• 06.11.2025, 08:00:02
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Neue ASCII & WIFO-Studie: US-Handelskonflikt schwächt Österreichs Industrie – trotz geringer direkter Abhängigkeit

Neue Studie: US-Handelskonflikt schwächt Österreichs Industrie – trotz geringer direkter Abhängigkeit Rückgang der Wirtschaftsleistung um −0,31 %: Exportorientierte Industrien wie Metall, Chemie und Maschinenbau am stärksten betroffen - industrielle Wertschöpfung könnte um rund −0,56 % sinken. Geringe direkte US-Abhängigkeit: Indirekte Effekte über EU-Lieferketten belasten Österreich am stärksten – zwei Drittel der Verluste entstehen durch geringere Nachfrage europäischer Partner. Europaweite Industrieschwäche dämpft heimische Wirtschaft: EU-weite Wertschöpfungsverluste liegen bei −0,67 % – Österreich zählt zu den am stärksten betroffenen Volkswirtschaften. Forscher:innen fordern EU-weite Strategie: Diversifizierung und robustere Lieferketten sollen künftige Handelsschocks abfedern.

Wien, am 6. November 2025 – Die jüngsten Zollerhöhungen der USA von 15 Prozent auf fast alle Waren aus der EU setzen Österreichs Wirtschaft unter Druck - trotz geringer direkter Abhängigkeit von den USA. Laut neuen Berechnungen des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) droht ein Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung um −0,31 Prozent - gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Besonders stark betroffen ist die heimische Industrie: Die industrielle Wertschöpfung könnte um rund −0,56 Prozent sinken. Während die direkten gesamtwirtschaftlichen Verluste durch weniger Exporte in die USA mit rund −0,1 Prozent moderat ausfallen, machen indirekte Effekte über europäische Lieferketten mehr als zwei Drittel des gesamten Rückgangs aus. Das liegt vor allem daran, dass wichtige Partnerländer in Europa aufgrund ihrer Produktionsrückgänge weniger österreichische Zulieferungen nachfragen. Die aktuelle Analyse basiert auf den Handelsdaten von September 2025 und berücksichtigt sowohl direkte Exportverluste als auch indirekte Effekte über europäische Lieferketten, die ansonsten häufig übersehen werden. 

„Die Verluste sind ein spürbarer Einschnitt für eine kleine, stark exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich, die derzeit ohnehin unter einer sehr langsamen wirtschaftlichen Erholung leidet. Österreichs Wirtschaft ist eng in europäische Wertschöpfungsketten eingebunden – und damit besonders verwundbar gegenüber globalen Handelskonflikten“, erklärt Asjad Naqvi, Senior Economist am WIFO und Forscher am ASCII. „Nicht der direkte Handel mit den USA, sondern indirekte Effekte über europäische Lieferketten sind der Hauptgrund für die Einbußen. Damit wird deutlich, wie stark Handelskonflikte über Europas eng verflochtene Produktionsnetzwerke systemweit durchschlagen können.“

Industrie besonders stark betroffen

Laut Studie droht Österreich ein Rückgang der industriellen Wertschöpfung um rund −0,56 Prozent. Damit ist jener wirtschaftliche Beitrag gemeint, den die heimische Industrie durch Produktion, Verarbeitung und Export zur gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – beiträgt. Besonders stark treffen die Zölle jene Branchen, die eng in europäische Produktionsketten eingebunden sind. Am stärksten betroffen sind die Metallindustrie (−0,61 %), die chemische Industrie (−0,57 %) und der Maschinenbau (−0,52 %), gefolgt von der Elektrotechnik (−0,25 %) und der Fahrzeugproduktion (−0,29 %). In allen Fällen stammt der Großteil der Verluste nicht aus dem direkten US-Geschäft, sondern aus indirekten Effekten über europäische Lieferketten.

„Österreichische Unternehmen liefern zentrale Zwischenprodukte an große europäische Hersteller. Wenn dort aufgrund der US-Zölle die Nachfrage sinkt, überträgt sich dieser Effekt über den europäischen Binnenmarkt auch auf österreichische Zulieferer. Insbesondere exportorientierte Branchen geraten dann unter Druck, und Österreichs Wirtschaft wird gebremst. Auch geringe Abschwächungen der europäischen Industrie können sich über die verflochtenen Lieferketten deutlich auf Produktion, Beschäftigung und Einkommen in Österreich auswirken”, betont Klaus Friesenbichler, stellvertretender Direktor des ASCII.

