• 17.01.2001, 16:33:44
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  • OTS0284

"Psychotherapie auf Krankenschein" in Wien

Wien (OTS) - Aufgrund der teilweise irreführenden Pressemeldungen
zur "Psychotherapie auf Krankenschein" in Wien finden Sie nachfolgend
unsere Information für PatientInnen und KlientInnen, der Sie die
Details der Wiener Lösung und den kritischen Standpunkt des ÖBVP
entnehmen können.

"PSYCHOTHERAPIE AUF KRANKENSCHEIN" IN WIEN
INFORMATION FÜR PATIENTINNEN UND KLIENTINNEN

Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie haben wahrscheinlich aus den Medien erfahren, dass nun in Wien
tatsächlich die gesetzlich vorgesehene und seit vielen Jahren
angekündigte, sogenannte "Psychotherapie auf Krankenschein"
eingeführt wird. Das bedeutet angeblich, dass die Behandlung ohne
private Zuzahlung Ihrerseits eingeführt sein soll. Leider muss unser
Verband Ihnen mitteilen, dass diese Medienberichte der letzten Tage
irreführend sind.

Die gesetzlich vorgesehene "Psychotherapie auf Krankenschein" wäre
so zu regeln gewesen, wie Sie das auch von Ihren Arztbesuchen kennen.
Dort können Sie bekanntlich wählen:

Entweder Sie gehen zu einem Kassenarzt und werden gegen Abgabe
eines Krankenscheins behandelt.

Oder Sie gehen zu einem Wahlarzt, der keinen Kassenvertrag hat.
Dann bezahlen Sie diesem ein Honorar, reichen diese Honorarnote bei
Ihrer Krankenkasse ein und erhalten von der Krankenkasse 80 Prozent
des Kassenarzttarifs zurückerstattet (das ist die sogenannte
Kostenerstattung für Wahlarzthilfe).

Beachten Sie bitte, dass das jetzt in Wien von der Wiener
Gebietskrankenkasse (WGKK) in Zusammenarbeit mit zwei Vereinen
eingeführte Modell dem NICHT entspricht! Die wesentlichen
Unterschiede sind:

- PatientInnen, die bei einer Psychotherapeutin / einem
Psychotherapeuten ohne Vertrag mit einem der beiden Vereine in
Behandlung sind, sollen nach diesem Modell auch weiterhin NICHT die
Kostenerstattung für Wahlarzthilfe erhalten (das wären 80 % der 650
Schilling, die die VereinstherapeutInnen für eine Therapiestunde
erhalten, also 520 Schilling) - die WGKK will ihnen weiterhin nur wie
bisher den Kostenzuschuss in Höhe von 300 Schilling bezahlen.

- Auch PatientInnen, die bei einer Psychotherapeutin / einem
Psychotherapeuten mit Vertrag bei einem dieser Vereine in Behandlung
sind, werden NICHT generell gegen Krankenschein ohne private
Zuzahlung behandelt!

- Diese PsychotherapeutInnen dürfen nämlich nur einige wenige
PatientInnen nach diesem Modell mit der WGKK auf Krankenschein
abrechnen. Die in den Vereinsverträgen der WGKK vorgesehene Kapazität
reicht insgesamt nur für ca. 5000 PsychotherapiepatientInnen - und
das bei einer vom Gesetzgeber und aufgrund wissenschaftlicher Studien
auf 30.000 bis 80.000 geschätzten Zahl der Psychotherapiebedürftigen
in Wien! Je nach Vereinbarung kann dementsprechend auch bei
VereinspsychotherapeutInnen nur eine sehr geringe Zahl an
Therapieplätzen auf Krankenschein verfügbar sein. Kann Ihnen ein
solcher Platz nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, weil das
Kontingent bereits ausgeschöpft ist, wird Ihnen die WGKK auch für
Psychotherapie bei sogenannten "VereinstherapeutInnen" weiterhin nur
den Kostenzuschuss in Höhe von 300 Schilling pro Stunde bezahlen.

- Das bedeutet: Für den Großteil der Psychotherapiebedürftigen in
Wien gibt es also auch weiterhin KEINE "Psychotherapie auf
Krankenschein"!

- PatientInnen, die Psychotherapie im Rahmen dieses Vereinsmodells
auf Krankenschein in Anspruch nehmen wollen und auch tatsächlich
einen der wenigen Plätze erhalten, sind verschiedenen zusätzlichen
Regelungen unterworfen, über die Sie Ihre Psychotherapeutin / Ihr
Psychotherapeut gerne aufklären wird. So sind z.B. verschiedene
zusätzliche Kontrolluntersuchungen, Testungen etc. zwingend
vorgesehen und ist die Psychotherapiedauer im Regelfall in sehr engen
Grenzen limitiert. Diese Begrenzungen (z.B. 30 Stunden maximale
Regeltherapiedauer bei schweren psychotischen Störungen, 70 Stunden
maximale Regeltherapiedauer bei anderen Störungen) sind nach
Auffassung von Fachleuten willkürlich und aus fachlicher Sicht
unhaltbar. Trotzdem müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen nach
Erreichen der genannten Stundenzahlen seitens der WGKK die
Fortführung Ihrer Therapie auf Krankenschein erschwert oder
verweigert werden wird.

