• 18.12.2017, 22:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 19. Dezember 2017 von Alois Vahrner "Eine nicht allzu direkte Demokratie"

Innsbruck (OTS) - Im Wahlkampf forderten ÖVP und FPÖ unisono einen
Ausbau der direkten Demokratie. Während der Verhandlungen bekamen die
Neo-Koalitionäre aber offenbar kalte Füße – und fixierten ein bloßes
Reförmchen.

Das politische System in Österreich ist besonders stark von Parteien
geprägt – direkte Mitbestimmung gibt es kaum. In der Zweiten Republik
wurden nur zwei Volksabstimmungen (Zwentendorf und EU-Beitritt) und
eine Volksbefragung (allgemeine Wehrpflicht) durchgeführt. „Wir
müssen diese Instrumente stärken und ein bis zwei Termine pro Jahr
festlegen, an denen Anliegen zur Abstimmung gebracht werden können.“
So hieß es wörtlich im Wahlkampfprogramm des nunmehrigen
Bundeskanzlers Sebastian Kurz.
Sein Regierungs-Gegenüber, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache,
konstatierte im Vorfeld bei Rot-Schwarz „Angst vor den Wählern“ und
forderte eine ganze Reihe von Volksabstimmungen, etwa zu TTIP und
CETA, über den Kammerzwang oder gegen eine Bargeld-Abschaffung. Nach
Schweizer Vorbild sollten ab 100.000 Unterschriften Volksabstimmungen
obligatorisch sein.
Im nuen Regierungsprogramm seien, zumal man in vielen Fragen auch
ähnliche Ansichten habe, mindestens 75 Prozent Handschrift beider
Parteien erkennbar, hat jüngst Strache betont. In Sachen direkter
Demokratie kann man dies beileibe nicht behaupten: Da kam, gemessen
an den Ankündigungen, nur ein Bruchteil heraus.
Neu ist, dass Initiatoren von Volksbegehren ab 100.000 Unterstützern
eine echte Gesetzesinitiative starten können – theoretisch
gleichwertig mit Regierungsvorlagen und parlamentarischen
Initiativanträgen, Rederecht des Initiators im Hohen Haus inkludiert.
Den Daumen heben oder senken wird aber weiter die
Regierungs-Mehrheit.
Ist das Modell erfolgreich (was auch immer von der Koalition nach
drei Jahren so bewertet wird), sollen ab 2022 Volksabstimmungen
verpflichtend werden können – allerdings erst ab mindestens 900.000
Unterschriften. Eine sehr, sehr hohe Hürde, die von den bisherigen 39
Volksbegehren gerade einmal drei (1,36 Millionen gegen das Wiener
Konferenzzentrum, 1,23 Millionen gegen Gentechnik und 914.000 gegen
das Atomkraftwerk Temelin) übersprungen hätten. Das heurige
Volksbegehren gegen die Handelspakte TTIP und CETA wäre mit 562.000
Stimmen klar darunter geblieben.
Das Thema direkte Demokratie wurde von Schwarz-Blau weichgekocht und
auf Jahre schubladisiert. Volksbegehren sind für die Opposition ein
gutes Mittel, Druck zu machen, für eine Regierung hingegen oft
unbequem. Diese Überlegung hat jetzt wohl auch den FPÖ-Schwenk
„erleichtert“. Die Position bestimmt in der Politik eben oft auch die
inhaltliche Position. Kandidat Nummer 1 für eine erzwungene
Volksabstimmung und damit eine drohende Koalitions-Niederlage wäre
nämlich der Streit um ein totales Rauchverbot in Lokalen.

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