Europaweite Industrieschwäche dämpft Österreichs Wirtschaft

Im Ländervergleich liegt der Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung in Österreich zwar unter dem EU-Durchschnitt von −0,67 Prozent, gehört jedoch aufgrund seiner starken industriellen Basis und engen Einbindung in die europäische Fertigung weiterhin zu den am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten. Besonders betroffen sind etwa Frankreich (− 0,88 %), Italien (− 0,78 %) und Finnland (− 0,47 %). Ihre engen Handelsbeziehungen mit den USA und ihre Funktion als zentrale Produktionsstandorte in Europa machen sie besonders anfällig für Handelsschocks. Für Österreich sind diese Länder wichtige Handelspartner und Absatzmärkte für Zwischenprodukte. Produktionsrückgänge in diesen Ländern führen daher unmittelbar zu geringerer Nachfrage nach österreichischen Zulieferungen, besonders in Maschinenbau, Metallverarbeitung und Chemie. Auch Länder wie die Niederlande und Dänemark, die zentralen Drehkreuze für Chemieprodukte, Logistik und hochwertige Industriegüter, beeinflussen zusätzlich Österreichs indirekte Abhängigkeit innerhalb der europäischen Märkte. 

„Österreichs Wirtschaft lebt vom europäischen Binnenmarkt und ist eng mit der Entwicklung ihrer europäischen Partner verknüpft. Der Großteil der heimischen Exporte geht an EU-Partnerländer, besonders in Maschinenbau, Metall und Chemie. Diese Sektoren bilden das Rückgrat der heimischen Industrieexporte“, erklärt Naqvi. „Der Anteil der USA liegt dagegen meist nur bei wenigen Prozentpunkten. Die direkte Abhängigkeit von den USA ist also gering. Die US-Zölle treffen Österreich vor allem indirekt über die europäischen Lieferketten.“

Studie plädiert für koordinierte Industrie- und Handelspolitik auf EU-Ebene

Um die heimische Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen, empfehlen die Forscher:innen auf nationaler Ebene, die Exportmärkte stärker zu diversifizieren, die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft von Lieferketten zu erhöhen und besonders gefährdete Industriecluster wie Maschinenbau, Chemie und Fahrzeugproduktion in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig braucht es eine koordinierte europäische Industrie- und Handelspolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz gemeinsamer Wertschöpfungsnetzwerke zu stärken. 

„Wenn ein Teil der Lieferkette ins Wanken gerät, strahlt das aus. Gemeinsame Maßnahmen auf EU-Ebene zur Stärkung von widerstandsfähigen Lieferketten und Förderung fairer und stabiler Handelsbeziehungen können entscheidend dazu beitragen, dass Störungen in einzelnen Regionen nicht zu breiten Wohlstandsverlusten in ganz Europa führen”, schließt Friesenbichler.

 

 

Über die Studie

Die Studie basiert auf dem ASCII-WIFO-WAVE-Modell (Welfare and Value-Added Elasticities), das Nachfrageschätzungen (QUAIDS) mit einer Multi-Region-Input-Output-Analyse (MRIO) kombiniert, um die kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen wirtschaftlicher Schocks abzubilden. Dieses Modell ermöglicht es, sowohl direkte als auch indirekte Effekte von Zollmaßnahmen auf Produktion, Wertschöpfung und Wohlstand präzise zu quantifizieren. Die Studie wird laufend aktualisiert, sobald neue Handelsdaten und politische Entwicklungen verfügbar sind. Link zur Studie: Evaluating Tariff Shock Propagation

Bildmaterial: siehe hier oder auf Anfrage erhältlich unter press@ascii.ac.at

 

Über das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII)

Das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) ist ein unabhängiges, weltweit führendes Lieferketteninstitut für interdisziplinäre, datengetriebene Analysen globaler Produktions- und Logistiknetzwerke – mit dem Ziel, resiliente, nachhaltige und zukunftsfähige Lieferketten zu gestalten. Das Institut wurde als Forschungs-Joint Venture vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) gemeinsam mit dem Complexity Science Hub (CSH), dem Logistikum der Fachhochschule Oberösterreich und dem Verein Netzwerk Logistik (VNL) gegründet. www.ascii.ac.at

Rückfragen & Kontakt

Kontakt:

Wissenschaft: Asjad Naqvi, Senior Economist at WIFO, asjad.naqvi@wifo.ac.at, +43 1 798 26 01 - 222
Presse: press@ascii.ac.at, +43 664 25 41 320

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