• 02.12.2013, 09:10:13
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Fehlende "Bremse im Gehirn" als Auslöser von Angstzuständen

Wien (OTS) - Angst in der richtigen Dosis kann die Wachsamkeit
erhöhen und vor Gefahren schützen. Unangemessene Angst dagegen kann
die Sinneswahrnehmung stören, kann lähmend wirken, die Freude am
Leben nehmen und damit selbst zur Gefahr werden. Angststörungen sind
daher eine nicht zu unterschätzende psychiatrische Erkrankung. Dabei
wird Angst so stark erlebt, dass ein großer Leidensdruck entsteht und
ein normales Leben nicht mehr möglich scheint. ForscherInnen der
MedUni Wien haben nun eine mögliche Erklärung gefunden, wie
Sozialphobien und Angst im Gehirn ausgelöst werden können, nämlich
durch eine fehlende hemmende Verbindung, quasi eine fehlende "Bremse"
im Gehirn.

Im Gehirn bilden der Mandelkern (Amygdala) und der Orbitofrontale
Kortex im Stirnlappen einen wichtigen Regelkreis, um Gefühlszustände
zu regulieren. Dieser Regelkreis ist sozusagen das
Emotionskontrollzentrum im Gehirn. Während bei gesunden ProbandInnen
in diesem Kreislauf eine "negative Rückkopplung" und damit eine
"Beruhigung" identifiziert wurde, konnten die WissenschafterInnen bei
SozialphobikerInnen mit Hilfe der funktionellen
Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) das Gegenteil nachweisen: Eine
wichtige, hemmende Verbindung ist bei diesen PatientInnen verändert,
was erklären könnte, warum sie nicht in der Lage sind, ihre Angst zu
kontrollieren.

In Zusammenarbeit des Zentrums für Medizinische Physik und
Biomedizinische Technik und der Universitätsklinik für Psychiatrie
und Psychotherapie der MedUni Wien konnten die ForscherInnen unter
der Leitung von Christian Windischberger in einer aktuellen Studie am

Exzellenzzentrum Hochfeld-MR der MedUni Wien auch herausfinden, auf
welche Weise sich die Gehirnbereiche, die an der Emotionsverarbeitung
beteiligt sind, gegenseitig beeinflussen.

Den Studienteilnehmern wurde eine Reihe von "emotionalen Gesichtern"
gezeigt, während sie sich der funktionellen
Magnet-Resonanz-Tomographie-Messung unterzogen. fMRT ist ein
nicht-invasives Verfahren, mit dem man durch den Einsatz von
Radiowellen und Magnetfeldern Änderungen im Blutsauerstoffspiegel und
damit die neuronale Aktivierung in einzelnen Gehirnregionen messen
kann. Dabei kam ein am University College London entwickeltes
Analyseverfahren zum Einsatz, mit dem eine neue Sicht auf die
gemessenen Daten möglich ist.

Kreislauf der Angst durchbrechen

Mit der Einblendung der emotionalen Gesichtsausdrücke - von Lachen
bis Weinen, von Zufriedenheit bis Zorn - wurde die neuronale
Aktivität im Gehirn angestoßen. Das Ergebnis: Rein äußerlich war den
ProbandInnen zwar nichts anzumerken, aber bei die gesunden
ProbandInnen wurden durch die automatische "Bremse" im Kopf trotz der
Emotionalität der Bilder beruhigt, bei den SozialphobikerInnen aber
sorgten die Fotos für einen "Turbo" und eine sehr starke neuronale
Aktivität. Das konnte mit Hilfe des neuen Analyseverfahrens deutlich
gemacht werden: "Wir haben die Möglichkeit, nicht nur die
Gehirnaktivität zu lokalisieren und zwischen Gruppen zu vergleichen,
sondern können nun auch Aussagen über die funktionalen Verbindungen
im Gehirn treffen. Gerade bei psychiatrischen Krankheiten kann man
davon ausgehen, dass es nicht zu Komplettausfällen kommt, sondern
vielmehr zu Ungleichgewichten in komplexen Regulierungsprozessen", so
Ronald Sladky, Erstautor der Studie.

Durch das damit gewonnene, bessere Verständnis der beteiligten
neuronalen Mechanismen sollen nun neue Ansätze für
Therapiemöglichkeiten gefunden werden. Es gilt zu klären, welchen
Einfluss Medikamente und psychotherapeutische Betreuung auf die
beteiligten Netzwerke haben, um die PatientInnen dabei unterstützen
zu können, die Kreisläufe der Angst zu durchbrechen.

Medizinische Bildgebung - einer von fünf Forschungsclustern

Die medizinische Bildgebung (Medical Imaging Cluster) ist einer von
fünf Forschungsclustern der MedUni Wien. In diesem und den anderen
vier Fachgebieten werden in der Grundlagen- wie in der klinischen
Forschung vermehrt Schwerpunkte gesetzt. Die weiteren vier
Forschungscluster sind Medizinische Neurowissenschaften,
Kardiovaskuläre Medizin, Allergologie/Immunologie/Infektiologie und
Krebsforschung/Onkologie.

Service: Cerebral Cortex

"Disrupted Effective Connectivity Between the Amygdala and
Orbitofrontal Cortex in Social Anxiety Disorder During Emotion
Discrimination Revealed by Dynamic Causal Modeling for fMRI." Ronald
Sladky, Anna Höflich, Martin Küblböck, Christoph Kraus, Pia
Baldinger, Ewald Moser, Rupert Lanzenberger, Christian
Windischberger. 2013, Cerebral Cortex.
http://cercor.oxfordjournals.org/content/early/2013/10/09/cercor.bht2
79.full.

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