• 29.08.2000, 16:09:43
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  • OTS0235

"KURIER" Kommentar: Nachhaltigkeit statt Semantik (von Norbert Stanzel)

Ausgabe vom 30. 08. 2000

Wien (OTS) - Es ist ein Merkmal jeder Budgetdebatte, dass das
verbale Vorgeplänkel wesentlich mehr zur Verwirrung als zur Erhellung
beiträgt: Einerseits schwirren viele widersprüchliche Zahlen herum,
andererseits versuchen die Akteure immer wieder so genannte
"Testballons" steigen zu lassen, um zu sehen, ob man den einen oder
anderen Vorschlag gleich in der Luft zerreißt oder ob er nicht
vielleicht doch mehrheitlich Akzeptanz findet. Das daraus entstehende
Tohuwabohu kann, weil aus der alten Koalition bekannt, nicht wirklich
erschüttern - ebenso wenig, dass nun doch, trotz gegenteiliger
Beteuerungen, unverhohlen über "einnahmenseitige Maßnahmen"
diskutiert wird, also über höhere Steuern und Abgaben. Als gelernter
Österreicher weiß man, wie viel es geschlagen hat, wenn
Regierungspolitiker beteuern, dass Steuererhöhungen nur das "letzte
Mittel" wären. Ohne dieses ist es noch nie gegangen. Dabei ist die
Frage, ob "einnahmen-" oder "ausgabenseitig" gespart wird, ohnehin
ein problematischer Ansatz. Denn zumeist geht es dabei bloß um
Semantik: Beim letzten Sparpaket 1997 wurde etwa die Halbierung der
Sonderausgaben als "ausgabenseitige" Maßnahme bezeichnet - der Staat
spare ja Geld, weil er den Steuerzahlern beim Jahresausgleich weniger
zurückgebe. Für den Steuerzahler hatte es freilich den selben Effekt
wie eine Steuererhöhung: weniger Netto-Einkommen. Berechtigter ist da
schon die Frage nach der Nachhaltigkeit, also ob die Maßnahmen
tatsächlich so wirken, wie sie geplant sind bzw. ob es sich um
kurzfristige Geldbeschaffungsaktionen oder langfristig wirksame
Struktureffekte handelt. Einige Beispiele: Eine Nulllohnrunde für den
öffentlichen Dienst entlastet zwar einmal das Budget, löst aber nicht
das Grundproblem, weil man ja die Beamtengehälter nicht auf Dauer
einfrieren kann. Um die Personalkosten in den Griff zu bekommen, ohne
die Staatsdiener durch Reallohnkürzungen zu frustrieren, müsste es
endlich eine rigorose Verwaltungsbereinigung - vor allem zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden - geben. Das hat noch keine Regierung
gewagt. Fragwürdig ist auch die Kalkulation der Senkung des
Zinsendienstes durch Rückzahlung der Staatsschulden aus
Privatisierungserlösen: Man kann zwar zu Papier bringen, dass man aus
dem Verkauf von Immobilien, Beteilungen und Staatsfirmen 200
Milliarden lukrieren will - ob man sie aber am Markt bekommt, ist
eine zweite Frage. Auch wenn noch zwei Jahre Zeit sind, bis die
Auswirkungen des jetzt zu schnürenden Sanierungspakets voll
durchschlagen - es geht dabei um eine Existenzfrage für die
Koalition. Denn das Hauptargument der ÖVP für den Wechsel lautete
bekanntlich, dass eine nachhaltige Sanierung des Staatshaushaltes mit
der SPÖ nicht möglich sei. Schafft es die ÖVP auch mit der FPÖ nicht,
kann es eigentlich nur an ihr selbst liegen.

Rückfragehinweis: Kurier

Innenpolitik
Tel.: (01) 52 100/2649

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