- 13.09.2001, 08:09:14
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DER STANDARD-Interview: "Geheimdienste sollen kooperieren" - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat im Gespräch mit dem Standard eine enge internationale Kooperation der zivilen und militärischen
Geheimdienste - unter österreichischer Beteiligung - vorgeschlagen,
um dem internationalen Terrorismus vorzubeugen. (von Katharina
Krawagna-Pfeifer und Conrad Seidl) - Erscheinungstag 13.09.2001=
Wien (OTS) - "Dieser Angriff galt der zivilisierten Welt und den
demokratischen Institutionen - und ich möchte darauf hinweisen, dass
es da keine Neutralität geben kann. Wir können nicht gegenüber einem
Terroranschlag neutral sein. Da gilt die Solidarität gegenüber den
Opfern." Das sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Mittwochabend
im Gespräch mit dem Standard.
Jetzt gelte es, "das Wir-Gefühl zu stärken" und zu erkennen, dass
es Bedrohungen gibt, "die wir übersehen haben oder wo wir auch
aneinander vorbeigesehen haben. Die Amerikaner rücken zusammen, die
Europäer rücken zusammen, wir Österreicher rücken zusammen." Künftig
müssten in einer viel stärkeren internationalen Zusammenarbeit
"zivile und militärische Informationen vernetzt" werden.
Schüssel: "Man sieht, wie wichtig es ist, dass es eine
funktionierende transatlantische Bindung gibt. Man sieht, wie wichtig
es ist, dass es einen politischen Dialog gibt. Selbst die Amerikaner
sind unglaublich offen und dankbar für die Empathie und das
Mitgefühl, das ihnen aus Europa entgegenschlägt. Es zeigt sich, dass
die einzig verbliebene globale Weltmacht gegen derartige Angriffe
hilflos ist. Jeder braucht die internationale Solidarität."
Auf die Diskussion angesprochen, dass sich die USA zu einem
Militärschlag provoziert fühlen könnten, sagte der Kanzler, er hege
diese Befürchtung nicht. Zunächst würde eine sehr präzise
Faktensammlung betrieben: "Es hat keinen Sinn auf Verdacht zu
handeln. Es gibt die ersten Verdachtshinweise. Aber es ist absolut
unangebracht, das zu einem Clash of Civilizations - oder Clash of
Religions - hochzustilisieren."
Es sei aber nicht nur Amerika bedroht, schon morgen könne ein ganz
anderes Zentrum gefährdet sein: "Es gibt keine sicheren Häfen, keine
Inseln der Seligen."
Überhaupt gehe es jetzt um eine neue Qualität der Bedrohung, mit
der man erst umzugehen lernen müsse: "Jedes Krisenszenario baut in
Wirklichkeit auf den Erfahrungen der letzten Krisenszenarien auf. Mit
diesen jetzt aufgetretenen Möglichkeiten hat niemand gerechnet. Das
ist ein perfekt logistisch geplant gewesen, ein Angriff auf die
Zentren des globalen Wirtschafts- und Finanzsystems und auf das
militärische Zentrum. Das hat schon eine tiefe Symbolik."
Schüssels Ankündigung, die nachrichtendienstliche Tätigkeiten zum
Schutz der Bevölkerung international zu vernetzen, könnte
Datenschützer auf den Plan rufen und Befürchtungen von einem
Überwachungsstaat wachrufen. Der Kanzler nimmt das in Kauf: "Wir
wissen, dass man von der einen oder der anderen Seite oder auch von
beiden Kritik bekommen wird."
Die Antwort würde ganz unterschiedlich ausfallen, je nach dem
Zeitpunkt der Frage: "Einen Tag nach dem kühl kalkulierten
Massenmord, wenn Sie da die Frage aufwerfen, ob das durch eine
konsequenter Überwachung vermieden hätte werden könne, dann fällt die
Antwort anderes aus. Wenn Sie aber losgelöst davon die Frage stellen,
ob wir die schwer erkämpften bürgerlichen Freiheiten schmälern
sollen, dann wird die Antwort anders ausfallen. Es wird jene geben,
die sagen, die Grund- und Freiheitsrechte schätzen wir höher ein und
es wird andere geben, die sagen, die werfen wir über Bord, wenn die
kollektive Sicherheit in Gefahr ist."
Spekulationen, das neutrale Österreich könne als dritter UNO- Sitz
nun Aufgaben und vor allem Konferenzen von New York abziehen, wies
Schüssel zurück: "Das hat nicht mit Neutralität zu tun. Wenn die UNO
den dritten Standort Wien nützen will, dann ist das jederzeit
möglich. Ich will aber ganz bewusst den Eindruck vermeiden, dass wir
in so einer schwierigen Situation einen Akt setzten, der
missverstanden wird. Es scheint so zu sein, dass der Kindergipfel
verschoben wird."
Generell gelte es aber, zu signalisieren, dass alle Institutionen
dem Terror zum Trotz funktionieren: "Es ist gut, wenn die
Institutionen an ihren angestammten Orten weiter arbeiten. Es ist
wichtig, dass wir den Menschen zeigen, wir sind da, wir arbeiten, wir
Amerikaner, wir Europäer wir als Planet, wir arbeiten zusammen."
Rückfragehinweis: Der Standard
Tel.: (01) 531 70/428
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