• 10.10.2000, 16:39:56
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"KURIER" Kommentar: Der ORF und die Politik: Taxi schwarzblau (von Christoph Kotanko)

Ausgabe vom 11. 10. 2000

Wien (OTS) - Politiker sind Raubtiere und benehmen sich
entsprechend, weiß der alte Hase Gerhard Weis. Daher gab der
ORF-Generalintendant seinen Mitarbeitern den Leitspruch mit: "Nicht
füttern, nicht reizen, nicht in den Käfig gehen". Soll heißen: "Kein
vorauseilender Gehorsam, keine Provokationen, sich nicht
instrumentalisieren lassen" , so Weis am 24. Februar 2000 im KURIER.
Damals, nach der Regierungsbildung, rollte die erste Angriffswelle
der FPÖ gegen den ORF. Es gab persönliche Angriffe auf Journalisten,
auch Drohungen. Doch der Vorgang wurde zum Dauerzustand. Der ORF ist
so umkämpft, weil die elektronische Berichterstattung über Politik in
Österreich nach wie vor ein Monopol der öffentlich-rechtlichen
Anstalt ist. Private Konkurrenz ist bis heute nicht zugelassen. Die
Politiker wissen, warum. Durch ihre Personalpolitik und durch
Pressionen wollen die Parteien Einfluss auf den ORF nehmen - ein
Ansinnen, das bei Privaten aussichtslos wäre. Zu Zeiten der Großen
Koalition verstand es die SPÖ, Vertrauensleute an jene Stellen zu
bringen, wo die journalistischen Entscheidungen fallen. Letztes
Beispiel war der zurechtgeschnipselte Beitrag in der ZiB-1 über eine
Affäre, in die der Sohn des damaligen Kanzlers Klima verwickelt war.
Der skandalöse Vorfall war aber eine Ausnahme: Der Großteil der
ORF-Redakteure leistet unter schwierigen Bedingungen anständige
Arbeit. Die neue Koalition verstärkt den Druck. ÖVP und FPÖ haben ein
gewachsenes Misstrauen gegen den vermeintlichen "Rotfunk". Der ORF
steht unter dem Generalverdacht, gegen die Wende-Regierung zu sein.
Daher gibt es vermehrt den Versuch, die Inhalte der Berichterstattung
zu beeinflussen. Das wäre weniger schlimm, wenn es zwischen Politik
und Redaktion einen Puffer in Gestalt eines starken
Informationsintendanten gäbe. So aber müssen sich die Redakteure mit
allen möglichen Begehrlichkeiten plagen - oder die Interventionen
landen direkt beim Generalintendanten. Gerhard Weis ist in der
verdrießlichen Situation, dass er die Politik für Entscheidungen
braucht, die das Unternehmen absichern. Jüngster Fall: Die Regierung
will die Refundierung der Rundfunkgebühren-Befreiung rückgängig
machen. Aus diesem Titel hätte der ORF im nächsten Jahr rund 150
Millionen Schilling erhalten, bis 2004 wäre die Rückerstattung auf
600 Millionen pro Jahr angestiegen. Um den Plan zu vereiteln,
benötigt Weis Verbündete in der Koalition. Die Geschmeidigkeit des
Generalintendanten hat dort ihre Grenzen, wo ein Hauptzweck des ORF -
die unparteiische Information seiner Kundschaft - gefährdet ist. Es
gibt wohl nur ein Mittel, um die anmaßenden Politiker in die
Schranken zu weisen: Interventionen sollten, Fall für Fall, vom ORF
veröffentlicht werden. Dann wären es mit den dreisten Versuchen, die
ORF-Berichterstattung von außen zu steuern, schnell vorbei.

Rückfragehinweis: Kurier

Innenpolitik
Tel.: (01) 52 100/2649

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