• 28.05.2002, 17:45:51
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VOLLLIBERALISIERUNG DES GASMARKTS SOLL KUNDEN 180 MILL. € BRINGEN Parteien verhandeln über einstimmige Lösung bis 13. Juni=

Wien (PK) - Österreich verfolgt bei der Liberalisierung des
Gasmarktes überaus ehrgeizige Ziele. Bereits mit dem 1. Oktober
2002 ist laut geltendem Gaswirtschaftsgesetz (GWG) die
Vollliberalisierung vorgesehen. Um auch kleinen Betrieben und
privaten Haushalten einen fairen Zugang zum freien Gasmarkt zu
sichern, empfahl der Wirtschaftsausschuss heute unter der
Vorsitzführung seines Obmannes Reinhold Mitterlehner dem Plenum
eine GWG-Novelle 2002 (1116 d.B.) mit allen rechtlichen,
technischen und organisatorischen Voraussetzungen für das
reibungslose Funktionieren des voll liberalisierten Gasmarktes.

Die Novelle wurde in der Fassung eines umfangreichen V-F-
Abänderungsantrages mit der Mehrheit der Regierungsparteien
beschlossen und mit - auch von den Grünen unterstützten -
Rechtsanpassungen in weiteren Gesetzen ergänzt. Trotz der
heutigen Ablehnung durch die Oppositionsparteien zeigten sich die
Vertreter aller vier Parteien aufgrund der bereits aufgenommenen
Gespräche über weitere Abänderungen zuversichtlich, die für die
Verfassungsbestimmungen erforderliche Zweidrittelmehrheit bzw.
eine einstimmige Beschlussfassung im Plenum am 13. Juni
herbeiführen zu können.

Als Eckpunkte für eine Zustimmung der SPÖ nannte deren
Energiesprecher Georg Oberhaidinger eine möglichst einfache
Regelung des "Unbundlings" (Entflechtung der Geschäftsbereiche
der Energieunternehmen), eine Missbrauchsaufsicht für
Kleinkunden, eine politische Kontrolle der Regulatoren, die
Einrichtung von Schlichtungsstellen und eine wirksame
bundeseinheitliche Ökostrom-Regelung. Für die Grünen deponierte
Abgeordnete Eva Glawischnig (G) die Forderung nach einer
unabhängigen Gas-Control Kommission, nach starken Regulatoren,
einer wirksamen Kartellkontrolle, dem "Unbundling", einer
"Rucksack"-Regelung und wirksamen Vorkehrungen gegen Missbräuche
bzw. eine Schlichtungsstelle. Die Vertreter der
Regierungsparteien, die Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ulrike
Baumgartner-Gabitzer (beide VP) und Thomas Prinzhorn (F) zeigten
sich stolz über die Vorreiterrolle Österreichs bei der
Liberalisierung des Gasmarkts, sprachen von einem wichtigen
Meilenstein für die Energiewirtschaft und betonten die auch für
die Kleinkunden zu erwartenden Preisvorteile von insgesamt bis zu
180 Mill. Euro.

