• 09.11.2001, 08:19:37
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  • OTS0006 OTW0006

Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Österreich: Autoritarismus und Antisemitismus

Innsbruck (OTS) - Seit dem Fall der Berliner Mauer ist in ganz
Europa ein Ansteigen von Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie),
Rassismus, Nationalismus und Ausgrenzungsbereitschaft zu beobachten.
Daher untersuchte Ass.Prof. Dr. Günther Rathner von der Universität
Innsbruck Fremdenfeindlichkeit und deren Ursachen in einer
repräsentativen Stichprobe der österreichischen Bevölkerung. 2000
Österreicherinnen und Österreicher im Alter von 15 bis 75 Jahren
wurden persönlich interviewt. Die verwendeten Fragebögen erfaßten
einerseits Fremdenfeindlichkeit und Ausländerablehnung, andererseits
deren mögliche Ursachen wie Autoritarismus, autoritäre Reaktion,
rigides Verhalten, Rechtsextremismus, Pseudopatriotismus,
Revanchismus und Nationalismus sowie persönliche und wirtschaftliche
Verunsicherung. Gerade in Österreich wurde es für nötig gehalten, die
Rolle des Antisemitismus in der Entstehung von Fremdenfeindlichkeit
zu berücksichtigen.

Diese Studie zeigte, daß ein Viertel der ÖsterreicherInnen
eindeutig nicht fremdenfeindlich ist, ein weiteres Viertel ist
"neutral" und fast die Hälfte zeigen eine hohe (22 %) oder sehr hohe
(26 %) Fremdenfeindlichkeit. Zählt man die "Neutralen" zu den
Nicht-Fremdenfeindlichen, so ergibt sich das Bild einer in der Mitte
gespaltenen Gesellschaft: Die eine Hälfte ist fremdenfreundlich bis
gemäßigt, die andere Hälfte fremdenfeindlich.

Der Kern des Autoritarismus ist autoritäre Unterordnung ("tun was
verlangt wird"), autoritäre Aggression ("nach unten treten") und
Konventionalismus. In dieser Studie wurden erstmals bei
österreichischen Frauen und Männern die California F-Skala (Adorno)
und andere Autoritarismus-Kurzskalen eingesetzt. Zusammengefaßt ist
knapp die Hälfte der ÖsterreicherInnen nicht autoritär, ein knappes
Drittel ist mäßig autoritär und ein Viertel sehr stark autoritär.

In der Rechtsextremismus-Skala (z.B. "Hitlers Fehler war der
Zweite Weltkrieg, ansonsten waren die Nationalsozialisten vernünftige
Leute.") ist die Hälfte der Befragten eindeutig nicht rechtsextrem,
ein knappes Viertel zeigen einen niedrigen Rechtsextremismus.
Allerdings ist fast jeder zehnte Österreicher als rechtsextrem
einzustufen: 6 % geben einen hohen und 3 % einen sehr hohen
Rechtsextremismus an. Dazu kommen noch einer von sechs Österreichern
(17 %), die sich auf dieser Rechtsextremismus-Skala "neutral,
untentschieden" zeigen, damit also zum Rekrutierungspotential des
Rechtsextremismus gehören, da sie sich "neutral" gegenüber massiv
antidemokratischen Einstellungen verhalten. Somit kann jeder vierte
Österreicher als rechtsextrem oder als sehr empfänglich für
rechtsextreme Einstellungen bezeichnet werden.

Beim Antisemitismus wurden auch subtile Formen erfaßt (z.B. "Durch
ihr Verhalten sind die Juden an Verfolgungen nicht ganz
unschuldig."), denn offenkundiger Antisemitismus unterliegt heute
einer gewissen Verfälschung. Dennoch ist das Bild des Antisemitismus
in Österreich über ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust
eindeutig: Fast die Hälfte der 15-75jährigen Österreicher sind nicht
oder nur leicht antisemitisch. Ein Drittel kann als moderat
antisemitisch bezeichnet werden. Jeder fünfte Österreicher ist stark
(14 %) oder sehr stark (6 %) antisemitisch.

Dieses Muster von Fremdenfeindlichkeit, Autoritarismus und
Antisemitismus ist in größeren Städten weniger häufig anzutreffen.
Übersteigerter Nationalstolz, Pseudopatriotismus ("Österreicher sind
besser als die Bewohner anderer Länder.") und Revanchismus ("Südtirol
sollte wieder zu Österreich kommen.") sind mit Fremdenfeindlichkeit
verknüpft.

Die Analyse der Ursachen von Fremdenfeindlichkeit ergab, daß
folgende Faktoren in abnehmender Bedeutung Fremdenfeindlichkeit
voraussagen: Autoritarismus ist die wichtigste Ursache. Es folgen
Antisemitismus, höheres Alter, große persönliche Verunsicherung und
die politische Selbsteinstufung eher rechts bis rechts. Die nächsten
Faktoren sind Pseudopatriotismus, Rechtsextremismus, geringere
Schulbildung und rigides Verhalten. Schließlich ist noch die große
wirtschaftliche Verunsicherung zu erwähnen. Diese eindeutigen
Ergebnisse bieten verschiedene Ansatzpunkte für eine Veränderung der
Situation.

Keine Vorhersagekraft für Fremdenfeindlichkeit haben
Gemeindegröße, bevorzugte politische Partei (ein Detail: SPÖ- und
ÖVP-Nahe zeigen gleiche Werte auf vielen Skalen!), Beruf, Einkommen,
Geschlecht, politische Richtung der Eltern und politische
Informiertheit.

ENGLISH VERSION AVAILABLE UPON REQUEST

Rückfragehinweis:
Ass.Prof. Dr. Günther Rathner
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Anichstraße 35
A-6020 Innsbruck
Tel. +43-664-39 66 700
mailto:guenther.rathner@uibk.ac.at

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