Nach den irreführenden Medienberichten sind Sie nun vielleicht
enttäuscht über die tatsächliche Situation, wie wir Sie Ihnen hier
aufzeigen, und werden Sie diese womöglich als ungerecht empfinden.
Tatsächlich wird damit ein Großteil der krankenversicherten
Psychotherapiebedürftigen schwer gegenüber der relativ kleinen Zahl
benachteiligt, für die nun diese wenigen Psychotherapieplätze auf
Krankenschein bereitgestellt werden.

Nach Auffassung namhafter Rechtsexperten ist diese Regelung auch
KLAR RECHTSWIDRIG, da damit das gesetzlich vorgesehene
Versorgungsmodell umgangen wird, das Sie aus dem ärztlichen Bereich
kennen (siehe oben). Vereinsverträge der vorliegenden Art sind vom
Gesetz nicht gedeckt. Sie dienen vor allem dem Zweck, dem Großteil
der Psychotherapiebedürftigen in Wien die Kostenerstattung für die
WahltherapeutInnenhilfe (520 Schilling statt des derzeitigen
Zuschusses von 300 Schilling) vorzuenthalten, die ihnen bei einer dem
Gesetz entsprechenden Regelung (Gesamtvertrag mit der Berufsgruppe
der PsychotherapeutInnen) zustünde.

Wir bedauern sehr, dass Sie durch diese Vorgangsweise der WGKK nun
unter Umständen vor zusätzliche Fragen und Probleme gestellt werden.
Sollten Sie einen Therapeutenwechsel überlegen, weil Ihre derzeitige
Psychotherapeutin / Ihr derzeitiger Psychotherapeut keinen
Vereinsvertrag hat oder trotz eines Vereinsvertrages Ihnen keinen
Therapieplatz auf Krankenschein anbieten kann, bedenken Sie diesen
Schritt bitte sehr sorgfältig: Für den Erfolg Ihrer Therapie ist das
persönliche Vertrauensverhältnis und eine heilungsförderliche
Beziehung zu Ihrer Therapeutin / Ihrem Therapeuten von größter
Bedeutung.

Bedenken Sie bitte: Der Abbruch einer Therapie und der Wechsel von
einer Therapeutin / einem Therapeuten zu einer/einem anderen aus rein
finanziellen Überlegungen werden daher in der Regel nicht ratsam sein
und sollten jedenfalls nie vorschnell und unüberlegt erfolgen.

Beachten Sie bitte auch, dass es nichts mit der Qualifikation
Ihrer Psychotherapeutin / Ihres Psychotherapeuten zu tun hat, ob
diese/r über einen "Vereinsvertrag" verfügt. Einen solchen
Unterschied gibt es hier ebenso wenig wie zwischen ÄrztInnen mit und
ohne Kassenvertrag.

- Wenn Sie gegen die Vorgangsweise der WGKK Ihren Protest einlegen
wollen, wenden Sie sich bitte an den Obmann der Wiener
Gebietskrankenkasse, Herrn Franz Bittner, Wienerbergstraße 15-19,
1101 Wien, und senden Sie eine Kopie Ihres Schreibens zur Information
an den

Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP),
Rosenbursenstraße 8/3/7, 1010 Wien,
Fax: 01/51270914.

- Die rechtswidrige Regelung in Wien wird von
Psychotherapeutenseite auch gerichtlich angefochten werden. Wenn Sie
sich über Ihre Möglichkeiten informieren wollen, wie Sie auch als
versicherte PatientIn Ihre Rechtsansprüche geltend machen können,
wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Arbeiterkammer oder
Gewerkschaft oder an die "Plattform Rechtshilfe Psychotherapie",
Postfach 556, 1071 Wien (Fax: 01/585 65 94).

Die Anschriften der beiden Vereine, die diese Verträge mit der
WGKK abgeschlossen haben, sind:

Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung,
Rosenbursenstraße 8/3/8, 1010 Wien

Verein für ambulante Psychotherapie, Garnisongasse 1/22a,
1090 Wien.

Rückfragehinweis: Österr. Bundesverband für
Psychotherapie
Präsidium des ÖBVP
Dr. Eva Mückstein
Vizepräsidentin
Tel.: 0676/600 46 76

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