Wien (PK) - Die Bundesregierung hat dem Nationalrat kürzlich
einen Gesetzentwurf zur Novellierung der Gewerbeordnung samt
begleitenden Anpassungen in den Rechtsbereichen Berufsausbildung,
Konsumentenschutz, Neugründungsförderungen und
Arbeitskräfteüberlassung vorgelegt. Als Motive nennt sie die
Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und seiner
internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Mit einer Liberalisierung
des Berufszugangs, erweiterten Nebenrechten der Gewerbetreibenden
und dem Abbau bürokratischer Hürden will die Regierung einen
Anreiz für das Unternehmertum geben und dem in Österreich noch
immer bestehenden Defizit an selbständig Erwerbstätigen
entgegenwirken. Unangetastet soll das hohe Niveau der Ausbildung
in Österreich bleiben. - Die PK fasst die wichtigsten Neuerungen
der samt Erläuterungen mehr als 300 Seiten starken Vorlage im
Folgenden kurz zusammen.
MIT E I N E M BEHÖRDENSTOPP ZUR GEWERBEBERECHTIGUNG
Alle Gewerbe können künftig bei einer Stelle ("One-stop-shop")
der Bezirksverwaltungsbehörde angemeldet werden. Im Zeitalter von
"E-Government" wird auch für den guten alten Gewerbeschein kein
Platz mehr sein. Das System des Befähigungsnachweises wird
vereinfacht, flexibler gestaltet und bei der Anmeldebehörde
konzentriert. Der Bewerber dokumentiert seine fachliche
Qualifikation generell durch einen standardisierten
Befähigungsnachweis oder individuell durch entsprechende
Dokumente. Die bislang vom Landeshauptmann zu erteilende
Nachsicht vom Befähigungsnachweis kann damit entfallen.
Was als "genereller Befähigungsnachweis" gelten soll, wird der
Wirtschaftsminister für jedes reglementierte Gewerbe per
Verordnung festlegen, wobei er den Rang von europarechtlich auf
Diplomniveau eingestuften Gewerben erhalten muss. Als Belege
kommen künftig auch Zeugnisse über Tätigkeiten in leitender
Stellung und als Betriebsleiter in Betracht - die "3.
Diplomanerkennungsrichtlinie" findet so Eingang in das
österreichische Befähigungsnachweissystem.
Qualifizierte Bewerber, die die Vorgaben der Befähigungsnachweis-
Verordnungen nicht erfüllen, können ihre Kenntnisse, Fähigkeiten
und Erfahrungen durch individuelle Belege nachweisen. Ist auch
dies nicht möglich, kann die Gewerbebehörde eine der Befähigung
entsprechende Beschränkung auf Teiltätigkeiten des jeweiligen
Gewerbes aussprechen. Fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten können
durch Anpassungslehrgang oder Eignungsprüfung ergänzt werden.
Beim individuellen Befähigungsnachweis wird die Gewerbeausübung
erst mit der Feststellung der individuellen Befähigung zulässig
sein. - Das neue, flexible System des Befähigungsnachweises macht
das bisher vom Landeshauptmann durchgeführte Nachsichtsverfahren
überflüssig und erlaubt eine tiefgreifende
Verwaltungsvereinfachung.
MEISTERPRÜFUNG: ABLAUF UND PRÜFUNGSKOMMISSION WERDEN REFORMIERT
Die Meisterprüfung bleibt der vorrangige Zugang zum Handwerk.
Geändert werden die Zulassung zur Prüfung sowie deren Form und
Inhalt. Die zur Ausübung des Gewerbes erforderlichen Fähigkeiten
und Kenntnisse sind Inhalt der Meisterprüfung, daher kann der
Nachweis einer Berufsausbildung und einer zweijährigen Praxis
entfallen. Die Lehre wird damit nicht entwertet, denn sie ersetzt
Teile der in Module gegliederten und in ihrem Ablauf flexibler
gestalteten Meisterprüfung. Den Inhalt der Meisterprüfung wird
die zuständige Fachorganisation der Wirtschaftskammer nach
Anhörung der Bundesarbeitskammer und anderer in
Berufsausbildungsangelegenheiten involvierte Stellen festlegen
und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Bestätigung
vorlegen. Per Verordnung kann der Minister auch eine
Befähigungsprüfung als Zugangsart zum Gewerbe festlegen.
Schulische und universitäre Lehrgänge, die ihrer
unternehmerischen Inhalte wegen der Unternehmerprüfung
vergleichbar sind, sowie land- und forstwirtschaftliche
Meisterprüfungen sollen der Unternehmerprüfung gleichgestellt
werden.
Die zersplitterte Zuständigkeit für die Bildung und
Zusammensetzung der Prüfungskommissionen sowie für die
Durchführung der Meister- und der Befähigungsprüfungen wird bei
der Meisterprüfungsstelle konzentriert. Entscheidendes Kriterium
bei der Auswahl der Prüfer ist die Qualifikation auf dem zu
prüfenden Fachgebiet; Inhaber einer Gewerbeberechtigung verlieren
ihre bislang bevorzugte Position bei der Bestellung zum
sachverständigen Prüfer. Das Vertrauen in die Unparteilichkeit
der Prüfer sei teilweise beeinträchtigt worden, da etablierte
Gewerbetreibende ihre zukünftigen Mitbewerber prüften, heißt es
dazu in den Erläuterungen. Für den Vorsitz in den verkleinerten
Prüfungskommissionen ist künftig generell ein Beamter vorgesehen.
