• 14.01.2016, 10:30:01
  • /
  • OTS0061 OTW0061

Presserat: Twitter-Meldung der „Kronen Zeitung“ verstößt gegen Unschuldsvermutung

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit der
Meldung „+++ BREAKING +++ Sie wurden dem Haftrichter vorgeführt. Das
sind die Todes-Schlepper der A4:“ auf dem Twitter-Account der „Kronen
Zeitung“, abrufbar am 31.08.2015. Der Meldung war ein Foto
beigegeben, das zwei Verdächtige zeigt. Der Senat erkannte in dieser
Veröffentlichung eine Verletzung der Unschuldsvermutung.
Die Berichterstattung in der Printausgabe der „Kronen Zeitung“ über
diesen Fall beanstandete der Senat hingegen nicht.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Veröffentlichung von
Fotos jener mutmaßlichen Schlepper, die für den Tod von 71 Menschen
verantwortlich sind, aufgrund der Schwere des Falles ausnahmsweise
zulässig ist: Das Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiegt
hier gegenüber den Persönlichkeitsinteressen der Betroffenen.
Zu überprüfen gilt jedoch auch, ob bei den Veröffentlichungen das
Gebot der Unschuldsvermutung beachtet wurde, da die Abgebildeten zwar
einer Straftat verdächtigt werden, aber dafür noch nicht verurteilt
worden sind.
In der Berichterstattung in der Printausgabe der „Kronen Zeitung“
wird auf die Unschuldsvermutung hingewiesen. Im Text des Berichts
werden die Verdächtigen zudem als „mutmaßliche Täter“ bezeichnet.
In der Twitter Meldung wurden die Verdächtigen als „Todes-Schlepper“
bezeichnet, die beiden auf einem dazu geposteten Foto abgebildeten
Männer sind gut zu erkennen. Hier wurde demgegenüber weder auf die
Unschuldsvermutung hingewiesen noch angemerkt, dass es sich bei den
Abgebildeten bloß um „mutmaßliche Täter“ handelt. Die Twitter-Meldung
kommt einer Vorverurteilung der Abgebildeten gleich.
Der Senat stellt diesbezüglich einen Verstoß gegen Punkt 5 des
Ehrenkodex fest (Persönlichkeitsschutz).
Die betroffene Medieninhaberin wurde aufgefordert, die Entscheidung
freiwillig auf dem Twitter-Account der „Kronen Zeitung“ zu
veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND VON MITTEILUNGEN MEHRERER LESERINNEN
UND LESER
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall hat der Senat 2 des Presserats aufgrund von
Mitteilungen mehrerer Leserinnen und Leser ein Verfahren durchgeführt
(selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In diesem
Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung
den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der
„Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren
teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Bisher hat sich die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel