkübertragung die Terrestrik einen deutlich höheren
Stellenwert als heute einnehmen wird.
Möglicher Vier-Stufen-Plan zur Einführung von DVB-T in
Österreich
Aus den bisher dargestellten Thesen ergibt sich die Überlegung
eines "Vier-Stufen-Plans" zur flächendeckenden und inselweisen
Einführung von terrestrisch übertragenem Digital-TV, wobei nach den
sanfteren Phasen in Stufe 1 und 2 ab der Stufe 3 eine deutliche
Beschleunigung einsetzt. Der folgende Zeitplan ist als
Arbeitshypothese aus heutiger Sicht zu beurteilen, ein etwas
detaillierterer Zeitplan wird in der Ende 2003 vorzulegenden "Roadmap
DVB-T" enthalten sein.
Stufe 1 (ab sofort bis Ende 2004): Planungstätigkeit, Vorbereitung
und Durchführung von internationalen Konferenzen zur Sicherung der
digitalen Übertragungskapazitäten, Start eines 1. DVB-T-Projektes im
Versorgungsgebiet Graz im Herbst 2003, Umsetzung aller erforderlichen
legistischen Adaptierungen (PrTV-G, ORF-G, PrR-G...), Vorlage eines
1. Digitalisierungskonzeptes mit Road Map für Österreich zum
Jahresende 2003, Vorbereitung des inselweisen "Simulcast-Betriebes"
in Wien und im Bereich der Landeshauptstädte, Vorbereitung der
Ausschreibung für den Multiplex- und Regelbetrieb.
Stufe 2 (Ende 2004 bis Ende 2006): "Sanfter Simulcast-Betrieb"
(inselweiser Simulcast-Betrieb) im Bereich von Wien und möglichst
aller Landeshauptstädte, mit dem Ziel bis zum Ende von Stufe 2 ohne
signifikante Einschränkungen in der analogen Verbreitung der
Rundfunkprogramme des ORF und von ATV einen Versorgungsgrad von
zumindest 50 % der österreichischen Gesamtbevölkerung auf ein bis
zwei Multiplexern zu gewährleisten, dies in einer Qualität, die
portablen Empfang im Gebäude möglich macht. Parallel dazu Wahrnehmung
sämtlicher Optionen im Rahmen der internationalen
Planungskonferenzen, insbesondere der Stockholm-Nachfolgekonferenz;
Intensivierung sämtlicher Planungsschritte für Stufe 3; jährliche
Vorlage eines aktualisierten Digitalisierungsberichts. Im Laufe der
Stufe 2 erfolgen Ausschreibung und Vergabe der operativen Abwicklung
an den (die) definitiven Multiplex-Betreiber.
Stufe 3 (ab Ende 2006): "Forcierter Simulcast-Betrieb", die
Verfügbarkeit einer ausreichenden Vielfalt an Empfangsgeräten in
unterschiedlichen Qualitäten und zu leistbaren Preisen vorausgesetzt.
Die digitale Versorgung muss in der Phase 3 deutlich forciert und in
die Fläche (Versorgungsziel zumindest eines Multiplexers: 85 - 90 %)
vorangetrieben werden. In dieser Stufe ist mit signifikanten
Einschränkungen in der analogen Versorgung zu rechnen. Die
DVB-T-Versorgung zieht auf die Überholspur. Weiterhin wird jährlich
ein aktualisierter Digitalisierungsbericht vorgelegt.
Stufe 4 (2008 - 2012): Die Abschaltung der bis dahin noch analog
bespielten TV-Frequenzen (ATO) erfolgt schrittweise, Region für
Region. Damit können zusätzliche leistungsstarke
Übertragungskapazitäten für DVB-T herangezogen werden. Die volle
Bandbreite der Vorteile von DVB-T kommt zum Tragen. Der eigentliche
Regelbetrieb beginnt. Ein abschließender Digitalisierungsbericht wird
vorgelegt.
Rückfragehinweis:
Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH
MMag. Daniela Andreasch
Tel.: (++43-1) 58 058/106
Fax: (++43-1) 58 058/9106
mailto:daniela.andreasch@rtr.at
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