von Michael Völker (Erscheinungstag: 24.3.2001)
Wien (OTS) - Dem für den Spitzelskandal zuständigen
Untersuchungsrichter Stefan Erdei wurden von der Staatsanwaltschaft
nicht nur große Teile des Aktenkonvoluts, darunter zehn
Einvernahmeprotokolle des Belastungszeugen Josef Kleindienst,
vorenthalten, er bekam auch den Schlussbericht der Wirtschaftspolizei
nicht zu Gesicht. Dieser war bereits Ende Februar von der
Sonderkommission an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Der offensichtliche Grund: Die Staatsanwaltschaft ist mit dem
Schlussbericht, in dem alle Erhebungsergebnisse zusammengefasst sind,
nicht einverstanden. Und orderte per schriftlicher Weisung bei den
verblüfften Beamten eine Neufassung. In dieser haben Kärntens
Landeshauptmann Jörg Haider und der niederösterreichische Landesrat
Ewald Stadler nicht mehr vorzukommen. Begründung der
Staatsanwaltschaft: Das Verfahren gegen die beiden Politiker ist
eingestellt, Erhebungsergebnisse daher auch nicht mehr relevant. Der
Grün-Abgeordnete Peter Pilz hingegen vermutet eine "politische
Säuberungsaktion".
In einem vorläufigen Bericht der Wirtschaftspolizei vom Dezember
vergangenen Jahres hatte es noch wörtlich geheißen: "Der Kärntner
Landeshauptmann Dr. Jörg Haider dürfte in das System der
Informationsbeschaffung eingeweiht gewesen sein." Haider wurden in
diesem Bericht insgesamt vier Fakten zugeordnet.
Für Haider selbst "ist die Geschichte erledigt. Ein künstlicher
Skandal kann nicht wieder belebt werden", sagte er am Freitag.
Tatsächlich sieht auch der Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Erich
Wetzer, keinen Anlass für weitere Ermittlungen gegen Haider. Daran
ändere auch das jüngste Gutachten des Kriminologen Christian Grafl
nichts, der festgestellt hat, dass der handschriftliche Vermerk auf
der Rückseite des mutmaßlichen Briefes von Haiders Leibwächter Horst
Binder "wahrscheinlich" von diesem stamme. In einem ersten Gutachten
war der 83-jährige Graphologe Walter Muckenschnabl zu dem Schluss
gekommen, dass Binders Unterschrift unter den Brief gefälscht sei.
Das Verfahren gegen Haider, an den dieser Brief samt vertraulicher
Daten aus dem Polizeicomputer EKIS gerichtet war, wurde daraufhin
eingestellt.
Untersuchungsrichter Stefan Erdei, der die massive Behinderung
seiner Arbeit in einem Aktenvermerk festgehalten hat, wird von
Justizminister Dieter Böhmdorfer mittlerweile indirekt mit Versetzung
gedroht. Eine solche sei "grundsätzlich ein normales Schicksal".
Personal müsse dort eingesetzt werden, wo Lücken entstehen.
Rückfragehinweis: Der Standard
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