- 29.05.2001, 16:24:16
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ABGEORDNETE EINHELLIG GEGEN AKTIVE STERBEHILFE Parlamentarische Enquete über humane Sterbebegleitung fortgesetzt=
Wien (PK) - Mit einer Diskussionsrunde wurde die parlamentarische
Enquete über humane Sterbegleitung in Österreich am Nachmittag
fortgesetzt. In einer ersten Runde gaben dabei Abgeordnete und
Bundesräte kurze Statements ab. Dabei waren sich Vertreter aller vier
Parteien darüber einig, dass das holländische Modell der aktiven
Sterbehilfe kein Weg für Österreich sei. Vielmehr wollen die
Mandatare humane Sterbebegleitung in den Vordergrund gestellt wissen
und plädierten für einen Ausbau der Hospizbetreuung und der
Palliativmedizin.
Eingeleitet wurde die Diskussion von Abgeordnetem Günter KIERMAIER
(S). Er trete sehr für den Hospizgedanken ein, sagte er, ein
besonderes Anliegen sei ihm aber die Pflege zu Hause. Seiner Ansicht
nach haben Kinder die moralische Verantwortung, für ihre Eltern in
den Sterbestunden da zu sein. Es müsse möglich sein, die
Sterbebegleitung der Eltern zu Hause durchzuführen.
Abgeordnete Mag. Beate HARTINGER (F), die selbst ein Palliativprojekt
initiiert hat, sieht es als Aufgabe der Politik, Qualitätsstandards
für die Pflege alter Menschen vorzugeben, um diese auch zu
kontrollieren. In privaten Pflegeheimen gebe es oft eine Betreuung,
die nicht im Sinne der Betroffenen sei, bemängelte sie. Daher sei
Qualitätskontrolle dringend erforderlich. Gefordert ist Hartinger
zufolge aber auch die Sozialversicherung, die zwar medizinische
Hauskrankenpflege finanziere, aber für Hospiz- und Palliativmedizin
keine Mittel zur Verfügung stelle.
Abgeordneter Dr. Erwin RASINGER (V) erklärte, der Sukkus aus den
Referaten sei für ihn, dass die Ärzte den Tod nicht mehr als
Niederlage sehen dürften. In Bezug auf die Ablehnung der Sterbehilfe
ortet er Einigkeit zwischen allen Fraktionen. "Wir alle im Parlament
wollen diesen Dammbruch vermeiden." In Holland hingegen werde aktive
Sterbehilfe zum täglichen Repertoire werden, glaubt Rasinger,
Dunkelziffern eingerechnet, könnten bis zu 10 Prozent der Todesfälle
darunter fallen. Dann könne man aber nicht mehr von Gnade reden, "das
ist schon Horror".
Abgeordneter Dr. Kurt GRÜNEWALD (G) meinte, die Aussage des Wiener
Caritas-Direktors Michael Landau, man sollte von der Begleitung von
Lebenden sprechen, habe ihm sehr gut gefallen. Von der Politik
forderte er insbesondere auch finanzielle Unterstützung ein. Es wäre
unfair, sagte Grünewald, wenn sich nur Besserverdienende einen
angenehmen Tod leisten könnten.
Zur Betreuung von Sterbenden merkte der Gesundheitssprecher der
Grünen an, stationäre Hospize könnten nur eine Säule sein. Ebenso
notwendig sei es, die Palliativmedizin in den Krankenhäusern
auszubauen. Sterben dürfe aus den Krankenhäusern nicht verschwinden.
Als unverantwortbar würde er es erachten, Langzeitarbeitslose ohne
Ausbildung in Altenpflegeheimen einzusetzen.
Abgeordnete Mag. Brunhilde PLANK (S) warf mehrere Fragen in Bezug auf
Sterbehilfe auf und stellte etwa zur Diskussion, inwieweit ein
todkranker Mensch überhaupt frei und autonom entscheiden könne. Von
den Experten wollte sie wissen, wie viele Menschen in Österreich
überhaupt für Sterbehilfe in Betracht kämen, nachdem viele Betroffene
sicher nicht mehr in der Lage seien, eine solche Entscheidung zu
treffen.
