- 10.11.2016, 17:59:20
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Nationalrat: Sozialthemen aus Oppositionssicht
Forderungen von Flüchtlingsintegration bis Arbeitsmarktsperre
Utl.: Forderungen von Flüchtlingsintegration bis Arbeitsmarktsperre =
Wien (PK) - Die Themen Sozialversicherung, Arbeitsmarktzugang,
Bildungskarenz und die Integration von Flüchtlingen prägten heute im
Nationalrat die sozialpolitische Debatte über Anträge von FPÖ und
NEOS. Die Forderungen wurden wie schon im Sozialausschuss auch im
Plenum von den meisten Abgeordneten abgelehnt.
Im Detail zielten die Oppositionsanträge auf Kostenwahrheit bzw.
Einsparungen bei den Sozialversicherungsträgern ab; zudem pocht die
FPÖ auf einen begrenzten Arbeitsmarktzugang für alle Nicht-
ÖsterreicherInnen. Die NEOS wollen einen treffsichereren Einsatz der
Bildungskarenz und regen an, das freiwillige Integrationsjahr für
Flüchtlinge auf die Gemeindeebene auszudehnen. Großes Anliegen ist
den Freiheitlichen schließlich die Personalpolitik des
Arbeitsmarktservice (AMS), speziell die transparente Besetzung des
Vorstands.
Sozialminister Alois Stöger verhehlte nicht die angespannte Situation
am Arbeitsmarkt; neben dem Anstieg an Arbeitsplätzen erhöhe sich auch
die Zahl der Arbeitssuchenden. Da Bildung und Qualifikation den
besten Schutz vor Arbeitslosigkeit darstellten, habe man bereits das
Fachkräftestipendium wiedereingeführt, die Ausbildungspflicht bis 18
beschlossen und die Möglichkeit der Bildungskarenz geschaffen. Zum
Arbeitskräftezuzug aus dem Ausland richtete Stöger der FPÖ aus,
dieser werde durch das Lohn- und Sozialdumpinggesetz stark reguliert.
Anhand eines genauen Kontrollplans überprüften die Behörden, ob
gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gezahlt wird. Auf
EU-Ebene müsse dieses Prinzip genauso durchgesetzt werden,
unterstrich der Minister, auch gegen den Widerstand einzelner Länder
aus Osteuropa.
FPÖ-Initiativen gegen Arbeitsmigration
Die Kosten der Zuwanderung will die FPÖ mittels Kassasturz in der
Sozialversicherung herausfinden (1747/A(E)). Durchleuchtet werden
sollen die jährlichen Transferzahlungen, die vom AMS bzw. aus Mitteln
der Arbeitslosenversicherung für EU-BürgerInnen,
Drittstaatsangehörige, Asylberechtigte und subsidiär
Schutzberechtigte an die Sozialversicherungsträger überwiesen werden.
Für Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) ist Kostenwahrheit hoch an der
Zeit, um herauszufinden, wie viel Geld eigentlich noch im System ist
- gerade angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit, von der immer
häufiger Personen mit Asylstatus betroffen seien. Kein gutes Haar an
der Integrationspolitik der letzten Jahre ließ FPÖ-Mandatar Peter
Wurm: Die Regierung verschweige offizielle Zahlen zu Arbeitsmarkt und
Asylberechtigten, kritisierte er und folgerte aus Daten der
Bundesländer, Österreich sei offensichtlich nicht im Stande,
Zuwanderer in den heimischen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Ausdrücklich gegen eine Aufschlüsselung der Bezugsberechtigten
verwehrten sich die Grünen, bevor der Nationalrat mit breiter
Mehrheit gegen den FPÖ-Antrag stimmte. Judith Schwentner (G) verwies
darauf, dass Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung von den
BezieherInnen vorab durch Einzahlungen erworben werden, also völlig
berechtigt seien. Menschen würden mit solchen Ideen
auseinanderdividiert, warnte sie. Die Freiheitlichen zögen schon seit
jeher über MigrantInnen her, zeigte sich Karl Öllinger (G) erbost,
die Aufnahme von Schutzsuchenden am Arbeitsmarkt scheitere vor allem
an dieser Geisteshaltung.
