• 30.07.2001, 09:37:34
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Vor 25 Jahren Einsturz der Wiener Reichsbrücke=

Noch 1976 Notbrücken für Straßenbahn und Autos fertiggestellt - Neue Reichsbrücke wurde im November 1980 eröffnet

Wien, (OTS) Ein ebenso spektakuläres wie unerfreuliches Ereignis
markierte im Jahr 1976 den Monatsbeginn August: Der Einsturz der
Wiener Reichsbrücke am Monatsersten in den frühen Morgenstunden.
Dabei war es noch Glück im Unglück, dass sich an diesem Sonntagmorgen
- es hätte ein schöner heißer Badesonntag werden sollen - knapp vor 5
Uhr früh, als die Brückenkonstruktion absackte, nur vier Fahrzeuge im
Brückenbereich befanden. Leider war ein Menschenleben zu beklagen,
der Fahrer eines Kleinlasters wurde mit dem Fahrzeug unter Wasser
gedrückt und konnte nur noch tot geborgen werden. Ein fahrgastloser
Bus der Wiener Verkehrsbetriebe stürzte zwar ab, der Lenker konnte
sich aber auf das Dach retten. Die beiden anderen Fahrzeuge waren auf
der Fahrbahn hängen geblieben. Um 6,30 Uhr trat dann ein Krisenstab
unter dem Vorsitz von Bürgermeister Leopold Gratz zusammen. Es war
klar, dass möglichst rasch provisorische Donauquerungen hergestellt
werden mussten:

Unter Zuhilfenahme von Brückengeräten des Bundesheeres sollte
ein erstes Provisorium hergestellt werden, über das die Straßenbahn
eingleisig verkehren konnte, für den zweigleisigen Verkehr sollte
ebenfalls eine Pionierbrücke geschlagen werden. Eine dritte
provisorische Brücke sollte dem Individualverkehr dienen. Bereits am
16. Oktober war die Straßenbahnbrücke benützbar, und ab dem 16.
Dezember konnte die Notbrücke für den Autoverkehr befahren werden.
Bis Jänner 1977 wurden dann die Brückenteile aus dem Strom entfernt.

Für die neue Reichsbrücke wurde noch im Dezember 1976 ein
internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. Ende Juni 1977 fiel die
Entscheidung zugunsten des Projekts "Johann Nestroy" der Architekten
Popper und Kotz, das eine zweigeschossige Stahlbetonbrücke vorsah,
mit deren Bau im Jänner 1978 begonnen wurde. Durch diese
Konstruktionsform war es möglich, auch gleich die U-Bahn-Linie "U 1"
über die Donau zu führen, deren Betriebsaufnahme dann am 3. September
1982 erfolgte. Die Verkehrsfreigabe war bereits am 8. November 1980,
die Eröffnung wurde von Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger und
Bürgermeister Mag. Leopold Gratz vorgenommen. Die neue Brücke besteht
aus mehreren Tragwerken: Der Strombrücke über Handelskai, Donau und
Donauinsel (5 Felder mit 528 Metern Länge), der Flutbrücke über die
Neue Donau (3 Felder mit 212 Metern Länge) und der Brücke über die A
22/Donauuferautobahn (2 Felder mit 124 Metern Länge).

Ein kurzer historischer Überblick über die Donauquerungen bzw.
die Brücken in diesem Stromabschnitt: Vor ihrer Regulierung war die
Donau im Bereich der heutigen Stadtgrenzen generell ein stark
verzweigter Fluss, mehrere Holzbrücken - so auch die erste Kaiser
Ferdinand-Nordbahnbrücke (1836) - führten über die einzelnen Arme.
Als Folge der Donauregulierung in den Jahren 1870 bis 1875 kam es zur
Errichtung neuer Brücken, die den 300 Meter breit gewordenen Strom
überqueren sollten. So wurde 1872 bis 1876 die "Kronprinz
Rudolph-Brücke" errichtet, die aus einem durchlaufenden eisernen
Gittertragwerk bestand. Im Jahr 1919 wurde sie in "Reichsbrücke"
umbenannt. Die verhältnismäßig schmale Konstruktion sollte durch ein
Bauwerk ersetzt werden, das dem steigenden Verkehrsaufkommen gerecht
wurde.

Die "neue" Reichsbrücke wies dann zwei Autospuren je Richtung,
zwei Straßenbahngleise und Gehwege auf beiden Seiten auf. Die
Flutbrücke über das damalige Überschwemmungsgebiet blieb erhalten und
wurde entsprechend verbreitert. Den Wettbewerb gewannen die Wiener
Architekten Siegfried Theiß und Hans Jaksch - übrigens auch die
Planer des ersten Wiener Hochhauses (1933) in der Herrengasse 6-8 -,
an der künstlerischen Gestaltung der zur damaligen Zeit drittgrößten
Kettenbrücke Europas wirkte Clemens Holzmeister. Nach fast
vierjähriger Bauzeit wurde sie am 10. Oktober 1937 eröffnet. Eher
traurige Berühmtheit erlangte die Reichsbrücke in den letzten
Kriegstagen im Frühjahr 1945: Sie war die einzige Donaubrücke im
Wiener Raum, die von kleineren Schäden abgesehen, intakt geblieben
war. Auf die zurück weichenden Verbände der Deutschen Wehrmacht
folgten unmittelbar die Truppen der Roten Armee unter Marschall
Tolbuchin. Von 1946 bis 1956 führte die Brücke dann den Namen "Brücke
der Roten Armee". Knapp vor dem Kriegsende war die
Brückenkonstruktion extremen Belastungen durch schweres Kriegsgerät
(Panzer, Geschütze) ausgesetzt gewesen. Die Brückenfachleute
vertreten aber die Meinung, dass kein Kausalzusammenhang zwischen
damals und dem Brückeneinsturz besteht.

So bedauerlich das spätere Unglück auch war, vorhersehbar war es
nicht. Die Expertenkommission, die sich mit den möglichen Ursachen
für den Brückeneinsturz befasste, kam nach den umfangreichen
Untersuchungen, die bereits am 2. August 1976 begonnen hatten und
deren Abschlussbericht am 9. März 1977 der Öffentlichkeit präsentiert
wurde, u.a. zu dem Schluss, dass ohne eine zerstörende Vorgangsweise
das Innere der Pfeiler nicht hätte überprüft werden können. Der
Sprecher der fünfköpfigen Kommission, Universitätsprofessor DI Dr.
Hans Reiffenstuhl (TU Wien) ließ keinen Zweifel offen: Auch eine noch
so eingehende Überprüfung hätte den Einsturz nicht verhindern können.
Das war auch in Hinblick auf die juristischen Schlussfolgerungen
wichtig, weil damit "vis major", also ein unabwendbares Ereignis
vorlag, was etwa für die Frage zivilrechtlicher Haftungen bei der
Schifffahrt von Bedeutung war.

Zu dem Gesamtkomplex Einsturz und Neuerrichtung der Wiener
Reichsbrücke erscheint eine RK-Spezial, die den Zeitablauf
detaillierter darstellen wird, und in der auch Landtagspräsident a.D.
Ing. Fritz Hofmann (damals Stadtrat), der die politische
Verantwortung für das Ereignis übernommen hatte, sowie der amtierende
Wiener Brückenbauchef, OSR DI Walter Hufnagel (MA 29) zu Wort kommen
werden. (Schluss) pz

Rückfragehinweis: PID-Rathauskorrespondenz:

www.wien.at/vtx/vtx-rk-xlink/
Peter Ziwny
Tel.: 4000/81 859
e-mail: ziw@m53.magwien.gv.at

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