- 21.05.2014, 11:29:20
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EU-Kommission bedroht sozial geregelten Wohnungsmarkt
Neues Arbeitspapier der Europäischen Kommission fordert "Entfesselung der Mietwohnungsmärkte"
Utl.: Neues Arbeitspapier der Europäischen Kommission fordert
"Entfesselung der Mietwohnungsmärkte" =
Wien (OTS) - Ein brisantes Arbeitspapier der Generaldirektion
Finanzen (GD ECFIN) der Europäischen Kommission gibt Anlass zu großer
Sorge im Hinblick auf einen sozial ausgewogenen Wohnungsmarkt. Aus
Sicht von MieterschützerInnen und ExpertInnen der sozialen
Wohnungspolitik europaweit zielt das Dokument auf eine Aufweichung
des Mieterschutzes und die Aufhebung von Mietpreisbindungen ab. Es
bedeutet eine Absage an die gemeinnützige Wohnungswirtschaft und ist
damit konjunkturpolitisch vollkommen kontraproduktiv. In letzter
Konsequenz kann es ein Ende der Steuerungsfunktion einer sozialen
Wohnungspolitik unter völliger Außerachtlassung des
Subsidiaritätsprinzips zur Folge haben. Dies erklärten Georg
Niedermühlbichler, Präsident der österreichischen Mietervereinigung,
und Michaela Kauer, Wiener EU-Expertin für Städtepolitik und
Daseinsvorsorge und EP-Kandidatin der SPÖ am Mittwoch in Wien.
Niedermühlbichler: "Aufweichung des Mieterschutzes"
Das sehr technisch ausgearbeitete Papier stellt die Regulierung
des Mietwohnungsmarktes an den Pranger. Sie sei verantwortlich für
die Destabilisierung des Wohnungsmarktes. So heißt es u.a.
"Mietpreisregelungen scheinen eine destabilisierende Rolle im
Wohnungsmarkt spielen, sie erhöhen die Volatilität bei
Immobilienpreisen bei größeren Krisen". Um Preisschwankungen auf dem
Wohnungsmarkt zu verhindern, regt das Papier der Kommission die
Weiterentwicklung des privaten Mietwohnungsmarktes an - und nicht die
Stärkung des öffentlichen Sektors, was auch konjunkturpolitisch
vernünftig wäre und soziale Spannungen in einer Gesellschaft
verhindern bzw. abbauen kann. Die Schlussfolgerungen des Papiers
zielen auf ein "Entfesselung des vollen Potenzials der
Mietwohnungsmärkte" ab - "schon diese Formulierung muss uns
MieterschützerInnen hellhörig machen, so Niedermühlbichler. Unter dem
Deckmantel einer Forderung nach "effizienten, fairen und raschen
Verfahren" werde in Wahrheit der Mieterschutz aufgeweicht, "wir
wissen ja, wer in der Regel am längeren Ast sitzt, wenn es keine
Organisationen gibt, die die MieterInnen vertreten."
Kauer: Studie der Kommission ungenau und unvollständig, aber
in der Logik des Primats des Marktes
"Es ist genau das eingetreten, wovor ich seit längerer Zeit
warne", sagte Kauer, die seit mehreren Jahren zum Bereich der
öffentlichen Dienste und der Daseinsvorsorge in Wien und Europa
arbeitet, "die Europäische Kommission konstruiert einen
Regelungsbedarf und will ihn im Mechanismus des "Europäischen
Semesters" mit entsprechenden Länderempfehlungen umsetzen." Das
Papier greife politisch, ökonomisch und EU-rechtlich zu kurz und
trage dem sehr heterogenen Bild der Wohnungswirtschaft in Europa
nicht Rechnung.
"Das Grundrecht auf Wohnen und die Zielsetzung des sozialen
Zusammenhalts bleiben unerwähnt. Die Tatsache des generellen
Marktversagens im Wohnungssektor sei ausgeblendet - es werde nur
insofern erwähnt, als "Informationsdefizite bestehen". Wichtige
Faktoren, kommen gar nicht vor, insbesondere der soziale Wohnbau, der
in Wahrheit das Angebot "verzerrt" wie die Mietbeihilfen die
Nachfrage "verzerren", führte Kauer aus. "Wenn wir dann noch wissen,
dass in der Europäischen Kommission intern bereits seit einiger Zeit
über einen Anteil von maximal sechs Prozent geförderten Wohnbaus am
Gesamtwohnungsbestand gesprochen wird, können wir uns ausrechnen,
wohin die Reise geht, wenn sich an dieser strikten Marktorientierung
nichts ändert."
Kritik auch aus Deutschland und von Internationaler
Mietervereinigung IUT
Kritik an dem Papier und den daraus zu befürchtenden Konsequenzen
äußert bereits auch Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen
Mieterbunds. "Gerade jetzt, wo Deutschland aus den Fehlern der
Vergangenheit gelernt hat und wieder in Richtung mehr Mietpreisbremse
geht, sind solche Überlegungen der EU-Kommission äußerst
kontraproduktiv. Das geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei."
Ebenso besorgt zeigt sich Barbara Steenbergen, Leiterin des
Brüssel-Büros der Internationalen Mietervereinigung. "In Brüssel
beobachten wir schon länger Angriffe auf Mieterrechte, dieser
Vorschlag lässt völlig außer Acht, dass es europaweit eine große
Differenzierung gibt - das geht ganz klar in Richtung Nivelllierung
von Mieterschutz nach unten und ist abzulehnen."
Das Papier der Kommission gibt es online (auch in Kurzfassung):
http://www.ots.at/redirect/eueconomicpaper
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