Abgeordnete Evelyn FREIGASSNER (F) konstatierte, sie halte nichts
davon, Kinder zu verpflichten, ihre Eltern zu pflegen. Sie sollten
zwar in die Pflege eingebunden werden, man könne aber niemanden dazu
zwingen, diese schwere Aufgabe wahrzunehmen. Nicht jeder sei dazu in
der Lage.
Abgeordnete Edeltraud GATTERER (V) hielt fest, Holland verstoße durch
die Zulassung von aktiver Sterbehilfe gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention. Sie begrüßte es daher, dass aktive
Sterbehilfe von den Abgeordneten abgelehnt werde. Die in einer
Umfrage ermittelte 52-prozentige Zustimmung der Österreicher zur
aktiven Sterbehilfe führt Gatterer auf ein Missverständnis zurück,
sie glaubt, dass die Befragten unter Sterbehilfe eine schmerzfreie
Sterbebegleitung verstanden haben.
Ein Hauptproblem im Umgang mit den Sterbenden ist Gatterer zufolge,
dass das Thema Tod in Österreich tabu sei und verdrängt werde. Daher
ist es ihrer Auffassung nach nicht nur notwendig, die Palliativ- und
Hospizbetreuung zu verbessern, sondern auch das Thema aus dem Tabu zu
holen und zu überlegen, wie heute eine "Kultur des Sterbens"
ausschauen könnte.
Abgeordnete Theresia HAIDLMAYR (G) führte aus, jeder der nach den
Referaten noch immer für aktive Sterbehilfe sei, solle nach Holland
gehen und sich die Praxis anschauen. Sie wünscht sich, dass in
Österreich niemals ein ähnliches Gesetz Realität wird. In Bezug auf
die Schmerztherapie merkte Haidlmayr an, bedauerlicherweise sei die
Minderung von Schmerzen durch Cannabis-Produkte noch immer ein großes
Tabu. Hier bestehe Handlungsbedarf.
Abgeordneter Manfred LACKNER (S) vermutet, dass oft Ignoranz bzw.
mangelnde Kenntnis der Hospizbewegung und der Palliativmedizin Anlass
für die Forderung nach aktiver Sterbehilfe ist. Seiner Ansicht nach
ist der Hospizidee und der Palliativmedizin unbedingt Vorrang
einzuräumen. Lackner sieht aber die Notwendigkeit einer
entsprechenden Ausbildung für Palliativmediziner und für das
Pflegepersonal.
Abgeordneter Dr. Alois PUMBERGER (F) zeigte sich über die große
Einhelligkeit der Abgeordneten bezüglich der Ablehnung von aktiver
Sterbehilfe erfreut und äußerte sich in diesem Sinn zuversichtlich,
dass auch in Zukunft in Österreich kein "holländischer Weg"
beschritten werde. Die Ergebnisse der "profil"-Umfrage, bei der sich
52 % der Österreicher für aktive Sterbehilfe ausgesprochen haben,
führt er auf eine suggestive Fragestellung zurück. Die Österreicher
würden Sterbehilfe zu einem großen Teil ablehnen, glaubt er.
Pumberger brachte darüber hinaus Datenerhebungen zur Sprache, wonach
lediglich ein Drittel der Menschen zu Hause sterbe, aber 81 % zu
Hause sterben wollten. Daraus zieht er den Schluss, dass es notwendig
ist, mobile Hospizangebote auszubauen. Hausärzte dürften als
Drehscheibe nicht allein im Regen stehen gelassen werden. Pumberger
gab aber zu bedenken, dass damit Mehrkosten verbunden seien.