Einmal mehr machte die FPÖ überdies Druck für Zugangsbeschränkungen
zum österreichischen Arbeitsmarkt, auch für EU-BürgerInnen. Die
Nationalstaaten bräuchten mehr Spielraum für spezifische
Zugangsregeln bei der Arbeitsmigration, vor allem in wirtschaftlich
schwierigen Phasen, so Herbert Kickl (F) in seinem Antrag
(1742/A(E)). Gleichermaßen sollte die Entsendung von
ArbeitnehmerInnen durch ausländische Unternehmen nach Meinung der FPÖ
temporär begrenzt werden können, etwa im Baubereich oder im Bereich
der Montagetechnik (1505/A(E)). Lohn- und Sozialdumping werde durch
die Freizügigkeit in der Europäischen Union gefördert, ist Kickl
überzeugt, und gehe zu Lasten der Österreichischen ArbeitnehmerInnen.
Seine Parteikollegin Belakowitsch-Jenewein bekräftigte im
Nationalrat, der heimische Arbeitsmarkt werde durch billige
ausländische Arbeitskräfte überschwemmt. Das heimische Lohn- und
Sozialdumpinggesetzt wirke überhaupt nicht, daher brauche man wieder
Übergangsregelungen für den Arbeitsmarktzugang. Waltraud Dietrich (T)
bestätigte diese Sichtweise und beklagte außerdem die Bürokratie, mit
der österreichische Wirtschaftstreibende zu kämpfen hätten. Außer dem
Team Stronach konnten die Freiheitlichen aber keine Fraktion
überzeugen.
Europarechtswidrig nannte Johann Höfinger (V) den FPÖ-Antrag, Josef
Schellhorn (N) verurteilte die Herangehensweise der FPÖ als
Abschottungspolitik, die realitätsfern sei. Kaum ein österreichischer
Betrieb komme ohne ausländische MitarbeiterInnen aus. Eine Schließung
des Arbeitsmarktes nach außen hin und noch stärkere Kontrollen, nicht
zuletzt in Tourismusbetrieben, stünden einer Arbeitsmarktbelebung in
den Augen Gabriel Obernosterers (V) entgegen - eher müsse man dafür
sorgen, dass Menschen offene Stellen in den Regionen annehmen und so
den Bedarf abdecken. Walter Schopf (S) räumte allerdings ein, es gebe
fraglos Schwierigkeiten wegen der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der
EU. Anders als die FPÖ habe jedoch die Regierung als Lösungsansatz
das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz auf den Weg gebracht;
dieses Gesetz müsse nun ordentlich exekutiert werden, unter anderem
durch eine personelle Aufstockung der Finanzpolizei als zuständiges
Kontrollorgan. Anhand von Schaubildern präsentierte er exemplarisch
einen Fall von osteuropäischen Waldarbeitern der österreichischen
Bundesforste, die unter arbeitsrechtlich untragbaren Verhältnissen
tätig sein mussten.
Für die gesetzliche Festlegung eines Mindestlohns warb Katharina
Kucharowits (S) abseits der Debattengegenstände. Aktuelle
Entwicklungen, die prekäre Beschäftigungsverhältnisse fördern und die
Menschen in Österreich in die Armut treiben, müssten von der Politik
unterbunden werden.
NEOS-Appell für zielgerichteten Einsatz des Sozialbudgets
Nicht treffsicher eingesetzt wird nach Meinung der NEOS die
Bildungskarenz als Möglichkeit zur Höherqualifizierung von Personen,
die besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
(1317/A(E)). Studien zufolge nehmen überproportional viele
AkademikerInnen die Bildungskarenz in Anspruch, macht Sozialsprecher
Gerald Loacker (N) in seinem Antrag darauf aufmerksam, dass ältere
ArbeitnehmerInnen und bestimmte Branchen wie Handel oder Tourismus
unterrepräsentiert sind. Markus Vogl (S) gab dem Antragsteller zwar
Recht, vor allem Personen, die den Schritt in den Arbeitsmarkt
bereits geschafft haben, würden die Bildungskarenz nutzen. Sich
freiwillig zusätzliche Qualifikationen anzueignen und höhere
Abschlüsse zu erwerben, müsse aber ausnahmslos unterstützt werden.
August Wöginger (V) und Waltraud Dietrich (T) verwiesen genauso auf
die Bedeutung lebenslangen Lernens für alle Bevölkerungsgruppen. Zwar
hätten unqualifizierte Personen die schlechtesten Chancen am
Arbeitsmarkt, führte Gertrude Aubauer (V) aus, dennoch wollte sie dem
NEOS-Antrag nicht zustimmen. Eine Einschränkung der Bildungskarenz
diskriminiere nämlich automatisch bestimmte Gruppen, etwa aus
Altersgründen. Der Antrag wurde von der Plenumsmehrheit abgelehnt.
