- 19.12.2016, 09:05:00
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Offener Brief von Greenpeace an Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
Wien (OTS) - Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr
Vizekanzler,
die Verhandlungen um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA haben die
großen Bedenken der österreichischen und europäischen Bevölkerung
bezüglich der aktuellen Freihandelspolitik der Europäischen Union
zutage gebracht. Nur durch den enormen Druck auf kritische
Politikerinnen und Politiker und gegen die deutliche Mehrheit der
Bürgerinnen und Bürger in Ländern wie Österreich oder Deutschland
konnte eine Einigung unter den 28 EU-Mitgliedsländern über CETA
herbeigeführt werden. Dank Ihres Einsatzes ist zwar gesichert, dass
CETA nicht nur im EU-Parlament, sondern auch in den nationalen
Parlamenten ratifiziert werden muss. Es ist jedoch zu befürchten,
dass im Zuge der Ratifizierung ein ebenso großer Druck auf die
Parlamente ausgeübt wird, gegen alle Bedenken grünes Licht für CETA
zu geben.
Der berechtigte und gut argumentierte Widerstand kritischer Kräfte
wurde von den Befürwortern eines uneingeschränkten globalen
Freihandels als Populismus und Panikmache abqualifiziert. Der
Zusammenhalt der EU wird zugunsten von Konzerninteressen gefährdet,
Umweltschutz und soziale Sicherheit werden immer stärker Opfer einer
neoliberalen Agenda. Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass die
Bevölkerung zunehmend das Vertrauen in die Europäische Union und ihre
Gremien verliert.
Nach dem CETA-Beschluss waren sich viele Akteure auf EU-Ebene und in
Österreich einig: Die EU muss jetzt die Lehren aus CETA ziehen.
Die österreichische Bundesregierung hat sich bereits festgelegt, TTIP
auf Basis des bestehenden Mandates keine Zustimmung zu erteilen.
Während TTIP derzeit auf Eis gelegt scheint, befinden sich jedoch
insgesamt 46 EU-Freihandelsabkommen in Vorbereitung, Verhandlung oder
Ratifizierung. Die Mandate der meisten dieser Abkommen werden geheim
gehalten, die Verhandlungen finden unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt und soweit bekannt ist, enthalten viele von
ihnen ähnliche Giftzähne wie TTIP und CETA.
Wir fordern Sie auf, sich für ein Moratorium für alle
Freihandelsabkommen einzusetzen, das solange aufrecht bleibt, bis
eine Einigung in der EU auf eine faire, transparente und ökologisch
orientierte Handelspolitik gelungen ist.
Außerdem fordern wir Sie auf, sofort dafür zu sorgen, dass
ausreichende Transparenz hergestellt wird und die Partizipation nicht
nur auf Konzerne und ihre Lobbys beschränkt bleibt.
Mit einer einheitlichen, fairen, umweltfreundlichen und
partizipativen Handelspolitik der EU könnte Handel breite Zustimmung
in der Bevölkerung erhalten.
Eine starke, stabile Europäische Union braucht das Vertrauen ihrer
Bürgerinnen und Bürger. Wir fordern Sie auf, dieses Vertrauen durch
Transparenz und den Einsatz für eine gerechte Handelspolitik
wiederherzustellen. Damit die Weichen dafür noch rechtzeitig vor der
Entscheidung zu CETA im EU-Parlament gestellt werden, dürfen wir Sie
bitten uns Ihre Antwort bis zum 9. Jänner 2017 zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Egit
Geschäftsführer Greenpeace CEE in Österreich
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