• 22.03.2017, 10:41:44
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Offener Brief an Eva Glawischnig: Fürchtet euch nicht

Offener Brief von Flora Petrik, Bundessprecherin der Jungen Grünen

Utl.: Offener Brief von Flora Petrik, Bundessprecherin der Jungen
Grünen =

Wien (OTS) -
Liebe Eva,

Wir Junge Grüne sind in den letzten Jahren die größte ehrenamtliche
Organisation der Grünen Bewegung geworden. Wir arbeiten seit Jahren
ehrenamtlich und mit minimalen Mitteln daran, gemeinsam auf Basis der
Grünen Grundwerte die Gesellschaft positiv zu verändern. Gerade auf
lokaler Ebene habe ich hier das Glück, mit vielen tollen Leuten
zusammenzuarbeiten. Der Bundespräsidentschaftswahlkampf und sehr
viele Gemeinderatswahlkämpfe haben gezeigt, dass wir mit unseren
Ehrenamtlichen mehr auf die Straße mobilisieren konnten als fünf
Landesorganisationen der Grünen zusammen. Die Mitglieder der Jungen
Grünen organisieren jährlich ehrenamtlich Bildungsveranstaltungen mit
mehreren tausend TeilnehmerInnen. Dass wir mit nur einer
Halbzeitmitarbeiterin und einem Hundertstel eures Budgets dennoch in
den letzten Jahren ein starkes Wachstum an AktivistInnen erlebt
haben, stößt nicht immer auf Wohlwollen in der Partei.

Doch die Ereignisse und deine Vorgehensweise der letzten Wochen
übertreffen alles, was ich bisher innerhalb der Grünen erlebt habe.
Jahrelange Versuche von Studierenden, die Grünen & Alternativen
StudentInnen (GRAS) von innen zu verändern und zu demokratisieren,
sind am totalen Konsensprinzip gescheitert. Bereits im Laufe des
Jahres 2016 sind die Grazer und Linzer GRAS-Gruppen aus diesen
Gründen aus der GRAS-Bundesorganisation ausgetreten. Diese Gruppen
haben sich zusammen mit AktivistInnen aus anderen Bundesländern am
10. Oktober 2016 als Grüne Studierende neu gegründet. Der Anspruch
der Grünen Studierenden war es, sich zu öffnen und demokratische
Mindeststandards einzuführen, wie die geheime Wahl von KandidatInnen
und FunktionärInnen. Am 7. Jänner 2017 haben die 130 Delegierten des
Bundeskongresses der Jungen Grünen einstimmig beschlossen, diesen
demokratischen Aufbruch der Grünen Studierenden zu unterstützen. Doch
der Versuch, eine professionelle und starke Studierendenorganisation
aufzubauen, die sich für mehr Mitglieder öffnet und lokal stark
verankert ist, wird von dir im Keim erstickt.

Es irritiert mich, dass du die undemokratischen, autoritären Prozesse
in der GRAS nicht nur verteidigst und förderst, sondern auf uns Junge
Grüne Druck ausübst, um Unterstützung für die Grünen Studierenden zu
unterbinden. Die Grünen Studierenden haben noch nicht einmal
beschlossen, ob sie bei der ÖH-Wahl bundesweit antreten. Trotzdem
lässt du uns mit dem Sperren von Konten und zugesagten Geldern
attackieren, mit dem Ausschluss aus Parteiräumlichkeiten,
persönlichen Drohungen und der Androhung, die Jugendorganisation und
ihre Mitglieder aus der Partei auszuschließen, um unsere
Unterstützung für die Grünen Studierenden bei der ÖH-Wahl zu
unterbinden. Euer Handeln erinnert eher an die autoritären
Großparteien, zu denen ihr euch einst als Gegenmodell gegründet habt.
Dein Vorgehen reicht so weit, dass AktivistInnen der Grünen
Studierenden von deinen Leuten geraten wird, sich besser „rechtlichen
Rat“ zu suchen, da die Parteispitze „nicht zögern“ würde,
ehrenamtliche politische Arbeit „gerichtlich zu unterbinden.“ Ich
werde weiterhin hinter dem demokratischen Beschluss meines Verbands
stehen, auch wenn von deiner Seite nun versucht wird, mich und die
Jungen Grünen unter Druck zu setzen und zu erpressen.

