• 03.02.2016, 10:30:01
  • /
  • OTS0050 OTW0050

Berichte über Mord an Taxifahrerin in Oberösterreich verstoßen gegen Ehrenkodex

Wien (OTS) - Der Senat 3 des Presserats beschäftigte sich mit
mehreren Artikeln über einen Mord an einer Taxifahrerin in
Oberösterreich; der Sohn der Verstorbenen hatte sich an den Presserat
gewandt.
Der Beschwerde wegen zweier Artikel über das Begräbnis der
Ermordeten, erschienen am 29. bzw. 30.04.2015 auf „nachrichten.at“,
gab der Senat teilweise statt. Zudem stellte er wegen mehrere Artikel
auf „krone.at“ sowie auf „oe24.at“, erschienen zwischen dem
21.04.2015 und dem 25.04.2015, Verstöße gegen den Ehrenkodex fest.

Zur Beschwerde gegen „nachrichten.at“

Nach Meinung des Beschwerdeführers werde die Trauerfeier in den
Berichten auf „nachrichten.at“ zu detailliert beschrieben. Auf den
veröffentlichten Fotos seien der Sarg und die Trauergemeinde zu
sehen, obwohl es sich dabei um keine öffentliche Zeremonie gehandelt
habe und nur Verwandte, Freunde und Arbeitskollegen anwesend gewesen
seien.
„nachrichten.at“ brachte vor, dass äußerst zurückhaltend berichtet
worden sei. Das Verbrechen habe großes Aufsehen verursacht und
Betroffenheit bei der Bevölkerung hervorgerufen, weshalb es auch ein
öffentliches Interesse an einer sachlichen Berichterstattung gegeben
habe.
Auch das veröffentlichte Foto sei nicht zu beanstanden. Durch die
Aufnahme sei niemand gestört worden, der Fotograf sei nur kurz in der
Kirche gewesen.

Die bloße Anwesenheit des Journalisten bei einem Begräbnis
beanstandete der Senat nicht, und auch der Umstand, dass er
anscheinend unbemerkt von der Trauergemeinde ein Foto in der Kirche
gemacht hatte, war nach Auffassung des Senats keine unlautere Methode
bei der Materialbeschaffung iSd Punktes 8 des Ehrenkodex.

Zur Veröffentlichung selbst merkte der Senat an, dass der Tod und die
Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen zum
höchstpersönlichen Lebensbereich zählen. Ein Begräbnis, dem
normalerweise nur die Familie und der Freundeskreis der Verstorbenen
beiwohnen, gehört zu dem von der Persönlichkeits- und Intimsphäre
geschützten Bereich. Dies gilt auch dann, wenn, wie im
gegenständlichen Fall, noch weitere Personen, wie z.B.
Arbeitskollegen, zu den Trauergästen zählen, so der Senat weiter.
Ein öffentliches Interesse, über den Verlauf eines Begräbnisses
informiert zu werden, besteht grundsätzlich nicht. Ein solches kann
nur in Ausnahmefällen angenommen werden, beispielsweise dann, wenn
eine Person des öffentlichen Lebens zu Grabe getragen wird. Der
Umstand, dass die Verstorbene Opfer eines Verbrechens wurde, über das
in den Medien ausführlich berichtet wurde, reicht für die Annahme
eines öffentlichen Interesses nicht aus.

Die Berichterstattung verletzt nach Ansicht des Senats nicht nur in
die Persönlichkeits- und Intimsphäre der Verstorbenen, sondern auch
jene der Angehörigen (siehe die Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex). Der
Mord sowie die Berichterstattung darüber und die Suche nach dem Täter
waren ohnehin schon eine große Belastung für die Hinterbliebenen.
Durch die Berichterstattung über das Begräbnis wurde die Belastung
erhöht und die Trauerarbeit erschwert. Somit lag hier laut Senat auch
ein Eingriff in das Pietätsgefühl der nahen Angehörigen vor.
„nachrichten.at“ ist der Verpflichtung bereits nachgekommen, die
Entscheidung zu veröffentlichen.

