• 24.07.2001, 16:44:56
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WirtschaftsBlatt-Kommentar über E-Wirtschaft: Zweimal gestrandet (von Gerald Stefan)

Ausgabe vom 25.7.01

Wien (OTS) - Die österreichische Energiebranche gilt als trockene
Materie. Zu Unrecht, denn sie ist reich an faszinierenden Sagen und
Mythen. Etwa die Stranded Costs: Viele Milliarden Schilling, die
einst in teure Kraftwerke gesteckt wurden und durch den Preisverfall
am liberalisierten Markt nicht mehr zu verdienen sind. Gestrandete
Investitionen, die die Branche in Form eines Aufschlags auf die
Stromrechnung beim Konsumenten eintreiben will. Denn Megaprojekte wie
das Kraftwerk Freudenau wurden nicht zuletzt auf Wunsch der Politiker
aus dem Boden gestampft. Da bekanntlich das Volk der Souverän der
Politiker ist, erschien der Wunsch sogar logisch. Zuletzt glichen die
Stranded Costs aber mehr dem Ungeheuer von Loch Ness: Insgesamt acht
Milliarden Schilling standen seit Jahren in Brüssel zur Entscheidung
darüber an, ob sie denn auch vom Austro-Stromkunden kassiert werden
dürfen. Von Zeit zu Zeit erinnerten sich Branche und Journalisten
gerne des Themas ohne dass die EU-Kommission eine Entscheidung
gefällt hätte. Heute soll es in Brüssel nach langem Warten so weit
sein. Und siehe da mit positivem Ausgang. Wirtschaftsminister Martin
Bartenstein nützt die Gelegenheit für eine Überraschung: Er kündigt
an, die ersehnte Erlaubnis aus Brüssel zur Eintreibung der Milliarden
gar nicht mehr ausnützen zu wollen. Zumindest jene fünf Milliarden,
die auf die Wasserkraft des Verbunds entfallen, seien zu dessen
Überleben wohl nicht mehr notwendig. Denn der unlängst beschlossene
Pakt des Verbunds mit dem deutschen Stromriesen E.ON stärke Ersteren
beträchtlich - wie sehr, lässt der Minister überprüfen. Diese Absicht
hat beim deutschen Riesen zweifellos Begeisterung ausgelöst: E.ON
darf also bezahlen, was Österreichs Politiker sich einst an
Landschaftsgestaltung an der Donau wünschten. Dass etliche Direktoren
dabei sekundierten, tröstet wenig. Vielleicht hilft folgender
Gedanke: Österreichs E-Wirtschaft ist immer für eine Überraschung gut
(Stichwort: Grosse Stromlösung). Und die zuständigen Politiker stehen
der teilverstaatlichten Branche in nichts nach. Wenn jetzt der
zuständige Minister vor hat, die Stranded Costs zum zweiten Mal
stranden zu lassen - ist das nicht folgerichtig? Einfach der Stoff,
aus dem in Österreich Strom-Legenden sind? Eines wäre immerhin neu:
Der Steuerzahler zahlt diesmal nicht. (Schluss) gst

Rückfragehinweis: WirtschaftsBlatt
Redaktion
Tel.: (01) 91919-305

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