Ich war selbst eine Zeit lang für die GRAS in einer ÖH-Funktion aktiv
und kann die Kritik der Grünen Studierenden voll und ganz
unterschreiben. Es ist schade, dass du mit massivem Druck versuchst,
die dringend nötige Demokratisierung der von dir immer noch
unterstützten Studierenden-Fraktion zu unterbinden. Die GRAS ist
aufgrund ihres absoluten Konsensprinzips de facto nicht veränderbar.
Selbst mit einer Mehrheit von 80 oder 90 Prozent ist nach dieser
Logik keine Veränderung möglich, da Einzelne alles blockieren können.
Dieses Modell ist nicht zum Wachstum geeignet. Das sagen
OrganisationsberaterInnen und hinter vorgehaltener Hand auch alle in
der Partei. Die Grünen könnten leicht die größte ÖH-Fraktion mit
200-300 Mitgliedern sein und bei Wahlen locker erste werden. Es ist
ein Skandal, dass du die GRAS weiterhin kritiklos unterstützt – im
Wissen, wie klein und schwach sie mit ihren 20-40 Leuten und ihren
undemokratischen Strukturen aufgestellt ist. Ich habe das Gefühl, die
Parteispitze will bewusst keine mitgliederstarke und professionelle
Organisation haben, sondern lieber einen winzigen und
kontrollierbaren Kreis. Bewusst kleingehaltene Gruppen lassen sich
leicht mit Mandaten und Posten einkaufen und stellen damit nie eine
Herausforderung für das Partei-Establishment dar. Das mag für den
Parteiapparat bequem sein, ist aber für die Grüne Bewegung als Ganzes
fatal.

Gerade jetzt, wo flächendeckende Studienplatzbeschränkungen drohen,
braucht es aber eine starke Studierendenorganisation. Es ist in
meinen Augen unverantwortlich von dir, tatenlos zuzusehen, wie eine
kleine und schwache Studierendenorganisation es nicht schafft, eine
schlagkräftige und professionelle Vertretung der Studierenden
gegenüber der Regierung aufzubauen. Als Grüne haben wir die
Verantwortung, eine starke Studierenden-Fraktion aufzubauen um
gemeinsam mit möglichst vielen unabhängigen
StudierendenvertreterInnen eine durchsetzungsfähige ÖH zu schaffen.
Eine solche Vertretung braucht es dringend, um endlich erfolgreich
für den offenen und freien Hochschulzugang, soziale Durchlässigkeit
und pluralistische Bildung zu kämpfen. Anstatt die eigene
Studierendenorganisation klein zu halten und die Interessen der
Studierenden am Altar der Parteiinteressen zu opfern, sollten wir als
Grüne langfristig in unabhängige, kritische und grüne Studierende
investieren.

Das Kleinhalten von Strukturen und das Nicht-Übernehmen von
Führungsverantwortung sind bezeichnend dafür, dass die Grüne Partei
nicht den notwendigen Gestaltungsanspruch in der Gesellschaft stellt.
Ich denke, wir Grüne bräuchten jetzt eine massive Öffnung,
Verbreiterung und Demokratisierung. Wir könnten viel mehr Menschen
einbinden und Bildung, Klimawandel und Teilhabe zu den zentralen
Themen der politischen Debatte machen. Ich sehe bei unserer Arbeit
als Jugendorganisation, aber auch insgesamt, dass wir als Grüne das
Potenzial hätten, viele Menschen einzubinden – und wir müssen uns
trauen, das ohne Furcht und Bequemlichkeit anzugehen.

Wir Grüne dürfen uns nicht vor einer derartigen Öffnung fürchten,
sondern müssen uns davor fürchten, was passiert, wenn wir es nicht
tun. Denn die Rechten stehen schon in den Startlöchern. Für diese
Öffnung der Partei werden wir Mut, Zuversicht und Entschlossenheit
brauchen.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass bei allem, was du für die
Partei geleistet hast – von Professionalisierungsprozessen bis hin
zum Marketing –, du nicht die Person bist, die die Partei in diesen
notwendigen demokratischen Aufbruch führen kann. Ich glaube, dein
Vorgehen der letzten Wochen zeigt, dass du offensichtlich nicht das
Feuer und den Enthusiasmus für diese nächsten Schritte hast. Daher
wäre es ein verantwortungsvoller Schritt, wenn du Platz für andere
machst.

Parteien müssen den Anspruch haben, Gesellschaft zu verändern, und
das muss sich auch in der eigenen Organisierung niederschlagen. Bei
aller Kritik und allen unterschiedlichen Meinungen vertreten wir die
gleichen Grundwerte. Wir sollten auf Augenhöhe offen und demokratisch
diskutieren, wie wir als Grüne zu der gestaltenden Kraft unserer
Gesellschaft werden können.

Liebe Grüße,
Flora Petrik
Bundessprecherin der Jungen Grünen

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