Bundesrat Hannes MISSETHON (V) erklärte, er kenne niemanden, der im
Bereich der Sterbebegleitung tätig sei und aktive Sterbehilfe
befürworte. Statt für aktive Sterbehilfe einzutreten, sollte man den
Menschen besser Mut für eine solche Sterbebegleitung machen, sagte
er. Wenn es stimme, dass 81 % der Sterbenden zu Hause sterben
wollten, ist es seiner Meinung nach außerdem notwendig, die
Rahmenbedingungen für eine häusliche Betreuung zu verbessern und etwa
flächendeckende Betreuungsstrukturen durch mobile Dienste zu
schaffen.
Abgeordneter Dr. Erwin NIEDERWIESER (S) wies darauf hin, dass keiner
der Referenten auf die Frage eingegangen sei, wie man mit jenen
Menschen umgehen solle, die den festen Willen hätten, sterben zu
wollen. Er selbst sieht die Notwendigkeit, die Palliativmedizin
auszubauen und auch vermehrt in Forschung zu investieren. Auch sei es
nicht nur erforderlich, Ärzte in diesem Bereich aus- und
weiterzubilden, man dürfe auch jene, die im Bereich der Krankenpflege
tätig seien, nicht vergessen.
Der Wertewandel, der grenzenlose Egoismus und der Jugendwahn haben
zur Folge, dass niemand mehr daran denkt, ältere Angehörige zu
betreuen und Sterbende zu begleiten, gab Abgeordnete Ilse BURKET (F)
zu bedenken. Sie war der Auffassung, dass ein Umdenken notwendig sei
und alte und kranke Menschen wieder in die Familiennetzwerke
reintegriert werden müssen.
Es sei für ihn klar, meinte Abgeordneter Mag. Walter POSCH (S), dass
die Rahmenbedingungen (z.B. Palliativmedizin, Hospizangebote etc.)
verbessert werden müssen. Andererseits stelle aber die autonome
Entscheidung über den eigenen Tod einen integralen Bestandteil der
menschlichen Würde dar, betonte er.
Abgeordnete Jutta WOCHESLÄNDER (F): Ein eindeutiges Nein zur aktiven
Sterbehilfe, aber ein Ja zur Sterbegleitung, zur Palliativmedizin und
zur Hospizbewegung. Allerdings gebe es noch Handlungsbedarf im
Bereich der Palliativmedizin, vor allem im ländlichen Raum, meinte
sie. Auch bei der Erziehung müsste ihrer Meinung nach angesetzt
werden. Man müsse das Sterben zulassen und zudem vermitteln, dass der
Tod zum Leben gehöre, unterstrich Wochesländer.
Stadtrat DI Helmut STROBL (Präsident des Steirischen Hospizverbandes)
unterschied zwischen aktiver Sterbehilfe, einer menschenwürdigen
Gestaltung des letzten Lebensabschnittes sowie dem "Normalfall",
nämlich dem Kampf um das Leben bis zum Schluss. Sodann berichtete er
von seinen Erfahrungen in der Steiermark, wo 1.400 Personen in diesem
Bereich ausgebildet wurden und im vorigen Jahr fast 1.000 Patienten
betreut haben. Es habe sich dabei herausgestellt, dass all jene
Personen, die palliativmedizinisch oder im Rahmen einer
Sterbegleitung betreut worden sind, nicht nach Sterbehilfe verlangen.
Solange es jedoch noch keine Standards gibt, sollten wir Politiker
aber nicht die Moralkeule schwingen, forderte er.
Dr. Gerhard AIGNER (Gesundheitsministerium) wies darauf hin, dass die
Patientenverfügung im Krankenanstaltenrecht seit 1993 verankert ist.
Außerdem wurde die Palliativmedizin erstmalig im ÖKAP
niedergeschrieben.
Dr. Gerald BACHINGER sprach sich im Namen der Patientenanwälte gegen
eine Änderung der aktuellen Gesetzeslage aus. Der Wunsch nach einer
aktiven Sterbehilfe entstehe seiner Auffassung nach deshalb, weil
Defizite im Gesundheitswesen vorhanden sind. In Niederösterreich gebe
es bereits interessante Pilotprojekte, wo Formen der
Palliativbetreuung ausgetestet werden, deren Finanzierung aber leider
nicht gesichert sei.
