- 12.06.2017, 17:39:56
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CETA/TTIP: Verhandlungen über Volksbegehren gehen in die nächste Runde
Verfassungsausschuss befasst sich mit Sicherung der Standards und regulatorischer Zusammenarbeit
Utl.: Verfassungsausschuss befasst sich mit Sicherung der Standards
und regulatorischer Zusammenarbeit =
Wien (PK) - Mit den Themen Schutz der heimischen Standards,
Konsumentenschutz, regulatorische Zusammenarbeit, Abbau nicht
tarifärer Handelshindernisse sowie Lebensmittelsicherheit eröffnete
der Verfassungsausschuss heute ein neues Kapitel bei der Debatte über
das Volksbegehren "Gegen CETA/TTIP". Auch diesmal standen den
Abgeordneten in einem Hearing wieder eine Reihe von ExpertInnen Rede
und Antwort. Das Wort hatten dabei Florian Fellinger
(Bundesministerium für Gesundheit), Michael Löwy
(Industriellenvereinigung), die Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, Hanno
Lorenz (Agenda Austria) und Irmi Salzer (ÖBV-Via Campesina Austria).
Fellinger: CETA in Bezug auf Lebensmittelsicherheit unbedenklich
Vieles an der Kritik im Bereich der Lebensmittelsicherheit sei aus
Sicht des Gesundheitsministeriums nicht nachvollziehbar, meinte
Florian Fellinger. Angesichts des Rechtsbestands in der EU bestehe
jedenfalls wenig Gefahr, dass im Rahmen von CETA nun durch die
Hintertür Lebensmittel nach Europa kommen, die etwa mit Hormonen
behandelt wurden. Das Kontrollsystem der EU würde den Import
unerwünschter Produkte verhindern. Bei Gentechnik wiederum bedürfe es
einer speziellen Zulassung sowie einer entsprechenden Kennzeichnung,
stellte Fellinger überdies klar und kam zu dem Schluss, dass CETA in
Bezug auf die Lebensmittelsicherheit unbedenklich sei.
Lorenz: Österreichs KMU werden von CETA profitieren
Hanno Lorenz erwartet sich vom Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse
größere Auswirkungen auf das Wachstum als vom Zollabbau und äußerte
zudem seine Überzeugung, dass besonders Österreichs exportorientierte
kleine und mittelständische Unternehmen vom Freihandelsabkommen mit
Kanada und der darin enthaltenen Harmonisierung profitieren werden.
Sämtliche Verhandlungspartner hätten überdies klargestellt, dass es
zu keiner Senkung der Standards kommen werde. Wenn die Europäische
Union in Zukunft die Standards mitgestalten will, dann komme sie um
ein Abkommen wie CETA nicht herum, gab Lorenz zu bedenken.
Löwy: CETA sichert globalen Marktzugang und faire
Wettbewerbsbedingungen
Österreich braucht Exporte und globalen Marktzugang, steht für
Michael Löwy fest. Diesen globalen Marktzugang gelte es, durch
Abkommen wie CETA zu sichern. Entscheidend sind dabei für Löwy faire
Wettbewerbsbedingungen. Unter all diesen Aspekten sei das
Freihandelsabkommen mit Kanada ein gutes Instrument, das
Beispielswirkung für andere Abkommen haben kann, die die Europäische
Union gerade verhandelt, betonte Löwy.
Salzer: Abkommen sichert Standards nicht
Irmi Salzer konnte sich der positiven Sichtweise der drei Experten
nicht anschließen und sprach hingegen von einer Gefährdung der
heimischen Standards, zumal die gegenseitige Anerkennung der
Gleichwertigkeit im Abkommen nicht ausreichend geklärt sei.
Problematisch erscheint es Salzer in diesem Zusammenhang, dass die
Anerkennung im Rahmen der regulatorischen Kooperation und in
Expertenausschüssen ohne demokratische Legitimation entschieden wird.
Darüber hinaus sei zu befürchten, dass der europäische Markt aufgrund
der Preisunterschiede zu Kanada unter enormen Druck kommen könnte und
die Standards als Folge von Lobbying der Produzenten abgesenkt
werden. Was das Vorsorgeprinzip betrifft, vermisst Salzer im Vertrag
jeglichen Hinweis auf dessen Rechtsverbindlichkeit. Die
Zusatzerklärung sei hier nicht hilfreich und ändere nichts am
Vertragstext.
