- 22.04.2002, 11:06:57
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Halbzeit bei Dreharbeiten zur ORF-Koproduktion "Schwabenkinder"
Erfolgreicher Umzug von Osttirol ins Allgäu
Wien (OTS) - Halbzeit für die ORF-Koproduktion "Schwabenkinder":
Nach rund drei Wochen intensiver Dreharbeiten in Osttirol zog
vergangenes Wochenende das Filmteam der Wiener epo-film ins Allgäu an
den Bodensee, wo der zweite Teil der Dreharbeiten zu dieser
internationalen Historienverfilmung von epo-film Wien, Media Fonds 1
München, ORF, BR, SF DRS, SWF, ARTE und RAI Bozen stattfindet. Das
historische Heimatdrama befasst sich mit der jahrhundertelang
gängigen Praxis der "Schwabengängerei", die dem Arbeitskräftemangel
in Oberschwaben Abhilfe schaffte. Nachweislich wurden seit dem 16.
Jahrhundert bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts Kinder
verarmter Bergbauern, hauptsächlich aus Tirol, Vorarlberg und
Graubünden, alljährlich über die Alpen ins Schwäbische geschickt und
dort auf Kindermärkten als Saisonarbeitskräfte an reiche Bauern aus
dem Allgäu "verkauft". Die Filmgeschichte erzählt von einem solchen
"Sklavenzug" um 1900, als die Schwabengängerei ihren Höhepunkt
erreichte. Im Mittelpunkt des Films steht das Schicksal eines Tiroler
"Schwabenkindes", dessen mittellose, schwere Kindheit es zum
Verlassen der Heimat zwang.
Der ORF zeigt "Schwabenkinder" als TV-Highlight im Rahmen des
Osterprogramms 2003.
Hochkarätige Besetzung unter erstklassiger Regie
Gleich drei Adolf-Grimme-Preisträger 2002 sind derzeit bei den
Dreharbeiten im Städtchen Meersburg am Bodensee vereint: Für Buch und
Regie von "Schwabenkinder" zeichnet der mehrfache Grimme-Preisträger
Jo Baier verantwortlich, der den deutschen TV-Oscar zuletzt für
"Wambo", sein Gesellschaftsdrama über den ermordeten bayerischen
Volksschauspieler Walter Sedlmayr, erhielt. In zwei Hauptrollen
spielen die Darsteller Tobias Moretti und Jürgen Tarrach, die heuer
ebenfalls mit dem renommierten Fernsehpreis ausgezeichnet wurden.
Moretti, der in "Schwabenkinder" den Kooperator spielt - einen
Geistlichen, der den Kinderzug über die Alpen "schleppt" - wurde für
seine Rolle in der Verfilmung der Oetker-Entführung mit dem Titel
"Der Tanz mit dem Teufel" mit dem Adolf-Grimme-Preis preisgekrönt.
Jürgen Tarrach, der für die Titelrolle in Jo Baiers "Wambo" ebenfalls
mit dem Grimme-Preis geehrt wurde, spielt einen Bauern, der, den
Kaspar - die jugendliche Hauptfigur - im Allgäu auf dem Kindermarkt
anmietet und schikaniert.
Die Rolle des Kaspar ist zweifach besetzt: Den im Film achtjährigen
Buben spielt der zehnjährige Südtiroler Thomas Unterkircher, der
erwachsene Kaspar wird von Hary Prinz dargestellt, begabter Nachwuchs
der Wiener Theaterszene, der im Jahr 2000 in seiner ersten
Filmhauptrolle in Götz Spielmanns "Die Fremde" im Kino zu sehen war.
Einen weiteren Hauptpart in "Die Schwabenkinder" hat der deutsche
Schauspieler und Regisseur Vadim Glowna übernommen: Er gibt Kaspars
Vater, der in seinem Elend keinen anderen Ausweg sieht, als seinen
Sohn mit den anderen Kindersklaven ins Allgäu ziehen zu lassen. Die
15-jährige Lienzer Gymnasiastin Eva Maria Fleissner verkörpert ein
13-jähriges Bergbauernmädchen und ältestes Mitglied der Kindergruppe,
zu dem Kaspar großes Vertrauen fasst. In weiteren Rollen stehen
außerdem Naomi Krauss, Vera Lippisch, Bernd Faerber, Martin Abram,
Werner Prinz, Ulrike Beimpold und viele andere vor der Kamera von
Tomas Erhart.
Das Casting der 13 "Schwabenkinder"
Neben dem Südtiroler Thomas Unterkircher und der Lienzerin Eva Maria
Fleissner hat Jo Baier elf weitere "Schwabenkinder" ebenfalls in
Osttirol gefunden. Für das Casting und die Betreuung der Kinder ist
die Ehefrau des Regisseurs, Gertrud Baier, verantwortlich: Im
Zeitraum Ende Oktober 2001 bis Februar 2002 hat Gertrud Baier in
Osttirol - unter anderem in Schulen - rund 2.000 Kinder gesichtet und
mit mehr als 600 Kindern Probeaufnahmen durchgeführt. Darauf folgten
weitere Castings, in denen die Kinder auch mit Text arbeiten mussten,
bis letztendlich die 13 "Schwabenkinder" übrig blieben. Aus dem
großen Angebot wurden neben diesen 13 weitere 70 Spiel- und
Komparsenkinder engagiert.
Jo Baier: Authentischer Weg über das Gebirge
Drei harte Drehwochen hat das "Schwabenkinder"-Team gerade hinter
sich: Bei beschwerlichen Wetterbedingungen - zuerst ließ der Schnee
auf sich warten, dann sorgte er in ausreichenden Mengen inklusive
schonungsloser Kälte für richtige "Schwabengeher"-Bedingungen - trieb
Regisseur Jo Baier die Dreharbeiten voran. "Das ist für mich der
schwierigste Dreh der vergangenen Jahre", erzählt er bei einem
Pressegespräch, das als Auftakt zur zweiten Drehetappe am
Freitagabend, dem 19. April 2002, in Meersburg stattfand. "Und zwar
deshalb, weil wir den Weg der historischen Schwabenkinder im Film
sehr authentisch nachgehen. Der Weg über das Gebirge mit den Kindern
und dem gesamten Kameratross, bei ständig wechselnden Wettbedingungen
- von eisiger Kälte, über Schneegestöber bis Sonne war alles dabei -
war sehr schwierig. Vor allem die Kinder haben gefroren, gejammert,
konnten manchmal einfach nicht mehr weiter. Und als wir dann über das
Gebirge kamen, haben wir uns alle wie die Schwabenkinder gefühlt. Wir
konnten nachempfinden, wie es damals war, im Allgäu anzukommen. Für
uns war es ein Gefühl, als ob man das Gelobte Land erreicht hätte",
erinnert sich Baier.
Tobias Moretti: Kinder haben faszinierenden Zugang zur Arbeit
"Bisher war es für alle ein harte Zeit", zieht Hauptdarsteller Tobias
Moretti Bilanz. "Ursprünglich hatte ich Angst, mit so vielen Kindern
zu arbeiten, doch die bisherige Zusammenarbeit war höchst
professionell und hat unheimlichen Spaß gemacht. Die Schwabenkinder
wurden unglaublich gut nach ihrem Charakter ausgesucht. Da sie aus
Süd- und Osttirol kommen, entsprechen sie einer anderen Mentalität,
als es Kinder aus urbaneren Gegenden getan hätten. Und obwohl sie
alle Laien sind, haben sie für mich einen faszinierenden Zugang zur
Arbeit", so Moretti.
Der kleine Hauptdarsteller an seiner Seite, der Südtiroler Thomas
Unterkircher, hat es Moretti besonders angetan: "Thomas ist ein
hochbegabtes Kind. Er geht mit großer Ernsthaftigkeit an die Sache
heran, ist an allem interessiert, merkt sich sogar die
Filmterminologie. Er ist einfach an allem dran. Ich werde sicher sehr
traurig sein, wenn ich das Team verlasse", so Moretti. Der beliebte
Tiroler Schauspieler hat im Allgäu nur zwei Drehtage, denn nachdem er
die Schwabenkinder über die Alpen nach Oberschwaben geführt und dort
am Kindermarkt verkauft hat, ist die Arbeit des Kooperators getan.
