• 11.07.2016, 12:29:24
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Falsche Fakten zu Asylwerbern in „Kronen Zeitung“

Wien (OTS) - Der Senat 3 des Presserats beschäftigte sich mit dem
Artikel „Sozialhilfe für Messerstecher“, erschienen in der „Kronen
Zeitung“ vom 11.03.2016. Nach Meinung des Senats verstößt der Artikel
gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

In dem Artikel wird über einen „Bandenkrieg“ zwischen Afghanen und
Tschetschenen berichtet, bei dem „[b]is zu 70 junge Männer bzw.
Jugendliche“ mit Messern aufeinander losgegangen seien, wobei sieben
Personen teilweise schwer verletzt worden seien und fünf Afghanen in
Haft sitzen würden. Im letzten Drittel des Artikels wird angemerkt,
dass 2015 „übrigens fast 8000 Asylwerber straffällig“ geworden seien,
und dass Informationen für Aufregung sorgen würden, „wonach viele der
Verdächtigen Sozialhilfe aus unseren Steuergeldern beziehen.“

Die Mindestsicherung betrage 838 Euro, Bürgermeister Häupl wolle
trotzdem keine Kürzungen für Flüchtlinge. Zum Abschluss wird
angemerkt, dass „[d]ie Mindestpension in Österreich […] mit 882,72
Euro de facto genauso hoch“ sei, dass „[d]avon aber noch Wohnkosten
wie Strom, Gas, Miete bezahlt sowie Lebensmittel gekauft werden“
müssten, wobei „[z]um Leben […] da kaum etwas übrig“ bleibe.

Ein Leser beanstandet, dass hier durch gezielte Falschinformation
soziale Randgruppen gegeneinander ausgespielt würden.

Der Senat vertritt die Ansicht, dass der Artikel einige
Ungenauigkeiten aufweist und offenbar bewusst ein falsches Bild
vermittelt werden sollte. So wird etwa geschrieben, dass „fünf
Afghanen – allesamt Asylwerber – in Haft“ seien und es für Aufregung
sorge, „dass auch die wenigen gewalttätigen Flüchtlinge 838 Euro
Mindestsicherung ohne zu arbeiten beziehen, aber davon nur wenig für
Wohnen oder Essen brauchen“ würden.

Es entsteht hier der Eindruck, dass es keinen Unterschied zwischen
Asylwerbern und anerkannten Flüchtlingen (Asylberechtigten) gebe.
Tatsächlich bekommen nur Asylberechtigte (d.h. mit positivem
Asylbescheid) unter gewissen Voraussetzungen Mindestsicherung,
Asylwerber hingegen nur die weit geringere Grundversorgung (so
bekommt man etwa in Wien maximal 320 Euro/Monat als Mietzuschuss und
für Verpflegung). Zudem wird es in dem Artikel fälschlicherweise so
dargestellt, dass von der Mindestsicherung weder die Wohnkosten, noch
Lebensmittel bezahlt werden müssen.

Der Artikel verstößt somit gegen Punkt 2 des Ehrenkodex, wonach
Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Wiedergabe von Nachrichten und
Kommentaren oberste Verpflichtung von Journalisten sind, so der
Senat.
Die falschen Darstellungen sind nach Meinung des Senats gleichzeitig
auch eine Diskriminierung und pauschale Verunglimpfung von
Asylwerbern und Flüchtlingen iSd. Punkt 7 des Ehrenkodex.

Der Senat fordert die betroffene Medieninhaberin auf, die
Entscheidung freiwillig in der „Kronen Zeitung“ zu veröffentlichen.

Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung eines Lesers

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren
aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der
Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat
von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch
gemacht.

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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