DER LIBERALISIERTE GASMARKT IN STICHWORTEN

Im Zentrum der Novelle steht der Übergang vom bisherigen Modell
des "verhandelten" zum "regulierten" Netzzugang. Die Tarife für
die Nutzung der Fernleitungen und Verteilernetze werden
unabhängige Regulierungsbehörden vorweg festlegen. Die vielen
kleinen Betriebe und Haushalte können so zu fairen Bedingungen am
freien Gasmarkt teilnehmen und müssen Gleichbehandlung und
Preisangemessenheit nicht erst in langwierigen und kostspieligen
Prozessen vor Gericht durchsetzen. Der Wirtschaftsminister wird
als oberste Aufsichtsbehörde mit Richtlinienkompetenz für den
Gasmarkt fungieren, die operativen Überwachungs-, Aufsichts- und
Regulierungsfunktionen wird die bestehende Elektrizitäts-Control
GmbH, künftig "Energie-Control GmbH", als umfassender Regulator
für alle leitungsgebundenen Energieträger übernehmen. Als
unabhängige Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag wird -
nach Annahme des von den Abgeordneten Mitterlehner und Hofmann
vorgelegten Abänderungsantrages - eine dreiköpfige Energie-
Control Kommission bei der Energie-Control GmbH angesiedelt
werden. Der Abänderungsantrag enthält unter anderem auch eine
Liste mit den konkreten Aufgaben der Energieregulatoren und er
schreibt vor, dass der Energie-Control Kommission ein Richter
anzugehören habe. Bei der Bestellung der Kommission hat die
Bundesregierung auf einen Dreiervorschlag des Obersten
Gerichtshofes Bedacht zu nehmen. Die für die Einrichtung der
Energieregulierungsbehörden notwendigen Rechtsanpassungen in
anderen Gesetzen sind Gegenstand eines von den Abgeordneten
Mitterlehner und Hofmann in der Debatte aufgrund von § 27 GOG
eingebrachten und mit F-V-G-Mehrheit beschlossenen Antrages.

Der Netztarif wird nach einem punktgenauen "Briefmarkenmodell"
ermittelt werden. Anträge der Kunden auf Netzzugang wird der
lokale Netzbetreuer als "One Stop Shop" entgegennehmen. Das
Leitungssystem wird in drei "Regelzonen" (Ost, Tirol, Vorarlberg)
unterteilt, wobei in jeder Regelzone ein "Regelzonenführer" für
Stabilität im Leitungsnetz sorgen wird. Durch den
Abänderungsantrag wurde den Betreibern der vorgelagerten Netze
vorgeschrieben, miteinander zivilrechtliche Verträge
abzuschließen, um den Erdgastransport über ihre Leitungen zu den
Netzzugangsberechtigten zu ermöglichen.

Erzeuger, Lieferanten und Verbraucher werden "Bilanzgruppen"
bilden, deren Verantwortliche Summenfahrpläne erstellen und
versuchen, den Bedarf an (teurer) Ausgleichsenergie für ihre
Gruppe möglichst gering zu halten. Preisbestimmung und
Verrechnung der Ausgleichsenergie wird der "Verrechnungsstelle
für Transaktionen und Preisbildung für Ausgleichsenergie
(Clearing and Settlement)" obliegen. Beim Zugang zu den
Erdgasspeicheranlagen bleibt es beim "Verhandlungsmodell", die
Verträge sind der Energie-Control Kommission vorzulegen, die
deren Angemessenheit nachträglich kontrollieren wird.
"Kommitierungsverträge", mit denen Leitungskapazitäten reserviert
und andere Kunden vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, sind in
Zukunft ausgeschlossen, weil sie im Widerspruch zum
Wettbewerbsrecht der EU stehen und ein nicht genehmigungsfähiges
Kartell darstellen würden, gegen das die Regulatoren des
Gasmarktes beim Kartellgericht Einspruch erheben können.

AUF DEM WEG ZU EINER EINSTIMMIGEN GASWIRTSCHAFTSGESETZ-NOVELLE?

In der Debatte unterstrich Abgeordneter Karl-Heinz Kopf (V) die
Notwendigkeit, saubere Rahmenbedingungen für die volle
Liberalisierung des Gasmarktes zu schaffen, wobei der Einrichtung
einer Regulierungsbehörde analog zum liberalisierten Strommarkt
große Bedeutung zukomme. Der vorliegende Abänderungsantrag sehe
vor, statt einer eigenen Kommission für den Gasmarkt, eine
einzige Energie-Control Kommission für Strom und Gas zu schaffen.
Dazu bedürfe es der Zustimmung der Länder und im Hinblick auf
Verfassungsbestimmungen auch der Zustimmung der SPÖ, wobei Kopf
von zufriedenstellenden Gesprächen mit der Opposition sprach. In
Diskussion stünden noch mehrere Positionen, beispielsweise auch
der Umfang des "Unbundling".