Dass Tobias Moretti diese Rolle überhaupt angenommen hatte, war keine
Selbstverständlichkeit: "Ich liebe es, mich immer in andere, neue
Welten zu stürzen, andere Rollen zu übernehmen. Deshalb hatte ich die
Rolle des Kooperators zuerst abgelehnt. Sie war mir, nach dem Andreas
Hofer in Xaver Schwarzenbergers Film über den Freiheitskämpfer, zu
nah an meiner Tiroler Mentalität. Was mich dann doch überzeugte, war
die Zusammenarbeit mit Jo Baier. Ich wollte schon immer mit ihm
arbeiten, weil ich ihn für einen der besten deutschen Regisseure
halte. Ich schätze seinen Stil."
Zum historischen Hintergrund der "Schwabengängerei"
Die "Schwabengängerei", die seit dem 16. Jahrhundert praktiziert
wurde, fand ihren Höhepunkt Anfang des 20. Jahrhunderts. Die
unbeschreibliche Not vieler kinderreicher Bergbauernfamilien förderte
diese Sklavenzüge. Es bedeutete einen Esser weniger und einen mageren
Lohn. Bis in die dreißiger Jahre gingen bis zu 5.000 Bauernkinder aus
Tirol, Vorarlberg und Graubünden jährlich als billige Saisonarbeiter
in den Dienst nach Oberschwaben, wo ein enormer Arbeitskräftemangel
herrschte. Auf dem Gesindemarkt wurden die meist Sieben- bis
14-Jährigen für Dienste, hauptsächlich in der Landwirtschaft,
angeboten. Für die meisten bedeutete es zumindest für ein paar Monate
eine tägliche warme Mahlzeit. Dafür waren sie der Willkür des
Arbeitgebers hoffnungslos ausgesetzt. Während Kinderarbeit in der
Industrie für Kinder unter zwölf Jahren ab 1878 verboten wurde, blieb
sie in der Landwirtschaft bis 1960 "unbegrenzt erlaubt". Auf Grund
von Schilderungen teilweise noch heute lebender "Schwabenkinder"
konnte die Schwabengängerei sehr authentisch dokumentiert werden.
"Ich habe für diesen Film selbstverständlich viel recherchiert",
erzählt Regisseur Jo Baier. "Ich habe mit Augenzeugen gesprochen,
darunter war einer, der sogar noch bis 1940 ein Schwabengeher war",
erzählt Baier. "Abmarsch für die Schwabenkinder war jedes Jahr der
Josefitag, der 19. März. Die Kinder blieben dann über die Weide- und
Erntezeit, bis Ende Oktober, dann ging es nach Hause zurück."
Dreharbeiten in Osttirol und Allgäu
"Die Schwabenkinder" werden in Osttirol und im Allgäu gedreht:
Osttiroler Drehmotive waren unter anderem Schauplätze in
Innervillgraten, Lienz, St. Jakob in Defereggen, im Schloss Anras,
Obermauern im Virgental und Lochau am Bodensee. Zu den Motiven im
Allgäu zählen Schauplätze in Meersburg am Bodensee und das
Deggenhausertal. Gedreht wird noch bis Anfang Mai 2002.
Zum Inhalt des Films:
Tirol, 1908: Der inzwischen fast dreißigjährige Kaspar kehrt nach
zwanzigjähriger Abwesenheit in seine Tiroler Heimat an das Sterbebett
des Vaters zurück, kommt mit ihm ins Reine und erzählt ihm - und dem
Zuschauer in Rückblenden auf das Jahr 1885 - von seinem Schicksal als
"Schwabenkind". Als Bub wurde er vom Vater an den Bodensee geschickt
und war gezwungen, sich auf dem Kindermarkt in Ravensburg als
Arbeitskraft zu verkaufen. Unter erbärmlichen Bedingungen wurde
Kaspar von seinem "Herrn", dem Bauern Steinhauser, ausgebeutet, bis
er schließlich fliehen konnte - einer neuen Zukunft entgegen.
"Schwabenkinder" ist eine Koproduktion von epo-film Wien und Media
Fonds 1 München mit ORF, BR, SF DRS, SWF, ARTE, und RAI Bozen,
hergestellt mit Unterstützung von ÖFI, FFF Bayern, MFG
Baden-Württemberg, Cine Tirol und MEDIA Plus.
Rückfragehinweis: Rückfragehinweis:
ORF-Pressestelle
Ruza Holzhacker
(01) 87878 - DW 14703
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http://kundendienst.orf.at
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