- 01.05.2000, 11:58:00
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"KURIER" Kommentar: Gefesselt durch innere Widersprüche (von Norbert Stanzel)
Ausgabe vom 30. 04. 2000
Wien (OTS) - Ist es angebracht, eine Partei, die in den letzten 30
Jahren das Land im Großen und Ganzen ordentlich regiert hat,
ausgerechnet dann schonungslos zu kritisieren, wenn sie nach
Wahlniederlage und Machtverlust in bejammernswertem Zustand ist? Es
ist. Denn, wie es der neue SP-Vorsitzende Alfred Gusenbauer
formulierte: "Ein Neustart ist nur möglich, wenn man Fehler der
Vergangenheit aufarbeitet, sonst holen sie einen ein." Das gehört
ergänzt: "Und Fehler in der Gegenwart vermeidet." An Fehlern begeht
die SPÖ derzeit aber mehr als genug. Woraus besteht erfolgreiche
Politik? Daraus, dass eine Partei die richtigen Fragen stellt, also
Themen anspricht, die "ziehen" - und darauf auch (mehrheitsfähige)
Antworten anbietet. Die SPÖ stellt zwar richtige Fragen, bietet aber
keine Antworten an sondern lediglich innere Widersprüche, wie bei
ihrem Parteitag deutlich wurde. Beispiel Sanktionen: Da müht sich
Gusenbauer redlich mit dem Vorschlag eines "Bündnisses der
Vernünftigen", um den Spagat zwischen Ablehnung des EU-Boykotts und
Ablehnung der Koalition zu schaffen. Und sein Ehrengast, der
schwedische Premier Göran Persson, erklärt ungerührt, dass die
Sanktionen bleiben, solange es diese Regierung gibt - gleich, was
passiert. Ähnlich der deutsche Sozialdemokrat Rudolf Scharping, der
Kanzler Schüssel vorwirft, Chancen zum Ausstieg aus den Sanktionen
vertan zu haben. - Dabei hat Schüssel selbst immer wieder Vorschläge
für ein Ausstiegsszenario gemacht (etwa beim EU-Gipfel) - die von den
14 beharrlich ignoriert wurden, weil sie ja offiziell nicht einmal
mit Schüssel reden. Beispiel Privilegien: Gusenbauer stellt die
Frage, "ob wir nicht gezögert haben, Vorrechte zu beseitigen, die für
niemanden mehr nachvollziehbar waren, bis wir letztlich ohnehin dazu
gezwungen wurden?" Zugleich stellt er sich klar auf die Seite der
Gewerkschaften. Wie aber steht die SPÖ etwa zu den jüngsten Protesten
der Postgewerkschaft? Wird nicht die Regelung, dass Postler
Überstunden bezahlt bekommen, wenn ein Kollege im Krankenstand ist,
von vielen "normalen" Arbeitnehmern als "nicht nachvollziehbares
Vorrecht" empfunden? Beispiel "Ausländerpolitik": Da schmettert
Gusenbauer unter dem Applaus der Delegierten die Parole in den Saal,
dass "alle, die legal in diesem Land leben, gleiche Pflichten, aber
auch gleiche Rechte haben müssen". Ja wer hat denn stets verhindert,
dass Zigtausenden Personen, die eine Aufenthaltsbewilligung haben,
das Grundrecht auf Arbeit (in Form einer Beschäftigungsbewilligung)
verweigert wurde? - Die Sozialdemokratie, konkret: Innen- und
Sozialminister. Und wenn wir schon bei "gleichen Rechten und
Pflichten" sind: Wie sieht es mit "legalen" Ausländern in
Gemeindebauten aus? Die Schwäche der alten Koalition war das
Erfolgsrezept für den Aufstieg der FPÖ. Jetzt ist die Schwäche der
großen Oppositionspartei das Erfolgsrezept für die Konsolidierung der
neuen Regierung.
Rückfragehinweis: Kurier
Innenpolitik
Tel.: (01) 52 100/2649
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