• 28.11.1997, 14:59:56
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  • OTS0247

"Wir klagen an"

Stuttgart (ots) - Die Eltern der ermordeten Natalie Astner melden
sich zu Wort: Exklusiv in der Zeitschrift "Das Beste Reader's Digest"
vom Dezember machen sie in einem erschütternden Dokument das Versagen
von Politik und Justiz für den Tod ihrer Tochter mitverantwortlich.
Hier ein Auszug aus diesem offenen Brief:

"Wir klagen all die Richter und Staatsanwälte an, die bei
Sexualstraftätern nicht den Strafrahmen ausgeschöpft haben, um
Wiederholungstaten so lange auszuschließen, wie das nach dem Gesetz
möglich gewesen wäre. Wer ein Kind mißbraucht und vergewaltigt, hat
mit dieser Tat alle Ansprüche auf Schonung oder Milde verwirkt. Indem
Ihr das Wohl der Täter höher bewertet habt als den Schutz unserer
Kinder, seid ihr mitschuldig am Tod unserer Tochter Natalie und all
der anderen Kinder, die in den letzten Jahren in Deutschland
mißbraucht und ermordet wurden.

Wir klagen Sie, Frau Claudia Nolte, an. Als Familienministerin
sind Sie dazu verpflichtet, alles für Familien zu tun, die Ihren
Worten zufolge das Fundament unserer Gesellschaft sind. Und doch tun
Sie nach unserer Meinung nichts, um unsere Kinder zu schützen. Vor
wenigen Wochen wurde in Thüringen ein Mädchen von einem
Wiederholungstäter auf das brutalste mißbraucht, der erst kurze Zeit
zuvor freigelassen worden war. Wie können Sie ihr Dasein als
Familienministerin noch rechtfertigen, nachdem Sie nicht schon früher
laut und deutlich für besseren Schutz unserer Kinder vor solchen
Tätern eingetreten sind?

Wir klagen Sie, Herr Edzard Schmidt-Jortzig, als
Bundesjustizminister an, auch stellvertretend für all die anderen,
die an der sogenannten Strafverschärfung mitgewirkt haben, nicht das
getan zu haben, wozu Sie nach dem Gesetz verpflichtet sind - nämlich
unsere Kinder vor Wiederholungstätern zu schützen.

Damit wir uns richtig verstehen: Vor Ersttätern kann niemand
unsere Kinder schützen - wohl aber vor Wiederholungstätern - und nur
darum geht es. Wie können Sie von einem "Restrisiko" sprechen, mit
dem wir leben müssen? Jedes mißbrauchte und ermordete Kind ist ein
Kind zuviel!

Und was passiert mit einem vergewaltigten Kind, das überlebt?
Während die Täter den vollen Schutz des Gesetzes bekommen, inklusive
Anwalt, muß es letztlich allein damit fertig werden. Wir haben seit
dem 20. September 1996 mit vielen Eltern und Opfern gesprochen und
können ihnen sagen: Diese Opfer leiden lebenslänglich - alle! Und zu
den Opfern rechnen wir auch uns Angehörige. Das Wissen, daß wir
unserer Tochter in dem Moment höchster Qual und Not nicht helfen
konnten, daß sie in dem Gefühl des völligen Ausgeliefertseins sterben
mußte - all das macht uns die Rückkehr zu einem normalen Leben
unmöglich."

Und schließlich fordern die leidgeprüften Eltern, deren Leben der
Täter durch den Mord an Natalie mit zerstört hat: "Wir fordern: Jeder
Mißbrauch und jede Vergewaltigung eines Kindes muß mit lebenslänglich
bestraft werden, weil jeder Mißbrauch und jede Vergewaltigung auch
Mord ist - Mord an Kinderseelen. Dürften wir über Sie alle richten -
unser Urteil stünde fest: Durch Euer Versagen, durch Eure Urteile und
durch Euer Nichtstun seid ihr mitschuldig geworden!"

Zum Hintergrund: Am 20. September 1996 fiel die siebenjährige
Natalie Astner einem Triebtäter in die Hände. Er mißbrauchte das
Mädchen und warf es dann ohnmächtig in den Lech, wo es ertrank. Von
dem einschlägig vorbestraften 27jährigen Armin Schreiner war bekannt,
"daß er laut psychologischem Gutachten mit großer Wahrscheinlichkeit
wieder rückfällig werden würde", wie Hannes Astner aus Epfach bei
Landsberg am Lech verbittert feststellt. Für ihn und seine Frau
Christine sind sowohl Justiz als auch Politik dadurch mitschuldig
geworden am Tod ihrer Tochter Natalie - so die Zeitschrift "Das Beste
Reader's Digest" in ihrer Dezemberausgabe.

In der Tat hat kaum ein Sexualmord der Nachkriegsgeschichte so
viel Aufsehen erregt. Daß der Täter wegen sexuellen Mißbrauchs von
drei Mädchen und zwei Frauen 1993 zu einer viereinhalbjährigen
Haftstrafe verurteilt und wegen einer "nicht ungünstigen
Zukunftsprognose" im Juli 1995 vorzeitig wieder entlassen wurde, hat
in ganz Deutschland eine lebhafte Diskussion über den juristischen
Umgang mit Kinderschändern ausgelöst. Die "Bürgerbewegung Natalie"
mobilisierte von Flensburg bis Kiefersfelden fast 1,2 Millionen
Menschen, die eine Verschärfung des Strafrechts fordern.

Mitte Oktober 1997 stellte Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig
schließlich den Maßnahmenkatalog gegen Sexualstraftäter vor.
Demzufolge soll der schwere sexuelle Mißbrauch von Kindern künftig
mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können - bisher waren es
zehn Jahre. Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann zukünftig
ausgesprochen werden, wenn der Täter leichtfertig den Tod des Kindes
verursacht; Therapien können gegen den Willen der Täter angeordnet
werden. Neu ist auch, daß für Sexualtäter bereits nach dem ersten
Rückfall unbefristete Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, so
die Zeitschrift "Das Beste Reader's Digest".

In der kommenden Woche beginnt der Prozeß in Augsburg.

ots Originaltext: Verlag Das Beste GmbH
Im Internet recherchierbar: http://www.newsaktuell.de

Kontakt:
Verlag Das Beste GmbH, Öffentlichkeitsarbeit
Rüdiger Neuenburg, Direktor
Angela Präg, Assistentin
Telefon 0711 / 6602-520/521
Telefax 0711 / 6602-547

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