• 27.07.2012, 10:00:49
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  • OTS0036 OTW0036

Presserat: Verwendung des Begriffs "Neger" - Bezeichnung eines mutmaßlichen Attentäters als "Vieh"

Neue Entscheidungen des Senats 2 des Presserates

Wien (OTS) - 1.) In der Wochenzeitschrift "Zur Zeit" wurde in
einem Artikel über straffällig gewordene Asylwerber mehrmals der
Begriff "Neger" verwendet.

Das Medium hielt dem Presserat gegenüber fest, dass dieser Begriff
seit rund 300 Jahren im deutschen Sprachgebrauch üblich wäre und es
auch keine gesetzliche Bestimmung gäbe, die die Verwendung dieses
Begriffes verbiete.

Nach Meinung des Senats handelt es sich bei dem Begriff um eine
Fremdbezeichnung, die der betroffenen Bevölkerungsgruppe von außen
aufgedrängt wurde. Einem Journalisten ist es zumutbar, dass er sich
mit einem belasteten Begriff wie "Neger" ernsthaft auseinandersetzt,
den Bedeutungswandel, den dieser Begriff erfahren hat, erkennt und
respektiert, dass die Bezeichnung "Neger" in unserer Gesellschaft
abwertend und beleidigend ist, so der Senat weiter.

Der Bericht verstößt somit laut Senat gegen Punkt 5.5. des
Ehrenkodex für die österreichische Presse, wonach jede
Diskriminierung aus rassischen, religiösen, nationalen, sexuellen
oder sonstigen Gründen unzulässig ist.

2.) Im Kommentar "Post von Jeannée" in der "Kronen-Zeitung" vom
19.04.2012 kritisiert der Autor die Enthebung des Schöffen Thomas
Indrebo wegen Befangenheit im Prozess gegen den mutmaßlichen
norwegischen Attentäter Anders B. Die Befangenheit beschreibt der
Autor in seiner "Post" an den Schöffen wie folgt: "Sie forderten via
Facebook die Todesstrafe für das Vieh". Der Autor unterstellt allen
Prozessbeteiligten die Ansicht, dass "die erbarmungslos lächelnde
menschliche Tötungsmaschine Anders B. weg gehöre" und teilt diese
Position.

Die Bezeichnung "Vieh" stammt aus dem Tierreich und ist nach
Ansicht des Senates für einen Menschen grundsätzlich nicht angemessen
und abwertend.

Der Senat ist sich bewusst, dass die Empörung über die Verbrechen,
die zu diesem Prozess geführt haben, ungemein groß und auch
gerechtfertigt ist. Die Anders B. zur Last gelegten Taten sind
verabscheuungswürdig. Dennoch hat jeder Mensch, auch Anders B.,
Anspruch auf den Schutz seiner Persönlichkeit. Die derb abwertende
Bezeichnung eines Menschen als "Vieh" ist überschießend und daher
auch nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Die Bezeichnung von B. als "Vieh" im Zusammenhang mit der Todesstrafe
suggeriert nach Meinung des Senats darüber hinaus, dass B. kein
Mensch wäre, der unter dem Schutz der Menschenrechtskonvention steht
und in Norwegen gar nicht mit dem Tode bestraft werden kann, sondern
ein Tier, das man töten kann.
Der Senat sieht hierin einen Verstoß gegen Punkt 5.1. des Ehrenkodex
für die österreichische Presse, wonach jeder Mensch Anspruch auf
Wahrung der Rechte und Würde der Person hat.

In den vorliegenden Fällen hat der Senat 2 des Presserates auf
eigene Initiative Verfahren durchgeführt (selbständige Verfahren aus
eigener Wahrnehmung). In einem solchen Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, hat
das Medium "Zur Zeit" Gebrauch gemacht, die "Kronen-Zeitung" dagegen
nicht.

Bisher haben sich das Medium "Zur Zeit" und die "Kronen-Zeitung"
der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserates nicht unterworfen.
Die Entscheidungen im Langtext finden Sie auf der Homepage des
Presserates (www.presserat.at).

Rückfragehinweis:
Dr. Andreas Koller, Senatssprecher,
Tel.: 01-53153-830

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