• 05.02.2016, 09:30:01
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Gefakte Hass-Postings bei Recherche für Artikel über Facebook nicht gerechtfertigt

Wien (OTS) - Der Senat 3 des Presserats beschäftigte sich mit dem
Artikel „Der ‚Journalist‘ als Nazi unterwegs“, erschienen in der
Zeitschrift „Der Österreichische Journalist“ vom 26.10.2015“.
Nach Ansicht des Senats verstößt der Artikel gegen Punkt 8
(Materialbeschaffung) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

In dem Artikel berichtet ein Journalist davon, dass er sieben Tage
lang als Hassposter auf Facebook aktiv gewesen sei, um über seine
Erfahrungen in dieser Zeit zu berichten und die Reaktionen von
Facebook zu testen.
Er habe mit falschem Namen einen Account eingerichtet und
Veranstaltungen erstellt wie „Benzinkanister an Syrer verteilen zur
Selbstanzündung!!“ oder „Til Schweiger aus einem Flugzeug über Syrien
abwerfen“, die er und seine Freundin dann mit ihren realen Profilen
gemeldet hätten. Facebook habe diese Veranstaltungen jedoch nicht
gelöscht. Des Weiteren habe er zu Artikeln über die Flüchtlingskrise
radikale Postings veröffentlicht und beispielsweise vorgeschlagen,
„Flüchtlinge, die bei Zalando bestellen und nicht bezahlen, zur
Abschreckung zu erschießen“. Zudem habe er „Heil Hitler“ und „Vergast
alle Flüchtlinge“ gepostet, ohne dass es eine negative Reaktion von
Facebook oder eine Sperre seines Accounts gegeben habe. Zu der mit
seinem realen Profil beanstandeten Veranstaltung des Fake-Profils
habe er von Facebook sogar die Antwort bekommen, dass diese gemeldete
Veranstaltung geprüft und festgestellt worden sei, „dass sie nicht
gegen unsere Gemeinschaftsstandards“ verstoße. Ein von dem
Fake-Profil gemeldeter Porno sei hingegen innerhalb weniger Stunden
gelöscht worden.

Eine Leserin kritisiert, dass es journalistisch unverantwortlich sei,
dass ein Journalist „sieben Tage lang im Netz als rechter Hetzer
unterwegs“ gewesen sei.
Der Chefredakteur des betroffenen Mediums hat dem Presserat gegenüber
erklärt, dass es aus seiner Sicht notwendig gewesen sei, einen
Fake-Account anzulegen, weil der Journalist nur dadurch feststellen
hätte können, wie schnell Facebook reagiere und auf welche Weise der
Poster über die Löschung informiert werde. Dazu sei es aber nicht
gekommen, weil Facebook die Kommentare nicht gelöscht habe. Dem
Journalisten sei bekannt gewesen, dass bereits mehrfach über dieses
Thema berichtete wurde, dieser habe aber eine eigenständig
recherchierte Geschichte bringen wollen.

Der Senat ist der Auffassung, dass die verdeckte Recherche in diesem
Fall nicht gerechtfertigt ist und unlautere Methoden angewandt
wurden. Aufforderungen zum Mord wie „Til Schweiger aus einem Flugzeug
über Syrien abwerfen“ bewertet der Senat als unzulässig.
Die verdeckte Recherche ist hier nach Auffassung des Senats nicht
durch öffentliche Interessen getragen.
Auf der einen Seite ist die Problematik, dass Facebook Hasspostings,
wenn überhaupt, nur sehr zögerlich löscht, bereits seit Längerem
bekannt, sodass durch die verdeckte Recherche keine neuen
Informationen gewonnen wurden. Auf der anderen Seite erachtet der
Senat die veröffentlichten Postings, wie den Aufruf zum Mord oder die
Hetze gegen gewisse Personengruppen, aber auch als unverhältnismäßig.
Beim Einsatz verdeckter Recherchemethoden ist deren
Verhältnismäßigkeit stets genau zu prüfen. Der Schaden, den diese
Postings bewirken können, wiegt nach Meinung des Senats ungleich
schwerer als der Erkenntnisgewinn der Leser aus dem Artikel.

Der Artikel verstößt daher gegen Punkt 8 (Materialbeschaffung) des
Ehrenkodex für die österreichische Presse, wonach bei der Beschaffung
von journalistischem Material keine unlauteren Methoden angewendet
werden dürfen.

Der Senat fordert die Medieninhaberin auf, die Entscheidung
freiwillig in dem betroffenen Medium zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren
aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den
Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der
Zeitschrift „Der Österreichische Journalist“ hat von der Möglichkeit,
an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Zeitschrift „Der Österreichische Journalist“
hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht
unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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