IN ZUKUNFT NUR NOCH REGLEMENTIERTE UND FREIE GEWERBE
Die Gewerbeordnungsnovelle 2002 baut auf einem stark
vereinfachten System der Gewerbekategorien auf. Statt dreier
Gewerbelisten wird es künftig nur eine Liste mit den so genannten
reglementierten Gewerben geben, deren Ausübung einen
Befähigungsnachweis voraussetzt. Alle anderen Gewerbe sind freie
Gewerbe. Die geltenden Unterscheidungen Handwerk - gebundenes
Gewerbe sowie nichtbewilligungspflichtiges -
bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe entfallen. Für Gewerbe
mit Meisterprüfung bleibt die Bezeichnung Handwerk aufrecht. Auch
die Begriffe "verbundene Gewerbe" (Beispiel "Schlosser, Schmiede
und Landmaschinentechniker") sowie Teilgewerbe gelten weiter.
Entfallen sollen auch die bislang festgelegten Verwandtschaften
zwischen Gewerben, stattdessen werden die Zahl der verbundenen
Gewerbe ausgeweitet und die Teilgewerbe aufgewertet. In
Teilgewerben fällt das Ausbildungsverbot und die Einschränkung
der Beschäftigungszahl.
SENSIBLE GEWERBE - ÖFFENTLICHE INTERESSEN BLEIBEN GEWAHRT
Der Handel mit militärischen Waffen und Munition wird in Zukunft
das einzige Gewerbe sein, das einer Bewilligung bedarf. Bei den
anderen bisher bewilligungspflichtigen Gewerben ist aus
Sicherheitsgründen auch künftig die Zuverlässigkeit des
Gewerbeinhabers nachzuweisen. Bestellung und Ausscheiden eines
Geschäftsführers sind genehmigungs- bzw. anzeigepflichtig. Die
Liste der sensiblen Gewerbe umfasst folgende 13 Gewerbe:
Baumeister und Brunnenmeister; Chemische Laboratorien;
Elektrotechnik (Alarmanlagen); Pyrotechnikunternehmen; Gas- und
Sanitärtechnik; Herstellung von Arzneimitteln und Giften sowie
Großhandel mit Arzneimitteln und Giften; Inkassoinstitute;
Reisebüros; Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive,
Bewachungsgewerbe); Sprengungsunternehmen; Vermittlung von
Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung;
Waffengewerbe; Zimmermeister.
DEREGULIERUNG DES HANDELS
Eine erhebliche Verwaltungsentlastung erwartet die
Bundesregierung von der Einreihung des Handelsgewerbes und der
Handelsagenten unter die freien Gewerbe. Von dieser Deregulierung
ausgenommen bleiben aber der Handel mit Medizinprodukten und die
Handelstätigkeiten reglementierter Gewerbe.
NEUE BEZEICHNUNGEN, KLARSTELLUNGEN UND VIELE DETAILREGELUNGEN
Die Novelle bringt Klarstellungen und neue Bezeichnungen: Um
"Technische Büros" von technischen Abteilungen in Unternehmen
abzugrenzen, lautet die Gewerbebezeichnung für selbständige
Ingenieure in Hinkunft "Technische Büros-Ingenieurbüros
(Beratende Ingenieure)". Unter der Bezeichnung "Elektrotechnik"
werden die Gewerbe "Elektrotechniker" und "Errichtung von
Alarmanlagen" zusammengefasst. Neue Bezeichnungen erhalten zum
Beispiel Gas- und Wasserleitungsinstallateure ("Gas- und
Sanitärtechnik"), Radio- und Videoelektroniker
("Kommunikationselektronik") sowie Molker und Käser
("Milchtechnologie"). Soweit Finanzdienstleistungen der
Gewerbeordnung unterliegen, werden sie künftig unter dem Titel
"Vermögensberatung" geregelt.
Bei den Designern wird der bestehende Zustand auf eine rechtliche
Basis gestellt. Nach einer Fachausbildung von vier Jahren plus
einer dreijährigen Berufspraxis oder einer Berufspraxis von fünf
Jahren kann der Berufsverband "Design Austria" prüfen, ob der
Designer in das "Register of Designers" aufgenommen werden kann,
das von "The Bureau of European Designers Associations" im
Auftrag des Europäischen Statistischen Zentralamtes geführt wird.
Diese Regelung steht der Begründung freier Gewerbe auf dem Gebiet
des Designs und für das reglementierte Gewerbe eines "Technischen
Büros für Design" nicht im Wege. Nur die höchstpersönliche
Tätigkeit des Designers kann vom Anwendungsbereich der
Gewerbeordnung 1994 ausgenommen sein.
