• 20.10.2025, 11:20:27
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Weibliche Begriffe in der ukrainischen Sprache: Olena Synchak geht in MSCA4Ukraine-Projekt auf historische und politische Spurensuche

Weibliche Begriffe in der ukrainischen Sprache: Olena Synchak geht in MSCA4Ukraine-Projekt auf historische und politische Spurensuche

Die wechselhafte ukrainische Geschichte mit den immer wiederkehrenden Interventionen des Russischen spiegelt sich auch in ihrer Sprache wider. Die ukrainische Linguistin Olena Synchak untersucht nun, wie dies anhand von femininen Bezeichnungen zum Ausdruck kommt. Gefördert wird sie dabei durch hochkompetitiv eingeworbene Mittel mit einem MSCA4Ukraine Postdoctoral Fellowship durch die Europäische Kommission. Im Interview spricht sie über den Wandel ihrer Sprache – und wie dieser auch in berührenden Geschichten von Ukrainerinnen zum Ausdruck kommt.

Wie hält es das Ukrainische mit der geschlechterinklusiven Sprache? Sprechen Sie von Lehrerinnen und Lehrern, von Lehrer:innen, oder nur von Lehrern und meinen damit die Lehrerinnen auch mit?

Wir sehen hier regionale Unterschiede. Ich komme aus dem Westen der Ukraine, wo wir weniger Einflüsse des Russischen hatten als in den anderen Teilen des Landes. Für mich war die gleichzeitige Verwendung der femininen Form immer natürlich. Wenn ich aber mit Menschen im Zentrum oder im Osten der Ukraine spreche, nehme ich wahr, dass sie eher dazu tendieren, eine andere Wahrnehmung femininer Begriffe und des generischen Maskulinums zu haben. In meiner Forschung möchte ich nun also beleuchten: Woher stammt dieser Unterschied? Welchen Einfluss haben multikulturelle Kontexte, wie sie im Westen stärker sind, und welchen Einfluss hat die sowjetische Sprachpolitik?

Wie gehen Sie dabei vor?

Vorwiegend führe ich aktuell Interviews mit meist älteren Frauen in zwei Städten. Die eine Stadt ist L‘viv in der Westukraine, in deren Nähe ich aufgewachsen bin und wo ich auch studiert habe. L‘viv ist von dem Einfluss vieler verschiedener Kulturen geprägt: Als Lemberg war sie Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit damals wie heute starken polnischen, jüdischen und ukrainischen Gemeinschaften, die miteinander leben. Gleichzeitig forsche ich auch in München. Vor und während des Zweiten Weltkriegs zogen viele Westukrainer:innen nach München. Sie etablierten dort eine starke Gemeinschaft – auch mit Kirchen und Samstagsschulen und sogar die Ukrainische Freie Universität  – und unterstützten einander. Diese Menschen haben die vor-sowjetische ukrainische Sprache, die sie vor 80 Jahren nach München mitgenommen haben, stärker erhalten als anderswo. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die meisten ukrainischen Flüchtlinge in München Frauen, deren Ehemänner an der Front gefallen oder unter der sowjetischen Herrschaft verfolgt worden waren. Es gelang ihnen, in München Frauenorganisationen zu gründen, um ukrainische Flüchtlinge zu unterstützen. Ich recherchiere derzeit in den Archiven dieser Organisationen aus den 1940er- und 1950er-Jahren und bin absolut beeindruckt von ihrem Aktivismus und der Sprache, die sie verwendeten. Während der Sowjetzeit stand die ukrainische Sprache in der Ukraine unter starkem Einfluss des russischen Standards, sodass diese Dokumente wertvolle Spuren des vorsowjetischen Ukrainischen bewahren.

Rückfragen & Kontakt

Universität Klagenfurt
Institut für Slawistik
Dr. Olena Synchak
olena.synchak@aau.at
 

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