• 06.05.2002, 10:34:24
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"Deutschkurse für Migranten?" - Handlungsbedarf für das Rote Kreuz: Präsident Fredy Mayer zum Weltrotkreuztag am 8. Mai=

Wien (OTS) - Aus Anlass des Weltrotkreuztages am 8. Mai umriss der
Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), Fredy Mayer, die
gegenwärtig größten Herausforderungen an seine Organisation: Die
Pflege für Hilfsbedürftige, die Integration von ausländischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern, verstärkte internationale Arbeit und
die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen.

"In Österreich gibt es keine Gesundheitspolitik. Nur eine
Finanzpolitik zu Gesundheitsfragen", so der Rotkreuz-Präsident. Ein
Notstand in der Hilfe für pflegebedürftige Menschen zeichne sich ab:
Den heute 540.000 Hilfs- und Pflegebedürftigen stünden schon in zehn
Jahren rund 800.000 gegenüber. "Wenn wir ins Jahr 2030 blicken, dann
sehen wir eine überalterte österreichische Gesellschaft: 2,7
Millionen über 60-jährige und nur 1,2 Millionen Kinder und
Jugendliche", so Fredy Mayer. Das Rote Kreuz reagiere mit der
Entwicklung neuer Tätigkeitsprofile für künftige Pensionisten in der
freiwilligen Pflegearbeit, mit seiner Hospiz-Arbeit und mit
Modellversuchen im Bereich "Pflege auf Gegenseitigkeit". Das sei aber
nicht genug: "Der Staat muss überlegen, wie viel ihm die oft
beschworene Solidarität wert ist. Sonst leben wir trotz erheblichen
Heizölverbrauchs bald in einer sehr kalten Gesellschaft", so Mayer.

Auf der Prioritätenliste nach oben gerückt sei mit der vor drei
Wochen von 50 Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften beschlossenen
"Berliner Charta" auch das Thema Migration. Das Rote Kreuz sehe es
als eine vordringliche Aufgabe, Ängste abzubauen, Integration zu
fördern und "Hinzusehen, wenn ein Mensch in Not ist, egal, ob er
legal oder illegal hier ist", so der Rotkreuz-Präsident.
"Wir wissen, dass es in Österreich ein gewisses Maß an Skepsis
gegenüber ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gibt", so Mayer
weiter. Aber ohne Ängste leugnen und Probleme schönreden zu wollen,
seien "Investitionen in diesem Bereich nicht nur ein Gebot der
Menschlichkeit und aktive Arbeit gegen die Spaltung unserer
Gesellschaft entlang ethnischer Bruchlinien. Wer unsere Grundsätze
nicht teilt, aber rechnen kann, kann ruhig auch aus purem Egoismus
zur Einsicht kommen: Wir brauchen Zuwanderung."

Das Rote Kreuz könne in diesem Bereich auf einigem aufbauen, erklärte
Fredy Mayer mit dem Hinweis auf das "Netzwerk Asylanwalt", die im
Rahmen des European Country of Origin Information Network
eingerichtete Dokumentationsstelle ACCORD in Wien und die konkreten
Hilfeleistungen im Rahmen der individuellen Spontanhilfe. Weiters
verwies er auf die momentan durchgeführte Evaluierung zur
Durchführung von Deutschkursen für Migranten, wie sie durch die
Integrationsvereinbarung notwendig werden.

Im Bereich der internationalen Hilfe des Roten Kreuzes appellierte
der Rotkreuz-Präsident an die Großzügigkeit von privaten und
institutionellen Geldgebern. Nur durch sie sei das Rote Kreuz in der
Lage, Kriegs- und Katastrophenopfern auf der ganzen Welt zu helfen.
Das Rote Kreuz wolle aber trotzdem nicht "zum Lügner des Guten"
werden: Wo heute Politik und Diplomatie versagen, würden die
Humanitären hingeschickt - "das sieht zwar im Fernsehen gut aus", so
Mayer, dürfe aber im Hinblick auf eine fehlende gemeinsame
Außenpolitik nicht darüber hinwegtäuschen, "dass Europa ökonomisch
ein Riese, politisch aber ein Zwerg und militärisch ein Wurm" sei.
Das Rote Kreuz wolle nicht zum Feigenblatt einer versagenden
Außenpolitik werden.

Als eine der spannendsten Herausforderungen für das Rote Kreuz
bezeichnete Fredy Mayer den verstärkten Dialog zu multinationalen
Unternehmen. "Während sich der Staat überall zurückzieht, erlangen
Unternehmen großen gestalterischen Einfluss in allen Gesellschaften",
so der Rotkreuz-Präsident. Die Frage sei: "Wie viel gesellschaftliche
Verantwortung kommt mit dieser Macht?" Das Rote Kreuz hat bereits vor
einiger Zeit eine eigene Stelle für Unternehmenskontakte
eingerichtet. Ziel sei es, in einzelnen Hilfsprojekten in Österreich
und international mit Unternehmen zu kooperieren. "Unternehmer wissen
selbst, dass die Konsumenten immer kritischer werden", so Mayer. Es
gehe bei Kooperationen auch nicht darum, dass sich Unternehmen mit
einer Spende "freikaufen" könnten: "Wir möchten vielmehr die
Möglichkeit bieten, gemeinsam mit uns soziales Engagement aktiv
darzustellen", erklärt der Rotkreuz-Präsident.

Angesicht der beschriebenen Herausforderungen verwies Mayer auf
Rotkreuz-Gründer Henry Dunant, dessen Geburtstag von der Organisation
am 8. Mai begangen wird: "Wir haben einen langen Atem. Auch Dunant
hat man ständig erklärt, was alles nicht geht. Und heute arbeiten wir
im weltweiten Netzwerk des Roten Kreuzes, als ob es das immer schon
gegeben hätte."

Rückfragehinweis: Rückfragehinweis:

ÖRK Pressestelle
Mag. Michael Opriesnig
01/58900-351
opriesnig@redcross.or.at
www.roteskreuz.at

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