Masseure/Masseurinnen können künftig nach einer ergänzenden
Ausbildung als "Heilbademeister und Heilmasseur/Heilbademeisterin
und Heilmasseurin" tätig werden.
Gastgärten dürfen auf öffentlichem Grund oder an öffentlichen
Verkehrsflächen künftig nicht nur zwischen 15. Juni und 15.
September von 8 Uhr bis 22 Uhr, sondern ganzjährig bis 23 Uhr
betrieben werden.
EINFACHERE REGELUNG DER NEBENRECHTE
Einfacher und einheitlicher werden die Nebenrechte der
Gewerbetreibenden geregelt. Sie dürfen ergänzende Leistungen
anderer Gewerbe in geringem Umfang und im Rahmen eines
Vertragsverhältnisses erbringen, das auf eine Gesamtleistung
zielen muss. Die ergänzende Leistung eines anderen Gewerbes darf
nicht alleiniger Gegenstand eines solchen Vertrages sein. Der
wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des jeweiligen
Betriebes müssen erhalten bleiben.
Allen Gewerbetreibenden steht künftig ein allgemeines
Handelsrecht zu, ausgenommen sind Medizinprodukte sowie
Handelstätigkeiten, die den reglementierten Gewerben vorbehalten
sind. Teilgewerbe dürfen im fachlichem Zusammenhang mit dem
hauptberuflich ausgeübten Gewerbe ohne Begründung einer eigenen
Gewerbeberechtigung ausgeübt werden. Hat der Gewerbetreibende
selbst nicht die entsprechende Befähigung, muss er einen
Arbeitnehmer, der den Befähigungsnachweis für das betreffende
Teilgewerbe erbringt, in seinem Betrieb beschäftigen.
Der von der Gewerbeordnung ausgenommene Zukauf von Trauben, Wein
und pflanzlichen Erzeugnissen durch Land- und Forstwirte bleibt
nicht länger auf inländische Produkte beschränkt, sondern wird
auf EWR-Produkte ausgedehnt.
Damit Gewerbetreibende nach der Schließung von Postämtern
Postdienstleistungen im Rahmen ihres Betriebes anbieten können,
legt die Novelle fest, dass Post-Dienste keiner besonderen
Gewerbeberechtigung bedürfen.
EIN KONKURS IST KEIN GEWERBEAUSSCHLUSSGRUND MEHR
Selbständige Tätigkeiten sind in einer Marktwirtschaft mit Risiko
verbunden, daher soll der Konkurs in Hinkunft nur noch dann ein
Gewerbeausschluss- bzw. Gewerbeentziehungsgrund sein, wenn das
Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, die Kosten des
Konkursverfahrens abzudecken. Kridadelikte gelten ungeachtet der
Höhe des Strafausmaßes weiter als Gewerbeausschlussgrund. Der
Ausschluss soll wirksam sein, solange die Insolvenzdatei Einsicht
in die Konkursabweisung mangels Masse gewährt, also drei Jahre
lang.
RECHTS- UND VERWALTUNGSVEREINFACHUNGEN
Da jeder "gewerberechtliche Pächter" ein Gewerbetreibender ist,
kann dieses Rechtsinstitut entfallen. Eine weitere Deregulierung
bringt der Entfall der Anzeigepflicht bei der Eröffnung weiterer
Betriebsstätten. Davon ausgenommen bleiben aber die
Rauchfangkehrer, die auch künftig für jede Betriebsstätte den
Bedarf nachweisen müssen. Außerdem müssen Pyrotechniker,
Sprengungsunternehmen und das Waffengewerbe die Eröffnung
weiterer Betriebsstätten anzeigen.
Eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung bringt der Entfall des
oft schwer zu erbringenden Nachweises der Gegenseitigkeit bzw.
der Inländergleichstellung bei in Österreich lebenden Angehörigen
von Drittstaaten. Das Recht ein Gewerbe auszuüben wird bei
Ausländern, Asylanten und Staatenlosen, denen das Gewerberecht
nicht durch Staatsvertrag garantiert ist, von ihrem legalen
Aufenthalt in Österreich abhängig gemacht. Weitere
Deregulierungsschritte bilden unter anderem der Entfall der
Bedarfsprüfung beim Bestattergewerbe und bei der Verlängerung der
Sperrstunde im Gastgewerbe.
MASSNAHMEN GEGEN DIE GELDWÄSCHE IN DER GEWERBEORDNUNG
Die bislang nur für Kredit- und Finanzinstitute geltenden
Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie werden auf weitere Branchen
ausgedehnt. Identifizierungspflicht, Sorgfaltspflicht,
Aufbewahrungspflicht von Identifizierungsangaben und
Geschäftsunterlagen sowie Melde- und Informationspflicht bei
Verdacht auf Geldwäsche gilt künftig auch für Immobilienmakler,
Händler mit wertvollen Gütern, Versteigerer, Kasinos, externe
Buchsachverständige, Abschlussprüfer, Steuerberater, Notare,
Rechtsanwälte und andere selbständige Juristen (1117 d.B.).
(Schluss)
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