Zu den Artikeln auf „krone.at“ und auf „oe24.at“

Der Senat beschäftigte sich darüber hinaus auch noch mit mehreren
Artikeln zu dem Mordfall, die auf den Webseiten „krone.at“ und
„oe24.at“ erschienen sind. Der Senat stellte dabei Verstöße gegen die
Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz), 6 (Intimsphäre) sowie 8
(Materialbeschaffung) fest.
In den geprüften Artikeln wurde über die Ermordung der Taxilenkerin,
die Ermittlungsarbeit der Polizei und die Hintergründe des Falles
sowie über die Festnahme eines Verdächtigen berichtet. In allen
Artikeln wurden der Vorname und der Anfangsbuchstabe des Nachnamens
des Opfers angeführt. Mit Ausnahme eines Artikels auf „krone.at“
wurde auch das Alter der Verstorbenen genannt. Darüber hinaus wurden
bei den Artikeln Fotos der Verstorbenen veröffentlicht.

Der Sohn der Verstorbenen brachte vor, dass die Berichte den
Persönlichkeitsschutz der Verstorbenen missachten. Die Verstorbene
sei keine Person des öffentlichen Lebens gewesen; es liege auch kein
Informationsinteresse der Öffentlichkeit vor.
Bei den veröffentlichten Fotos handle es sich laut Auskunft des
Sohnes um Privatfotos. Das am 23.04. und am 25.04.2015 auf „krone.at“
sowie bei beiden Artikeln auf „oe24.at“ veröffentlichte Foto stamme
vom Facebook-Account der Betroffenen selbst, das zu dem Artikel vom
24.04.2015 auf „krone.at“ veröffentlichte Foto hingegen von seinem
Facebook-Account. Weder die Verstorbene noch er habe der
Veröffentlichung der Fotos zugestimmt. Dadurch sei gegen Punkt 8
(Materialbeschaffung) verstoßen worden.

Auch hier gilt laut Senat der Grundsatz, dass der
Persönlichkeitsschutz auch über den Tod hinaus besteht.
Die unverpixelte Veröffentlichung von Bildern einer Ermordeten,
offenbar ohne Zustimmung der nahen Angehörigen, verstößt nach Ansicht
des Senats gegen den Persönlichkeitsschutz iSd Punktes 5 des
Ehrenkodex. Bei der Berichterstattung über einen Mord erkennt der
Senat grundsätzlich kein berechtigtes öffentliches Interesse daran,
ein Bild der Ermordeten zu veröffentlichen. Dies gilt insbesondere
dann, wenn die Mordtat, wie hier, bereits aufgeklärt wurde.

Außerdem lag bei den vorliegenden Artikeln auch ein Verstoß gegen
Punkt 8 (Materialbeschaffung) des Ehrenkodex vor. Ein auf Facebook
veröffentlichtes Foto ist ein Privatfoto, ungeachtet der Tatsache,
dass es einer größeren Anzahl von Menschen zugänglich ist. Die
Veröffentlichung eines solchen Fotos ohne Zustimmung der Verstorbenen
bzw. ihres Sohnes missachtet laut Senat Punkt 8.4 des Ehrenkodex,
wonach Privatfotos ohne Zustimmung der Betroffenen nicht verwendet
werden dürfen.

Einer der Artikel auf „krone.at“ griff schließlich auch in den Schutz
der Intimsphäre der Verstorbenen ein. An Details, wie genau die
Ermordete umgekommen ist, besteht kein öffentliches Interesse; nach
Auffassung des Senats wurden hier lediglich die Sensationsinteressen
mancher Leser befriedigt.

Der Senat stellte die Verstöße fest und forderte die
Medieninhaberinnen von „krone.at“ und von „oe24.at“ auf, die
Entscheidung freiwillig in den betroffenen Medien zu veröffentlichen
oder bekannt zu geben.
Die Entscheidungen in voller Länge finden Sie unter www.presserat.at.

BESCHWERDEVERFAHREN UND SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER
MITTEILUNG EINES BETROFFENEN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im Fall gegen die Medieninhaberin von „nachrichten.at“ führte der
Senat 3 des Presserats aufgrund einer Beschwerde eines Betroffenen
ein Verfahren durch (Beschwerdeverfahren). In diesem Verfahren ist
der Presserat ein Schiedsgericht iSd. ZPO.
Der Beschwerdeführer sowie die Medieninhaberin der
„Oberösterreichischen Nachrichten“ haben sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats unterworfen und an dem
Verfahren teilgenommen.
Im Fall gegen die Medieninhaberinnen von „krone.at“ und „oe24.at“
führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines
Betroffenen ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund
einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine
Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberinnen von „krone.at“ und „oe24.at“ haben
von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch
gemacht.
Bisher haben sich die Medieninhaberinnen der „Kronen Zeitung“ und der
Tageszeitung „Österreich“ der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats
nicht unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel