- 31.01.2017, 11:39:19
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- OTS0092
Österreich ist Schlusslicht bei Bestbieterprinzip: Potenzial von öffentlichen Vergaben noch längst nicht ausgeschöpft

Wien (OTS) - 
 • „Verdeckte“ Billigbieterverfahren: Überdurchschnittlich hohe
 Gewichtung von Preis selbst bei Bestbieterverfahren
 • Unternehmen fordern gesetzliche Festschreibung von Mindestgrenzen 
 • Ausschreibungsvolumen der öffentlichen Hand beläuft sich auf 35,2
 Mrd. Euro
Seit rund einem Jahr ist die Novelle des Bundesvergaberechts in
 Kraft, die das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben rechtlich
 gesehen gestärkt hat. Das so genannte Bestbieterprinzip ist vom
 Gesetzgeber als Standardverfahren vorgesehen. Wie sich das Prinzip
 des „technisch-wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der
 Vergaberealität niederschlägt, hat nun eine vom Fachverband der
 Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und dem Fachverband
 Metalltechnische Industrie in Auftrag gegebene Studie des
 Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo analysiert.
Untersucht wurden rund 18.600 Vergaben im Oberschwellenbereich in den
 vergangenen sechs Jahren in Österreich. Im Schnitt beläuft sich das
 Ausschreibungsvolumen auf 35,2 Mrd. Euro oder zirka elf Prozent des
 BIP. Im Oberschwellenbereich wird etwas mehr als die Hälfte mittels
 Bestbieterprinzip vergeben – im europäischen Vergleich befindet sich
 Österreich damit im Mittelfeld. Bei genauerer Betrachtung wird
 allerdings deutlich, dass das Bestbieterprinzip, so wie es vom
 Gesetzgeber vorgesehen ist, deutlich zu kurz kommt.
„Die enorme Wirkungskraft der öffentlichen Beschaffung kann sich –
 wie die Wifo-Studie erstmals zeigt – derzeit zu wenig entfalten“,
 kritisiert Brigitte Ederer, FEEI-Präsidentin. „Trotz des Einsatzes
 von preisfremden Kriterien wie Qualität oder Nachhaltigkeit dominiert
 der Preis die Auswahl. Vielfach werden Bestbieterausschreibungen
 mithilfe von Feigenblattkriterien zu verdeckten
 Billigstbietervergaben. Diese österreichische Besonderheit sucht im
 europäischen Ländervergleich seinesgleichen.“
„Der vorhandene Spielraum in Bestbieterverfahren wird nicht genützt
 und wertvolle Hebelkraft für heimische Unternehmen wird vertan“,
 weist Christian Knill, Präsident des Fachverbands Metalltechnische
 Industrie hin. Das Bestbieterprinzip könnte aber ein effektives
 Instrument sein, um Innovation, Technologien und Wertschöpfung in
 Österreich zu stärken. „Was am Ende zählt, ist nicht nur der
 billigste Preis“, so Knill. „Der beste Bieter ist im Endeffekt der,
 der vielseitige, zukunftssichere Lösungen anbieten kann. Die
 öffentliche Hand muss dafür bei Investitionen als Lead User
 vorangehen und gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wichtige
 Impulse setzen.“
Jedes fünfte Verfahren gewichtet Preis über 95 Prozent
Konkret zeigt das Ergebnis der Wifo-Studie, dass bei 19 Prozent der
 Bestbietervergaben – also bei rund jedem fünften Verfahren – das
 Gewicht des Preises über 95 Prozent beträgt und damit das
 beherrschende Kriterium ist. Bei etwa einem Drittel (34 Prozent) hat
 der Preis immer noch 90 Prozent Gewicht.
Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder
 Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung
 des Preises herangezogen werden, werden in Österreich
 überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und
 haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.
Auffallend ist die hohe Gewichtung auch im Vergleich zu anderen
 europäischen Ländern, die in der Studie untersucht wurden: In keinem
 anderen untersuchten EU-Land ist die Preisgewichtung so stark und
 häufig ausgeprägt wie in Österreich.
Forderungen nach gesetzlicher Festschreibung von
 Mindestgrenzen
Um Österreich zu einem Vorzeigeland für Vergabeverfahren zu machen,
 fordern die Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie
 der Metalltechnischen Industrie eine gesetzliche Verankerung von
 mindestens zwei preisfremden Kriterien. „Um das Problem der so
 genannten Feigenblattkriterien zu verhindern, soll darüber hinaus
 eine Maximalgewichtung des Preises gesetzlich festgeschrieben werden,
 zum Beispiel 60 bis 80 Prozent“, so Knill.
Weiters ist es zielführend, Kataloge mit inhaltlich substantiierten
 Qualitätskriterien zu erstellen, um Auftraggebern und Beschaffern die
 Auswahl an preisfremden Kriterien zu erleichtern. Wesentlich für die
 Stärkung des Bestbieterprinzips ist auch die laufende Schulung der
 Personen und Entscheidungsträger in den ausschreibenden Stellen. Dies
 erfordert Ressourcen sowie fachliche und technische Kompetenz auf der
 Auftraggeberseite. Dies ist insbesondere bei komplexen Projekten der
 Fall.
Brigitte Ederer appelliert: „Um Chancen im wahrsten Sinne ‚vergeben‘
 zu können, möchten wir den Entscheidungsträgern Mut machen. Die
 öffentlichen Beschaffer sollen innovativen österreichischen
 Unternehmen die Chance geben, auch am Heimmarkt aktiv und erfolgreich
 zu sein!“
Über den FEEI
Der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie vertritt in
 Österreich die Interessen des zweitgrößten Industriezweigs mit rund
 300 Unternehmen, über 60.000 Beschäftigten und einem Produktionswert
 von 13,4 Milliarden Euro (Stand 2015). Gemeinsam mit seinen
 Netzwerkpartnern – dazu gehören u. a. die Fachhochschule Technikum
 Wien, UFH, die Plattform Industrie 4.0, Forum Mobilkommunikation
 (FMK), der Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT) und der
 Verband der Bahnindustrie – ist es das oberste Ziel des FEEI, die
 Position der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie im
 weltweit geführten Standortwettbewerb zu stärken. www.feei.at
Über die Metalltechnische Industrie
Die Metalltechnische Industrie ist Österreichs stärkste Branche. Über
 1.200 Unternehmen aus den Industriezweigen Maschinenbau, Anlagenbau,
 Stahlbau, Metallwaren und Gießerei bilden das Rückgrat der heimischen
 Industrie. Die exportorientierte Branche ist mittelständisch
 strukturiert, besteht zu mehr als 85 % aus Familienbetrieben und ist
 für ein Viertel aller österreichischen Exporte verantwortlich.
 Zahlreiche Betriebe sind Weltmarktführer und „Hidden Champions“.
Die Metalltechnische Industrie beschäftigt direkt rund 130.000
 Menschen und sichert damit indirekt an die 250.000 Arbeitsplätze in
 Österreich. Sie erwirtschaftete 2016 einen Produktionswert von rund
 35 Milliarden Euro.
Der Fachverband Metalltechnische Industrie, ein Zusammenschluss der
 ehemaligen Fachverbände Maschinen- und Metallwarenindustrie sowie
 Gießereiindustrie, zählt zu den größten Wirtschafts- und
 Arbeitgeberverbänden Österreichs und ist eine eigenständige
 Organisation im Rahmen der Wirtschaftskammer Österreich.
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