Wien (OT) - Die zunehmende Berücksichtigung gesundheitlicher
Aspekte bei Lebensmitteln hat dazu geführt, daß in der letzten Zeit
eine Reihe von interessanten Produkten mit speziellen Eigenschaften
auf den Markt gekommen sind. Sie werden zum Teil mit großem
Werbeaufwand einem immer größer werdenden Kreis sich
gesundheitsbewußt ernärender Konsumenten näher gebracht. Generell
kann man bei diesen in erster Linie zur Sauermilchproduktpalette
gehörenden Lebensmitteln zwischen "Probiotica" und "Präbiotica"
unterscheiden, auch Kombinationen dieser beiden Gruppen, sog.
"Symbiotica" sind in den Kühlregalen der Supermärkte zu finden. Viele
phantasievolle Produktnamen wurden in Anlehnung an diese Begriffe
kreiert. Allesamt unter der Rupbik der "funktionellen Lebensmittel"
(ebenfalls ein neu formulierter Überbegriff) zu führen, besteht das
Ziel dieser speziellen Produkte darin, das Wohlbefinden des Menschen
zu fördern, indem sie dessen Darmflora günstig beeinflussen.
Der Begriff "Probioticum"stammt aus dem Griechischen und bedeutet
"für das Leben". Ein probiotisches Produkt soll einen positiven
Effekt auf den menschlichen und tierischen (Hinweis: probiotische
Futtermittel für Tiere sind bereits seit längerer Zeit im Einsatz)
Organismuß ausüben. Verantwortlich für diese Eigenschaft sind
Milchsäurebakterien und zwar hauptsächlich Lactobazillen und
Bifidobakterien, die in hoher Zahl (normalerweise mehr als 100 Mio.
Bakterienzellen pro Essensportion) über das betreffende Produkt
aufgenommen und in einem bestimmten Abschnitt des Verdauungtraktes,
vorwiegend im Dickdarm des Menschen, wirksam werden. Nur eine
regelmäßige, längerfristige Zufuhr solcher Keime führt zu dem
gewünschten Effekt. Die verwendeten Bakterien stammen ursprünglich
aus dem Darminhalt gesunder Menschen (z.B. aus Skandinavien, Amerika,
Japan) und wurden in umfangreichen Auswahlverfahren auf ihre
besonderen Fähigkeiten untersucht und erprobt. Die Kurzbezeichnungen
vieler dieser Keime lesen sich wie eine internationale
mikrobiologische "top ten"- Liste und umfassen z.B. Namen wie
"Lactobacillus GG", "Lactobacillus LA-1", "Bifidobacterium Bb-12"
oder "Bifidobacterium BB-536". Sie stellen die wertbestimmende
Mikroflora vieler, geschmacklich variantenreicher Produkte dar. Auf
manchen Produktpackungen überschreiten die Beschreibungtexte die
gesetzlich tolerierten Grenzen, da gesundheitsbezogene Angaben oder
die Auslobung therapeutischer Eigenschaften bei Lebensmitteln in der
EU nicht zulässig sind. Fallweise entsteht somit und auch durch
manches Verpackungsdesign selbst der Eindruck eines pharmazeutischen
Produktes. Näher ausgeführte Broschüren enthalten u. a. Hinweise
darauf, daß das betreffende Produkt das mikrobielle Darmgleichgewicht
stablisiert oder wiederherstellt (z.B. nach Krankheiten oder
Antibioticatheraphie), intestinale Krankheitserreger sozusagen im
Konkurrenzkampf beseitigt werden ("antagonistische Wirkung"), die
Stuhlfrequenz (z.B. bei Verstopfungsproglemen) oder andere bestimmte
Verdauungsvorgänge und -funktionen normalisiert werden. Teilweise
basieren die Mitteilungen auf fundierten wissenschaftlichen Studien
am Menschen, Wirkungen, wie z.B. die Stimulierung des Immunsystems
wurden bisher aber nur für wenige Bakterienstämme durch Humanstudien
belegt. Häufiger liegen solchen Behauptungen Modell- oder
Tierversuche (z.B. mit Mäusen) zugrunde, die zwar eine wesentliche
Indikatorfunktion besitzen, deren unmittelbare Übertragung der
Ergebnise auf den Menschen wie z.B. die serumcholesterinsenkende
Wirkung oder Antitumor-Effekte aber in der Fachwelt umstritten sind
und heftig diskutiert werden.
Unter "Präbiotica" versteht man "Ballaststoffe", komplex
aufgebaute Zuckermoleküle, die dem gleichen Konzept wie Probiotica
folgend über Lebensmittel zugeführt werden, den Magen- und
Dünndarmbereich unbeschadet passieren und letztlich erwünschten
Keimen im Dickdarm als wachstumsfördernde Nährstoffquelle dienen. Auf
diese Weise wird ebenfalls die Entwicklung einer optimalen Darmflore
mit ihren positiven Nebeneffekten begünstigt. Einige dieser Zucker
(z.B. Inulin, Oligofructose, etc.) werden aus Pflanzen (z.B.
Zichorie, Topinambur, Zuckerrüben etc.) gewonnen, andere (z.B. sog.
Galactooligosaccharide) stammen von dem bei der Käseherstellung
anfallenden Nebenprodukt Molke. Symbiotische Produkte können somit
einen zweifachen Vorteil bieten.
Der Autor ist Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Kneifel, Universität für
Bodenkultur, Gregor Mendel Str. 33, 1180 Wien
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