• 30.10.2012, 10:41:56
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  • OTS0080 OTW0080

Presserat: Schutz der Privatsphäre bei Berichten über Fußfesseln für Sexualstraftäter

Wien (OTS) - Der Senat 1 des Österreichischen Pressrats gibt
anlässlich der Berichterstattung über Fußfesseln für Sexualstraftäter
folgende

GRUNDSATZERKLÄRUNG

ab:

Die Diskussion über die Frage, ob es Sexualstraftätern gestattet
sein soll, eine Fußfessel zu tragen statt ins Gefängnis zu gehen, ist
zweifelsohne von großem öffentlichen Interesse. Es handelt sich
hierbei um eine wichtige Frage der Strafrechtspolitik.

Bei der Berichterstattung über diese Frage kam es in mehreren
Fällen zu Veröffentlichungen von Fotos, die verurteilte
Sexualstraftäter bei alltäglichen Handlungen in der Nähe ihres
Wohnortes oder ihren Wohnort zeigen. Auch wenn die Gesichter der
Täter verpixelt wurden, konnten zumindest Anrainer den Wohnort der
Täter erkennen und somit Rückschlüsse auf deren Identität ziehen.
Aufgrund der Bilder und Angaben in den Artikeln ist es zudem auch für
einen Außenstehenden relativ leicht möglich gewesen, mit Hilfe von
Suchdiensten und Satellitenfotos im Internet den Wohnort der Täter
auszuforschen.

Der Senat 1 des Presserats weist darauf hin, dass auch
Sexualstraftäter Persönlichkeitsschutz genießen und ihre Privatsphäre
zu respektieren ist. Die Veröffentlichung von Fotos und
Informationen, die es - wie in den hier zu beurteilenden Fällen -
ermöglichen, den Wohnort eines Straftäters auszuforschen, sind ein
Eingriff in die Intimsphäre des Straftäters und seiner Angehörigen.
Ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen, die die
Ausforschung der Privatadresse von verurteilten Straftätern
verhältnismäßig einfach möglich machen, besteht grundsätzlich nicht.
Der Wohnort dient der Ruhe und Erholung und zählt zur privaten
Rückzugssphäre. Die Veröffentlichungen ermöglichen es Dritten in den
häuslichen Bereich der Täter einzudringen. In einem Fall ist es im
Zuge der Medienberichterstattung dazu gekommen, dass der Betroffene
anonyme Drohbriefe erhalten hat. Der Privatsphäreneingriff durch das
Medium hat demnach zu konkreten negativen Auswirkungen durch Dritte
geführt.

Durch die vorliegenden Medienberichte werden die Täter quasi "an
den Pranger gestellt". Aus medienethischer Sicht ist diese
Prangerwirkung tunlichst zu vermeiden, da es dadurch neben der
gerichtlichen Bestrafung zu einer bedenklichen sozialen Zusatzstrafe
kommt. Eine solche Zusatzstrafe gefährdet auch die Resozialisierung
der Täter.

Heute dienen Gerichtsstrafen im europäischen Kulturkreis der
Prävention - der Täter soll durch die Strafe davon abgehalten werden,
weitere Straftaten zu begehen und der Allgemeinheit soll bewusst
werden, dass kriminelles Verhalten entsprechende Konsequenzen nach
sich zieht. Der Vergeltung sollte in einer aufgeklärten Gesellschaft
dagegen kein Platz eingeräumt werden.
Der Senat appelliert an die österreichischen Zeitungen und
Zeitschriften, in Zukunft stärker auf die Privatsphäre von
Straftätern Rücksicht zu nehmen und es in ähnlich gelagerten Fällen
zu unterlassen, Informationen zu veröffentlichen, die die
Identifizierung des Täters oder seiner Wohnadresse zur Folge haben
können.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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