Brisante Gutachten sehen keinen ausreichenden Schutz von Wiener Wohngebieten nahe dem geplanten Lainzer Tunnel. Er könnte zum größten Skandal unserer zweiten Republik werden.
Wien (OTS) - "Aus Sicherheitsgründen dürfte der Tunnel erst gar
nicht gebaut werden." Mit dieser brisanten Schlussfolgerung ließ der
international renommierte Brandschutzexperte Univ.Prof. Dr. Schneider
(TU Wien) am vergangenen Mittwoch bei der eisenbahnrechtlichen
Bauverhandlung zum Ostabschnitt des Lainzer Tunnels aufhorchen. Er
stellt in seinem brandschutztechnischen Gutachten fest, dass dieses
Milliardenprojekt nicht dem Stand der Technik und Wissenschaft
entspreche, da seitens der Planung das oberste Gebot der
Risikominimierung missachtet worden sei. Schneider führt dazu
brandschutztechnische Risiken an wie z.B.
- Doppelgleisröhre mit zahlreichen Weichen
- Begegnungs- und Mischverkehr (Personen- und Güterzüge, auch mit
Gefahrengut!)
- Bis zu 80 Meter hohe Fluchtstiegen anstatt eines Rettungsstollens
- Kein Rauchabzug (auch nicht nachrüstbar)
- Streckengefälle hin zur Tunnelmitte - ein notbedingt
antriebsloses Hinausrollen von Zügen ins Freie wäre nicht möglich!
- Geringe Überdeckung unter städtischen Wohngebieten.
Todesopfer schon jetzt einkalkuliert?
"Ein Tunnelbrand", so Schneider, "entwickelt binnen kürzester Zeit
dichte Rauchgase und Temperaturen bis zu 1300 Grad Celsius.
Erfahrungsgemäß sind 15-30% der Zuginsassen Kinder und alte Menschen,
welche auf Fremdrettung angewiesen sind. Aufgrund der langen und
komplizierten Zutrittswege beim Lainzer Tunnel könnten Rettungstrupps
nicht rechtzeitig beim Brandgeschehen sein."
Viele Experten teilen diese Ansicht. So z.B. ist laut Gutachten des
Braunschweiger Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz
beim Lainzer Tunnel wegen Hitze und Verrauchung "der Einbezug einer
Fremdrettung im Tunnelbereich völlig auszuschließen und
aussichtslos." Auch der vom Verkehrsministerium beauftragte Experte
Dr. Greßlehner hält in seinem Brandschutzgutachten bei worst
case-Szenarien ein Schadensausmaß für möglich, bei dem das
angestrebte Schutzziel nicht erreicht werden kann.
Anrainer evakuieren?
Betreffend die Sicherheit der Bebauung nahe dem Lainzer Tunnel im
Brandfall hält Schneider fest: "Erfahrungsgemäß dauern Tunnelbrände
mindestens drei bis vier Stunden, wobei eine wirksame Brandbekämpfung
bei Großschäden praktisch unmöglich ist." Er schließt nicht aus, dass
bei großer und längerer Hitzeeinwirkung die Tunnelkonstruktion
deformiert werden könnte und bei der abschnittsweisen geringen
Überdeckung des Lainzer Tunnels Gebäude einsturzgefährdet seien. Auch
das Braunschweiger Institut kommt zu dem Ergebnis, dass unter den
gegebenen Umständen "die Schutzziele sowohl für Anrainer, als auch
für Tunnelnutzer nicht erfüllt werden."
Bürgersprecher Franz Schodl von der "Plattform Schienenverkehr":
"Mit der geplanten Bauausführung ist kein ausreichender Schutz der
Wohngebiete gegeben; ansonsten würde man nicht schon jetzt
Evakuierungspläne in Betracht ziehen. Das steht im Widerspruch zum
Eisenbahngesetz §§19 und 35."
Wortbruch der Wiener Stadtregierung
In diesem Zusammenhang erinnert Schodl an die seinerzeitige
Entscheidung der Stadt Wien, in Zukunft keine Eisenbahngleise unter
Wohnhäusern zu dulden: "Das war 1977 anläßlich eines verheerenden
Zugbrandes auf der Verbindungsbahn. Der heutige EU-Abgeordnete Peter
Schieder (SPÖ) war damals Umweltstadtrat. Frägt man ihn heute zur
Sicherheitsfalle Lainzer Tunnel, dann geht er auf Tauchstation ...".
Baubewilligung ohne Betriebs- und Sicherheitskonzept?
Als logische Voraussetzung für einen Baubescheid zum Lainzer
Tunnel fordert Anrainervertreter RA Dr. Manak die Erstellung und
Prüfung eines Betriebskonzepts betreffend die Sicherheit von
Fahrgästen und Anrainern im Brandfall. "Die Bauausführung muss auf
das Betriebskonzept abgestimmt werden und sollte zumindest aus zwei
Röhren zu je einem Gleis bestehen."
Anderer Meinung ist hingegen der Verhandlungsleiter der obersten
Eisenbahnbehörde Dr. Wurmitzer: "Erst nach erteilter Baubewilligung
geht es um die Betriebsgenehmigung. Ohne sie darf der Lainzer Tunnel
nicht seiner Bestimmung übergeben werden."
Größter Skandal der zweiten Republik?
"Demnach dürfte ein allenfalls fertig gestellter Lainzer Tunnel
wegen grober und irreparabler Umweltverträglichkeits- und
Sicherheitsmängel niemals in Betrieb gehen", folgert Schodl. "Er
würde nach heutigem Stand den Steuerzahler 17 Milliarden Schilling
kosten, mit dem AKW Zwentendorf vergleichbar sein und neben dem
Wiener AKH zum größten Skandal unserer zweiten Republik werden. Die
ihn vorantreiben und bewilligen, gehören unverzüglich zur
Verantwortung gezogen."
Rückfragehinweis:
Mag. Franz Schodl
Tel: (01) 804 31 80
OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | NEF