Wien (OTS) - Der Artikel „Gutachten fertig: Täter ist geistig
abnorm“, erschienen am 02.08.2016 auf „krone.at“, verstößt laut Senat
2 des Presserats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Im oben genannten Artikel werden zwei Kriminalfälle erwähnt, bei
denen die Täter als zurechnungsunfähig eingestuft worden sind. Im
Artikel heißt es, dass diese Täter „gut behandelt werden,
Therapiestunden genießen und sich nie für das verantworten müssen,
was sie verbrochen haben.“ Im Vorspann des Artikels wird angeführt,
dass den Tätern kein langer Prozess gemacht würde. Zudem ist im
Artikel von einem „Alibi-Prozess“ die Rede. Schließlich kommt auch
ein Opferanwalt zu Wort, der die Meinung vertritt, dass die
Angehörigen keine Chance auf ein faires Verfahren hätten.
Nach Auffassung des Senats vermittelt der Artikel den falschen
Eindruck, dass zurechnungsunfähige Straftäter Vorteile hätten und zu
Unrecht besser behandelt würden als zurechnungsfähige Täter. In einem
demokratischen Rechtsstaat entscheiden die Strafgerichte über die
Schuldfähigkeit anhand von Expertengutachten. Schuldunfähige Täter
werden im Falle ihrer Verurteilung in Anstalten für geistig abnorme
Rechtsbrecher untergebracht. Für den Senat ist es nicht
nachvollziehbar, weshalb diese anerkannten rechtlichen Prinzipien zu
einem „Alibi-Prozess“ oder einem unfairen Verfahren führen sollten.
Auch die Aussage, dass zurechnungsunfähigen Tätern kein langer
Prozess gemacht werde, stuft der Senat als falsch ein.
Der Artikel wird dem Anspruch auf Gewissenhaftigkeit und Korrektheit
in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten nicht gerecht und
verstößt somit gegen Punkt 2.1. des Ehrenkodex.
Der Senat forderte die Medieninhaberin von „krone.at“ auf, die
vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.
Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung eines Lesers
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führt der Senat 2 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren
aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der
Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.
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