- 19.11.2001, 12:43:35
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Eisenbahner schlagen Alarm: Keine englischen Zustände für Österreichs Bahnen!
Regierung verzichtet per Gesetz auf Sicherheitskontrollen bei Bahn
Wien (GdE/ÖGB). Zugsunglücke, wie jene bei den britischen Bahnen,
könnten auch in Österreich möglich sein, wenn sich die
Bundesregierung mit einer Änderung des Eisenbahngesetzes durchsetzt,
die übermorgen, Mittwoch, vom Nationalrat beschlossen werden soll:
Mit dieser Gesetzesänderung will nämlich das Verkehrsministerium auf
jede Kontrolle der geltenden Vorschriften bei Eisenbahnunternehmen
verzichten. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE),
Wilhelm Haberzettl, schlägt Alarm: "Damit sind die derzeitigen
Kontrollen der Sicherheitsbestimmungen für Bahnbetreiber nicht mehr
gewährleistet. Ich warne ausdrücklich davor, dass Katastrophen wie in
Großbritannien damit auch bei uns jederzeit möglich sind!"++++
Mit der Änderung des Eisenbahngesetzes soll künftig auf jene
Bestimmung verzichtet werden, die regelt, dass die Behörde "die
Einhaltung der Rechtsvorschriften und der sich aus den Genehmigungen
und aus dem Gesellschaftsvertrag (Satzung) ergebenden
Verpflichtungen" überwacht. Das Verkehrsministerium soll künftig auch
auf "periodische Prüfungen... zur Überwachung der Bauausführung und
ordnungsgemäßen Erhaltung von Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnischen
Einrichtungen und Fahrbetriebsmitteln" durch "technische Organe"
verzichten. Es verzichtet auch auf die Entsendung eines
Staatskommissärs in Eisenbahnunternehmen und kontrolliert auf diese
Weise nur mehr "Eisernbahninfrastrukturunternehmen". Damit wird auf
jede Kontrolle durch unabhängige Prüfer von außen bei den Betreibern
neuer Bahnen in Österreich verzichtet. Das Verkehrsministerium
entzieht sich damit seiner bisher gesetzlich festgeschriebenen
Verantwortung für die Sicherheit des Schienenverkehrs in Österreich.
Darüber hinaus entstünden mit dieser Regelung für die Bahnbetreiber
ungeheure Folgekosten, da sicherheitsrelevante Überprüfungen nicht
mehr durch die Behörde, sondern durch private Gutachter erfolgen
müssten.
Verkehrsministerium handelt fahrlässig
Schon bisher hatte das Verkehrsministerium im Zusammenhang mit der
Liberalisierung des Schienenverkehrs fahrlässig gehandelt: Es gibt,
so Haberzettl, bei der Öffnung des österreichischen Schienennetzes
für Dritte keinerlei Sicherstellung für die strikte Einhaltung der
Richtlinien zur Konzessionsvergabe laut Eisenbahngesetz 1957 (das
jetzt geändert werden soll), insbesondere für die fachliche Eignung
und Ausbildung des Personals. Es mangelt vor allem an einer klaren
Regelung der Verantwortungen und Kompetenzen - was etwa im Zuge eines
Bahnunfalls mit Beteiligung eines neuen Bahnbetreibers zu Problemen
führen wird. Schon bisher waren die nötigen Kontroll- und
Sanktionsmechanismen im Zuge der Bahn-Liberalisierung völlig
ungeklärt.
Die Eisenbahnergewerkschaft hatte bereits aus Anlass des Zugsunglücks
auf der Außerfernbahn in Tirol am 9. November darauf aufmerksam
gemacht, dass das Verkehrsministerium im Zusammenhang mit der
Liberalisierung im Eisenbahnwesen fahrlässig handelt, indem
notwendige Regelungen einfach fehlen. So gibt es (auch laut Hinweisen
der Bundesarbeitskammer) im Schienenbereich keine
"Führerscheinprüfung" für Triebfahrzeugführer, die ihre Ausbildung
nicht bei den ÖBB gemacht haben, keine verbindlichen Normen für
private Schienenfahrzeuge, keine allgemein gültigen Ausbildungs- und
Sicherheitsstandards für Beschäftigte und Betriebsleiter privater
Eisenbahnverkehrsunternehmen und keine genaue Regelung der Pflichten
privater Bahnunternehmer aus dem Ausland.
Persönliche Sicherheit von Reisenden und EisenbahnerInnen gefährdet
Bis heute wurde auf diese Vorwürfe seitens des Verkehrsministeriums
nicht reagiert. Haberzettl: "Jetzt herrscht höchster Handlungsbedarf:
Wenn das Parlament am Mittwoch diese Änderung des Eisenbahngesetzes
beschließt, sind die Reisenden und die Eisenbahnerinnen und
Eisenbahner in ihrer persönlichen Sicherheit höchst gefährdet. Es
werden künftig von der Behörde bei privaten Bahnbetreibern keine
Sicherheitskontrollen mehr durchgeführt. Das ist etwa so, wie wenn im
Autoverkehr die Kontrollen durch Polizei und Gendarmerie abgeschafft
würden."
Mit dieser Gesetzesänderung werde die unkontrollierte Flickschusterei
des Verkehrsministeriums im Zuge der Bahn-Liberalisierung
fortgesetzt, kritisiert Haberzettl. Die Eisenbahnergewerkschaft
verlangt von der Verkehrsministerin endlich Maßnahmen zu setzen, die
allen Entwicklungen der Bahn-Liberalisierung Rechnung trägt, ohne
sicherheitsrelevante Fragen zu vernachlässigen. Dazu wird es auch
notwendig sein, mit allen Betroffenen vernünftige und
zukunftsorientierte Gespräche zu führen, stellt Haberzettl
abschließend fest.
ÖGB, 19. November 2001
Nr. 991
Rückfragehinweis: Eisenbahnergewerkschaft/Presse
Mag. Sylvia Reiss, Tel. (01) 546 41/411
Walter Kratzer, Tel. 0664/61 45 765
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