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) sprach ebenfalls von guten
Gesprächsrunden mit den Koalitionsparteien und unterstrich die
Bereitschaft seiner Fraktion, bis zum 13. Juni brauchbare
Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Den Sozialdemokraten gehe es
um eine möglichst einfache Lösung des "Unbundlings", einer
Missbrauchsaufsicht für Kleinkunden, einer politischen Kontrolle
der Regulatoren, die Einrichtung einer Schlichtungsstelle und um
eine wirksame bundeseinheitliche Ökostrom-Regelung.

Für die Grünen deponierte Abgeordnete Eva Glawischnig (G) die
Forderung nach einer unabhängigen Gas-Control Kommission, nach
starken Regulatoren, einer wirksamen Kartellkontrolle, dem
"Unbundling", einer "Rucksack"-Regelung und tauglichen
Vorkehrungen gegen Missbräuche sowie einer Schlichtungsstelle.
Über eine Ökologisierung der Energiewirtschaft wollte Glawischnig
nicht im Rahmen der Diskussion über die Regulierung der
Energiemärkte, sondern bei der Änderung des Steuersystems
sprechen.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) sprach von einer
langfristig richtigen Entscheidung und ehrgeizigen Zielen
Österreichs, das den Gasmarkt zweieinhalb Jahre vor der EU
liberalisiere und damit für einen leistungsfähigen Energiesektor
sorge. Sie blicke der Liberalisierung des Gasmarktes mit großer
Freude entgegen.

Abgeordneter Thomas Prinzhorn (F) sah einen weiteren Meilenstein
der Liberalisierung und Entbürokratisierung erreicht und
unterstrich die Notwendigkeit, den Regulierungsapparat mit einer
möglichst unbürokratischen Verwaltung auszustatten. Die
Freiheitlichen seien sehr zufrieden mit diesem weiteren
Liberalisierungsschritt, bei dem sie großen Wert darauf legen,
dass auch die Kleinabnehmer in den Genuss der Liberalisierung
kommen werden.

Bundesminister Martin Bartenstein zeigte sich optimistisch, dass
es gelingen werde, eine Vier-Parteien-Einigung über die
Rahmenbedingungen der vollen Gasmarkt-Liberalisierung
herbeizuführen. Der Ressortleiter lobte seine Beamten für den
exzellent vorbereiteten Entwurf und bezifferte die für die
Konsumenten zu erwartenden Einsparungen mit 160 bis 180 Mill.
Euro.

ZUSTIMMUNG ZU ABKOMMEN ÜBER KAFFEE UND NAHRUNGSMITTELHILFE

Einstimmig sprach sich der Wirtschaftsausschuss schließlich dafür
aus, das neue Kaffee-Übereinkommen zu ratifizieren, das an die
Stelle des abgelaufenen Fünften Internationalen Kaffee-
Übereinkommens von 1994 treten soll. Es geht um internationale
Zusammenarbeit auf dem Kaffeesektor, den Austausch von
Informationen, die Erstellung von Studien, die Errichtung eines
Systems von Ursprungszeugnissen, die Verpflichtung zur
Beseitigung von Verbrauchshindernissen und um die Herstellung
eines Gleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch (1037
d.B.).

Auch das neue Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen (1038 d.B.), das
an die Stelle des abgelaufenen Übereinkommens aus dem Jahr 1995
treten soll, passierte den Ausschuss ohne Gegenstimme. Mit diesem
Abkommen verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten, mindestens
1,32 Mill. Tonnen Weizen oder den Gegenwert von 130 Mill. € an
die Entwicklungsländer zu liefern. Aus der EU-internen Aufteilung
dieser Gesamtverpflichtung resultiert für Österreich ein Beitrag
von 1,48963 Mill. € aus dem nationalen Budget. Das neue
Übereinkommen enthält eine erweiterte Liste mit zur Lieferung
geeigneter Erzeugnisse über Getreide hinaus, Bestimmungen über
Transportkosten und es ermöglicht es den Geberländern, ihre
Verpflichtungen in Mengen (Tonnen), in Wert oder in einer
Kombination von Mengen und Wert anzugeben. (Fortsetzung)

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