• 16.10.2000, 17:42:46
  • /
  • OTS0223

Was man beim Wählen bekommt (Katharina Krawagna-Pfeifer)

Der Machtkampf in der FPÖ entscheidet über das Schicksal Wolfgang Schüssels

Wien (OTS) - An Wahltagen werden die Ouvertüren zur Politik
geschrieben. Wie das Leitmotiv der Oper lautet, ist oft erst mit
einem gewissen zeitlichen Abstand von der Aufgeregtheit des
Wahlabends und der unmittelbaren Interpretation der Ergebnisse
erkennbar. Bestens formulierte dies der amtierende Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel vor der Nationalratswahl am 3. Oktober, als er auf
die Frage nach künftigen Regierungskonstellationen meinte: "Der
Wähler bekommt nicht was er will, sondern was er wählt."

Schüssels Wort gilt nicht nur für Wählerin und Wähler, sondern der
Satz lässt sich im Umkehrschluss auch auf Parteien anwenden. In
welchem Ausmaß, zeigt die Landtagswahl in der Steiermark. Da fährt
die ÖVP mit Landesmutter Waltraud Klasnic an der Spitze einen
triumphalen Wahlsieg ein. Wie es sich gehört, reist der Bundeskanzler
und ÖVP-Chef am Wahlabend angetan mit grünem Janker extra in die
steirische Landeshauptstadt, um der siegreichen Landeshauptfrau und
Parteikollegin zu gratulieren.

Doch dann versagt die Regie. Die eigenen Leute sind alles andere
als angetan vom Erscheinen Schüssels und zischen ihm vor laufender
Kamera "Abstauber" zu. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man
sich in der Welt des Sports zuraunen kann, noch dazu wenn man selbst
nicht die Tore schießt. Gemeint ist ein fundamentaler Verstoß gegen
den Teamgeist, der nur schwer vergeben wird.

Wenn nicht in diesem Augenblick, so müssen Schüssel zumindest die
Geschehnisse in den folgenden Stunden zu denken geben. Die FPÖ ist
durch die schwer Wahlniederlage sichtlich nervös geworden und hat den
Druck auf den Koalitionspartner enorm verstärkt. Schon während der
TV-Sendung Betrifft war eine deutliche Spannung zwischen den
"Koalitionszwillingen" Peter Westenthaler und Andreas Khol spürbar.

Der FPÖ-Mann Westenthaler verstärkte wenige Stunden später bei
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Khol den Druck und griff offen
Klasnic an, der er vorwarf, sich im Wahlkampf von der gemeinsam
formulierten Belastungspolitik der Regierung distanziert zu haben.
Zur offenen Schuldzuweisung kam es fast zeitgleich durch den
Salzburger FPÖ-Chef Karl Schnell, der als Haider-Getreuer bekannt
ist. Er hatte schon Tags zuvor im Dienstes seines Kärntner Herrn die
Rückkehr Haiders an die Spitze der FPÖ verlangt. Das bis dato noch
einfache Parteimitglied ließ sich immerhin bis zu Beginn der
Parteivorstandssitzung Zeit, um polternd mit dem Koalitionspartner
abzurechnen und wie schon so oft "den andern" die Schuld am eigenen
Versagen zu geben. Denn dass das steirische Ergebnis eine kräftige
Ohrfeige auch für den Stimmenfänger Haider ist, liegt auf der Hand.
Er hat sich in der Steiermark intensiv als Wahlkämpfer eingebracht.

Die Schuldzuweisung Haiders und eines Teils der FPÖ an die ÖVP ist
allerdings deshalb schwer vom Tisch zu wischen, weil erstens der
Machtkampf in der FPÖ zwischen Regierungsteam und Haider noch nicht
ausgestanden ist. Zweitens droht Haider offen mit dem Bruch des
Regierungsbündnisses. Haider ist also nicht gewillt, sich so einfach
das Heft aus der Hand nehmen zu lassen. Sowohl innerhalb der eigenen
Partei als auch in der Koalition.

Das einfache Parteimitglied wird den innerparteilichen Druck auf
seine Regierungsmannschaft erhöhen und gleichzeitig versuchen, die
Inhalte der Regierungspolitik weiter zu dominieren. Dass dies zu
einem Großteil der Fall ist, zeigte sich zuletzt in der Debatte um
die Erhöhung der Ausländerquote, wie sie von Innenminister Ernst
Strasser vorgeschlagen wurde. Haider setzte sich durch, der
Regierungschef ließ einen seiner besten Männer im Regen stehen.

Womit Schüssel mit dem zu kämpfen hat, was seit Beginn das
Handikap der schwarz- blauen Koalition ist: Er hat einen
unberechenbaren Bündnispartner, der mit jedem Wahlsonntag nervöser
wird. Von dessen Aktionen hängt aber letztlich das politische
Schicksal Schüssels ab.

Rückfragehinweis: Der Standard
Tel.: (01) 531 70/428

*** OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER

VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS ***

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PST/OTS

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel