Gericht bezweifelt nicht Gesetzestreue der Zeugen Jehovas,
weist aber ihr Ansuchen auf Anerkennung als Körperschaft des
öffentlichen Rechts ab. =
Wien (OTS) - Das Bundesverwaltungsgericht Berlin hat am 26.6.1997
vorinstanzliche Urteile aufgehoben und Jehovas Zeugen die rechtliche
Gleichstellung mit anderen anerkannten Kirchen verweigert.
Gleichzeitig stimmte das Gericht zu, daß Jehovas Zeugen gesetzestreue
Bürger der deutschen Gesellschaft seien.
Das Verwaltungsgericht wies den Antrag der Zeugen Jehovas auf
Verleihung der Körperschaftsrechte ab. Der Antrag war von zwei
unteren Gerichten im Jahre 1993 und 1995 anerkannt worden unter
Widerspruch der Berliner Landesregierung. Jehovas Zeugen haben nun
die Möglichkeit, den Fall vor das deutsche Verfassungsgericht zu
bringen.
"Meiner Ansicht nach ist es problematisch, wenn das
Bundesverwaltungsgericht durch Gesetzesauslegung de facto eine
Änderung der Verfassung herbeiführt", äußerte sich der Anwalt der
Zeugen Jehovas, Armin Pikl.
Das Gericht gab zu, daß Jehovas Zeugen gesetzestreu sind und in
keiner Weise eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Für die
Anerkennung als Körperschaft ist jedoch eine darüber hinausgehende
besondere Kooperation mit dem Staat erforderlich, argumentierte das
Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht war der Ansicht, daß Jehovas
Zeugen dem Staat gegenüber keine ausreichende Loyalität erweisen, da
sie nicht für die Teilnahme an politischen Wahlen eintreten.
Vertreter von Jehovas Zeugen argumentierten, daß es verfassungswidrig
sei, von einer Religion politische Aktivität zu verlangen, da dadurch
der Staat indirekt Einfluß auf deren Glaubensinhalte nimmt.
"Meines Erachtens zeigt diese Entscheidung an, daß das Gericht das
verfassungsrechtliche Prinzip der Gleichbehandlung aller Kirchen
aufgegeben hat", sagte Pikl. "Eine solche Auslegung führt wieder ein
Staatskirchentum moderner Fassung ein. Das ist ein eindeutiger
Rückschritt, da dieses Konzept mit der Einführung der Demokratie
verworfen wurde."
Die Gerichte haben anerkannt, daß Jehovas Zeugen eine etablierte
Religion darstellen, die aus stabilen Familien besteht, welche sich
in der Gesellschaft engagieren, sagte Willi K. Pohl, der Sprecher des
deutschen Büros der Zeugen Jehovas.
Pohl, der selbst über 65 Jahre dieser Kirche angehört, sagte
weiter: "Jehovas Zeugen sind in Deutschland seit 100 Jahren tätig und
damit älter als die Demokratie in diesem Land. Sie haben all die
Jahre als Teil der Gesellschaft gelebt, gearbeitet, Kinder groß
gezogen und ihre Glaubensansichten vertreten. Während dieser Zeit gab
es keine Beanstandungen wegen mangelnder politischer Betätigung,
außer zur Zeit des Hitler-Regimes und während der kommunistischen
Zwangsherrschaft in Ostdeutschland."
Die Körperschaftsrechte werden etablierten und karitativen
Organisationen gegeben. Dieser Status bringt Vorteile wie
Steuererleichterungen und verringerte Kosten für Baugenehmigungen. Um
sich dafür zu qualifizieren, muß eine Organisation Mittel und
Mitglieder haben, die eine finanzielle Stabilität über lange Zeit
garantieren und muß innerhalb der bestehenden Gesetze arbeiten.
Derzeit haben mehr als 30 Religionen in Deutschland diesen Status,
einschließlich der Mormonen, der Baptisten, der Christlichen
Wissenschaft und der Siebenten-Tages Adventisten.
Jehovas Zeugen in Deutschland haben um den Status der Körperschaft
des öffentlichen Rechts in Berlin kurz nach der Wiedervereinigung
angesucht.
In Ostberlin wurde der Religionsorganisation dieser Status nach
dem Fall des Kommunismus gewährt.
Jehovas Zeugen sind in Deutschland seit 1896 tätig und wurden
erstmals im Jahre 1927 rechtlich eingetragen. Ungefähr 170.000 Zeugen
praktizieren ihren Glauben in Deutschland. Gegenwärtig hat die
Religion den Status eines "zivilrechtlich eingetragenen Vereins".
Jehovas Zeugen sind Glieder einer christlichen Religion von 5
Millionen Anhängern, die in mehr als 200 Ländern präsent ist.
Rückfragehinweis: Mag. Peter Kienzl
Informationsdienst der Zeugen Jehovas
Tel.: 804 53 45
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