• 26.04.2001, 17:50:40
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DER STANDARD-Bericht: "Schreiben statt Computerspielen: Am Mittwoch ging der "Rimbaud-Preis" für junge Literaten an Christian Filips" - Erscheinungstag 27.4.2001 - (von Richard Reichensperger)

Wien (OTS) - Die Verleihung des Rimbaud-Preises 2001 am Mittwoch
im RadioKulturhaus stellte dem Beobachter auch die Frage nach der
Sprache zwischen Generationen, die schnell etwas gönnerhaft wird: "Es
geht nicht um die angejahrten Autoren. Wo sind die schreibenden
Erstsemester?", fragte eröffnend Konrad Zobel, Literaturchef von Ö 1.

Die Texte der Preisträger waren besser. Aus 270 Einsendungen
hatte eine fünfköpfige Jury vier Preisträger/innen in vier Kategorien
gewählt. Der Hauptpreisträger dieses Jahres heißt Christian Filips,
und es scheint eine sehr gute Wahl zu sein.

Das erkennt man schon an seiner souveränen Antwort auf die Frage
des Moderators Martin Loew-Cadonna, wo die Halbgasse 8 aus seinem
Gedicht denn liege. Darauf Filips: "Die gibt es, aber es hat
keinerlei Bedeutung." Damit signalisiert er sofort: Seine komplexe,
wendeltreppenartig sich durch Bildungs-Spiegelkabinette bewegende
Lyrik ist nicht realistisch abbildend, sondern schafft einen eigenen
und eigenständigen Sprach- Raum. Beckett und Celan nennt der
Germanistikstudent als Leitbilder.

Erstaunlich auch: Obwohl bei dem vom Hauptsponsor Amadeus
zusammen mit dem ORF, dem Standard und Hewlett-Packard veranstalteten
Rimbaud-Preis so stark "Jugend" betont wird, setzen die besten Texte
ganz andere Maßstäbe: Sie wirken in ihrer Reife von viel Älteren
geschrieben. Sind es aber nicht.

Und so schön wie jugendlich-aufmüpfig auch, dass der Preisträger
des Sonderpreises "für sprachlichen Wagemut", David Bydlinski, gleich
gegen eine ORF-Inszenierung des Abends protestiert: Auf eine Leinwand
waren Gedichtzeilen projiziert, "aber verstümmelt, und ich habe nie
ein Gedicht mit dem Titel Cyberschamane geschrieben!" Und auf die -
gerade im Zusammenhang mit Rimbaud, der in und aus seinem Leben
mehrfach durchbrannte - etwas sanfte Frage des Moderators: "Was
machst du in deinem Leben?" die Antwort: "Ich strebe nach Freiheit
vom Leid." Und warum er schreibe? - "Das kann mir in meiner Dekadenz
passieren, ein Luxus, wenn ich gerade nicht Computerspiele will. Aber
ich glaub', ich werde es dann bald wieder lassen und lieber kleine
Bildchen machen."

Viel Wagemut, auch in Bydlinskis lyrischen Kombinationen. Weitere
Preisträger: Paul Ferstl für die Gesellschaftskritik seines Textes
Myrmidonen und Cosima Hotzy für ihren Roman Highfische: "Ich begann
damit vor zwei Jahren", sagte die Cosima aus Klagenfurt in ihren
hellblauen Jeans, "eigentlich nur für meine beste Freundin. Es sind
junge Leute, die aneinander vorbeischwimmen."

Und dann gab es noch den Publikumspreis, der nach der ersten
Hälfte des Abends durch Stimmzettel vergeben werden konnte. Diese
Wahl war aber nicht einfach, denn die fünfzehn vorgestellten Texte
waren unglaublich divergent. Das schafft ein Problem, wie es Bertolt
Brecht einst als Juror eines Lyrikwettbewerbes formulierte:

Extreme Vielfalt macht, ohne formale Fassbarkeit, jede
Beurteilung eigentlich unmöglich. Ausgewählt wurde Lukas Kapeller für
seine Prosa Ein Freund. Aber letztlich kam es, wie Jurymitglied Sandy
Lang etwa zu Recht bemerkte, auch weniger darauf an, wer Preise
bekommt. Sondern darauf, Kommunikation zu schaffen. Dafür waren auch
die Voraufführungen in der Volkstheater-Spielbar und die Chats im
Internet - u.a. mit Peter Turrini - ein gutes Podium.

Rückfragehinweis: Der Standard
Tel.: (01) 531 70/428

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