Ziehm: Zusatzerklärung ändert nichts am Vertragstext
Das Vorsorgeprinzip werde ausgehöhlt, in der Folge komme es auch zu
einem Absenken der Standards, befand Cornelia Ziehm. Besorgt zeigte
sie sich vor allem über den Umstand, dass nunmehr bei der
Folgenabschätzung wissenschaftliche Kriterien nur noch einen von
mehreren Ansätzen darstellen. In der Praxis würden dadurch
Umweltschutz und Gesundheitsschutz gleichwertig behandelt werden wie
Investorenschutz oder Wettbewerb, gab sie zu bedenken und erinnerte
an die Zulassung von Bioziden. Das EU-Recht unterscheide sich hier
wesentlich vom amerikanischen Recht, da in Europa Vorsorgemaßnahmen
nicht erst bei Eintritt eines Schadens, sondern bereits dann zu
ergreifen seien, wenn aufgrund einer wissenschaftlichen
Risikobewertung Anlass zur Besorgnis besteht. Bei einer Sichtweise,
die Umweltschutzstandards als Handelshemmnisse interpretiert,
verbleibe kein Raum für vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutz,
warnte sie. Die Zusatzerklärung wiederum sei eine "Augenauswischerei"
und ändere den Vertrag nicht, unterstrich sie.
Thumpser vermisst Transparenz
Herbert Thumpser beklagte als Bevollmächtigter des Volksbegehrens
einmal mehr mangelnde Transparenz und stellte fest, die
Zivilgesellschaft sei nicht in die Verhandlungen eingebunden worden.
Juristische Winkelzüge seien nun Teil des Vertrages, sodass man nicht
genau sagen könne, was am Ende herauskommt. Warum stehe nicht
ausdrücklich im Vertrag, dass das Vorsorgeprinzip außer Streit ist,
wo dies doch von den Befürwortern immer wieder behauptet wird, fragte
Thumpser.
Mahrer: CETA ist mustergültiges Abkommen
Wirtschaftsminister Harald Mahrer wertete CETA als mustergültiges
Abkommen, wobei er argumentierte, Kanada habe ähnlich hohe Standards
wie Europa. Der Vertrag sei gut für die gesamte österreichische
Volkswirtschaft, zeigte er sich überzeugt. Klar ist für Mahrer auch,
dass es regulatorische Zusammenarbeit nur auf freiwilliger Basis
geben und das nationale Recht auf Regulierung nicht beeinträchtigt
werde. Was das Vorsorgeprinzip betrifft, bestehe keine Möglichkeit,
die einzelnen Ländern zu irgendetwas zu zwingen. Im Falle einer
Privatisierung sei daher eine Rückverstaatlichung jederzeit möglich.
Bei ähnlichen Verträgen sollte es nach Meinung Mahrers in Zukunft
mehr Transparenz und Information geben.
Abgeordnete stecken die Standpunkte ihrer Fraktionen ab
Für die SPÖ unterstrich Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter den
aus seiner Sicht verbindlichen Charakter der Zusatzerklärung. Sein
Fraktionskollege Jan Krainer meldete Zweifel an der Möglichkeit
Österreichs an, eine Nivellierung der Standards zu verhindern. Dass
das Vorsorgeprinzip als europäisches Primärrecht nicht untergraben
werden könne, steht wiederum für ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig fest.
Peter Wurm (F) fühlte sich durch die beiden kritischen Expertinnen in
seiner Befürchtung bestätigt, dass die Qualität der Standards unter
CETA leiden werde, und forderte mit Nachdruck eine Volksabstimmung
über das Freihandelsabkommen. Werner Kogler setzte sich namens der
Grünen kritisch mit der Zusatzvereinbarung auseinander und stellte
fest, hier werde ein Beipackzettel überreicht und dabei so getan, als
ob dies der Vertragstext sei. CETA biete eine Möglichkeit für die
internationale Durchsetzung der hohen österreichischen Standards,
hielt hingegen Claudia Gamon (N) den KritikerInnen entgegen.
Die Verhandlungen wurden daraufhin einstimmig vertagt. (Schluss) hof
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