Auch Johann BAUMGARTNER (Projektkoordinator des KAGES-Projektes in
der Steiermark) stellte mit Bedauern fest, dass die Finanzierung der
größte Hemmschuh sei. Er forderte die Etablierung von
Modelleinrichtungen und darauf folgend die schrittweise Umsetzung,
damit das "Pflänzchen Palliativbetreuung" weiterwachse.
Im Laufe seiner 20-jährigen Berufstätigkeit sei er erst drei Mal mit
dem Wunsch nach einer aktiven Sterbehilfe konfrontiert worden,
berichtete Prof. Hellmut SAMONIG (Dekanat Graz, Onkologe). Die
Situation sehe nämlich oft ganz anders aus, wenn man mit den
Betroffenen selbst spreche. Man solle sich zudem vor plakativen
Äußerungen hüten, warnte er, da eine völlige Schmerzfreiheit in allen
Fällen nicht erreicht werden könne.
Dr. Werner WALDHÄUSL sah im Verlust der Akzeptanz für das Sterben und
den Tod die Auslöser für die aktuelle Diskussion, denn "die
Bevölkerung fürchtet sich vor dem Tod zu Tode". Eines der großen
Probleme liege auch darin begründet, dass die Pflegekompetenz in den
Familien verloren gegangen ist. Zudem wurden die praktischen Ärzte in
ein System gedrängt, in dem sie nur mehr einige Minuten Zeit für
jeden Patienten haben. Daher sei es erforderlich, die entsprechenden
sozialen Strukturen zu schaffen, um eine gute Betreuung zu
ermöglichen.
Er betreue Personen nach Suizidversuchen sowie Kinder und Jugendliche
im Koma, erläuterte Dr. Ernst BERGER. Es schaudere ihn daher, dass in
den Niederlanden eine aktive Tötung von Kindern und Jugendlichen ab
dem 12. bzw. ab dem 16. Lebensjahr möglich sein soll. Den Wunsch nach
einer aktiven Sterbehilfe sehe er als Kritik an der Akutmedizin, die
sich in Richtung einer Beziehungsmedizin umorientieren müsse.
Univ.-Prof. Dr. Peter KAMPITS sieht keinen Gegensatz zwischen
Hospizwesen und Palliativmedizin, sondern "ein Sowohl als Als auch".
Er lehnte die Übernahme des niederländischen Modells ab und trat für
eine liberalere Handhabung des Strafausmaßes ein.
Sepp WILLE (Österreichischer Seniorenrat) machte darauf aufmerksam,
dass laut drei Umfragen 70 % der Österreicher für eine rechtliche
Regelung der Sterbehilfe eintreten, verstand nicht, dass sich die
Politiker darauf geeinigt haben, einen anderen Weg zu gehen, und
zitierte abschließend den Theologen Hans Küng: Weder Staat noch
Kirche, weder Priester noch Politiker haben das Recht, dem Menschen
vorzugeben, wann und wie er zu sterben hat.
Dr. Heinz TROMPISCH von der Lebenshilfe Österreich strich in seinen
Ausführungen heraus, dass auch geistig behinderte Menschen wie alle
anderen ein Recht auf Sterben in Würde haben, zumal dort, wo
Euthanasie durchgeführt wird, in den letzten zehn Jahren weit mehr
als 1.000 Menschen mit geistiger Behinderung umgebracht wurden.
Abgeordnete Dr. FEKTER (V) berichtete, dass im Justizausschuss des
Nationalrates gegenwärtig kein Antrag vorliege, das Strafrecht zu
lockern, wobei ein solcher wohl auch keine Mehrheit finden würde und
schon gar nicht auf die Zustimmung ihrer Fraktion stieße, denn das
Tötungsverbot müsse bleiben, unterstrich Fekter. (Schluss)
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