Wien (OTS) - Die Oper "Der Riese vom Steinfeld" - eine
Auftragskomposition der Wiener Staatsoper mit dem Libretto von Peter
Turrini und der Musik von Friedrich Cerha -wird am 15. Juni
uraufgeführt. Österreich 1 überträgt live aus der Wiener Staatsoper
ab 19.30 Uhr, ORF 2 zeigt das Werk zeitversetzt ab 22.40 Uhr.****
Ein Bauernbub aus dem Salzburger Land ist der Held dieser Oper,
ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Bauernbub. Er ist 2,58 Meter
groß, also viel zu groß für sein Dorf und dessen Bewohner, die sich
durch seine Existenz gestört, ja bedroht fühlen. Der "Riese" wird aus
dem Dorf vertrieben und in der "großen Welt" als Kuriosum und
Attraktion vorgeführt. Kaiser Wilhelm II. träumt in Berlin davon, ihn
zum Vater eines ganzen Heeres, bestehend aus "Riesenkerlen", zu
machen. Queen Victoria wiederum ist ganz fasziniert von der
Vorstellung, dass sie "als größte Frau der Welt" nun dem größten Mann
begegne. Der große Mann lernt schließlich seine große Liebe kennen:
Es ist "die kleine Frau", Mitglied einer Zirkusgesellschaft. Doch
Voyeurismus und Sensationsgier, die das außergewöhnliche Paar ins
grelle Licht zerren, zerstören die Erfüllung dieser Liebe. Innerlich
gebrochen und schwer erkrankt kehrt der "Riese" in sein Dorf zurück
und stirbt. Der Geschichte des Außenseiters aus dem Dorf folgt in
Turrinis Text eine Art Nachspiel: Als die Dorfbewohner nach dem Tod
des Riesen erkennen, dass er in der Welt Aufsehen erregt hat, lassen
sie nach seiner Gestalt eine Puppe in Originalgröße anfertigen. Sie
befestigen den "nachgebauten Dorfriesen" am Gasthaus und feiern ihn
als "Schutzpatron des Fremdenverkehrs". Somit wird am Schluss des
Stücks ein bekannter Mechanismus spürbar, der eine Art Leitmotiv in
der kulturellen Tradition und Konvention zu sein scheint: "Man lässt
hoch leben, was man vorher umgebracht hat." Ö1 überträgt die
Uraufführung des Werkes von Peter Turrini und Friedrich Cerha am
Samstag, den 15. Juni live ab 19.30 Uhr.
Die Wiener Staatsoper bietet für die Uraufführung eine prominente
Besetzung auf. Kein Geringerer als Thomas Hampson wird die Titelrolle
singen. Und auch die anderen Partien lassen Interessantes erwarten:
zum Beispiel Michelle Breedt als Mutter des Riesen, Heinz Zednik in
einer Doppelrolle als Rabbi Fleckeles und Kaiser Wilhelm II., oder
Diana Damrau als Darstellerin der liebenden "kleinen Frau". Jürgen
Flimm wird inszenieren, das Bühnenbild hat Erich Wonder entworfen. Am
Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper wird Michael Boder stehen,
also einer der Mit-Initiatoren des Projekts.
Die Entstehungsgeschichte
Vor ungefähr zehn Jahren hat Peter Turrini am Irrsee in Salzburg
zum ersten Mal eine Version dieser Geschichte gehört. Und sie hat ihn
so beeindruckt, dass er dem Riesen "auf der Spur blieb", dass er
Relikte und Dokumente suchte und sammelte, die auf die Existenz des
groß gewachsenen Bauernbuben vor 120 Jahren hinweisen. Aus all dem
hat dann Turrini ein eigenes Märchen gestaltet, eine ganz persönliche
Variante der alten Tragödie des Außenseiters mit seiner Sehnsucht
nach Geborgenheit und Liebe. Es war nicht von vornherein klar, dass
Turrinis Geschichte die Form eines Librettos annehmen sollte. Hier
haben Georg Springer, der Geschäftsführer der Bundestheater-Holding,
Staatsoperndirektor Ioan Holender und der Dirigent Michael Boder
wichtige Vorarbeit geleistet, bevor es zur entscheidenden Begegnung
mit Friedrich Cerha kam. Ihn hat Turrini nicht nur als Komponisten
von Rang, sondern auch als Theatraliker par excellence kennen
gelernt. Nun nahm das Libretto konkrete Gestalt an. In der
Zusammenarbeit mit Cerha entwickelte Turrini, der bis zu diesem
Zeitpunkt eher ein Opern-Skeptiker war, den Sinn für die
Möglichkeiten eines Librettos. Er erkannte, wo das Wort "den Ton
anzugeben" hat und wo der Musik Raum gelassen werden muss, weil sie
manches treffender erzählt als Worte. Friedrich Cerha faszinierten am
Libretto Turrinis vor allem zwei Dinge: zunächst die unmittelbare
Art, eine Geschichte zu erzählen - also der stringente, klar
verfolgbare Ablauf der Handlung. Dieser sprach ihn genauso an wie die
Tendenz Turrinis, "die Realität so weit zu überdrehen, bis sie ins
Irreale umschlägt". Cerha ließ sich von der Handlung zu einer betont
vielfältigen und kontrastreichen Musik anregen, die sich aus dem
spezifischen Charakter jeder einzelnen Szene entwickelt. Diese
Arbeitsweise zeigt sich auch in der Gestaltung vieler Details der
Partitur, die reich an klanglichen Assoziationen und Stilzitaten ist.
So gibt es in einer Szene im Prager Juden-Ghetto, in der sich einem
Rabbiner - auf den Schultern des Riesen stehend - düstere Einblicke
in drohende verhängnisvolle Geschehnisse eröffnen, Anklänge an
Klezmer-Musik. Edward Elgars "Erster Militärmarsch" verleiht der
skurrilen Szene bei Queen Victoria ein charakteristisches Kolorit.
Auf ein einheitliches musikalisches Grundmaterial hat Cerha
verzichtet, aber Querverbindungen und Schnittstellen zwischen den
einzelnen Szenen und Bildern waren ihm bei der Kompositionsarbeit
sehr wichtig. So entfaltet sich eine vielschichtige und bewegte
musikalische Welt, die aber minuziös aus den einzelnen Elementen der
Handlung abgeleitet ist.(ih)
Rückfragehinweis: ORF Radio Öffentlichkeitsarbeit
Isabella Henke
Tel.: 01/501 01/18050
e-mail: isabella.henke@orf.at
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