Ohne ausreichende Mehrheit blieb auch die NEOS-Forderung, die
Sozialversicherungsträger sollten ihr Finanzvermögen nicht länger in
beliebiger Höhe anhäufen können (1520/A(E)). Sozialsprecher Gerald
Loacker (N) will eine gesetzliche Deckelung sicherstellen, auch eine
Beitragssenkung kann er sich vorstellen. Derzeit seien die Strukturen
ineffizient, da verschiedene Sozialversicherungsträger Hunderte von
Millionen Euro bunkerten, sagte der NEOS-Mandatar. Auf den Plan
riefen diese Feststellung Erwin Spindelberger (S), der betonte, das
ASVG bzw. Regelungen des Hauptverbands beinhalteten klare Richtlinien
zur Vermögensanlage durch Sozialversicherungen. Gegen eine
Beitragskürzung spreche, dass etwa bei Grippewellen nicht mehr genug
Mittel für eine optimale Versorgung vorhanden sind, wenn keine
Rücklagen gebildet werden, bemerkte ÖVP-Mandatar Michael Hammer.
Dennoch bekannten er sich wie Wöginger zu einer Effizienzsteigerung
in diesem Bereich; so sollten Mehrfachversicherungen einzelner
Personen abgeschafft werden. Dieser Vorschlag rief wiederum Christoph
Hagen (T) zum Rednerpult, wo er erinnerte, er habe genau das schon
mehrmals beantragt - leider ohne Erfolg. Johann Höfinger (V) nutzte
die Gelegenheit, für eine Quartalserstattung der
Sozialversicherungsbeiträge von bäuerlichen Betrieben eine Lanze zu
brechen. Angesichts der Situation am Agrarmarkt würden LandwirtInnen
sonst finanziell vor dem Aus stehen.
Über die Zusammenlegung der Krankenkassen machte sich aus gegebenem
Anlass - Stichwort Krankenversicherung - Abgeordneter Marcus Franz
(o.F.) Gedanken und empfahl eine sachliche Diskussion darüber.
Leistungskürzungen zur Kostendämpfung seien aber nicht angeraten.
Ausweitung des Freiwilligengesetzes auf Gemeinden erhält Abfuhr
Ein Antrag der NEOS (1826/A(E)) veranlasste den Nationalrat dazu,
über die berufliche Integration von anerkannten Flüchtlingen zu
diskutieren, konkret über das neu geschaffene Freiwillige
Integrationsjahr. Abgeordneter Loacker plädiert dafür,
Asylberechtigte bei ihrer Freiwilligenarbeit auch in den Kommunen
einsetzen zu können. Sie würden dadurch langfristig und nachhaltig in
den Arbeitsmarkt integriert, ergänzte Nikolaus Scherak (N). Als
finanziellen Anreiz schlägt Loacker ein verpflichtendes Taschengeld
vor, das nicht auf die Mindestsicherung anzurechnen ist. Die
Ablehnung dieses Vorstoßes argumentierten August Wöginger (V) mit der
Überforderung von Kommunen, wenn sie zusätzliche Integrationsagenden
erhalten. Die Gemeinden leisteten jetzt schon im Rahmen des Möglichen
sehr gute Arbeit bei der Integration von Geflüchteten, dabei solle
man es belassen. Johann Hell (S) bewertete ebenfalls die vorhandenen
Rahmenbedingungen des Freiwillige Integrationsjahrs als ausreichend
und wandte sich gegen eine Gesetzesänderung. Der fraktionslose
Abgeordnete Gerhard Schmid meinte überhaupt, solange es nicht
gelinge, inländischen Arbeitslosen Jobs zu verschaffen, sollten keine
Fremden in den Arbeitsmarkt integriert werden.
AMS-Postenbesetzung wird von SPÖ verteidigt
Die bevorstehenden Neubesetzung des Zweier-Vorstands im
Arbeitsmarktservice (AMS) ist der FPÖ ein Dorn im Auge. Die
Freiheitlichen vermuten heimliche Absprachen im Vorfeld. Abgeordnete
Dagmar Belakowitsch-Jenewein forderte Sozialminister Alois Stöger
daher auf, seine Vorgaben an die Mitglieder der zuständigen
Entscheidungsgremien, insbesondere des Verwaltungsrats, gegenüber den
Abgeordneten offenzulegen (1743/A(E)). Immerhin sei der
Verwaltungsrat politisch besetzt. Die Vorstandsmitglieder würden
öffentlich ausgeschrieben und vom Verwaltungsrat ausschließlich
aufgrund der fachlichen Eignung der BewerberInnen bestellt,
skizzierte Dietmar Keck (S) das Prozedere bei AMS-Besetzungen,
wodurch er die Anschuldigungen der FPÖ widerlegt sieht. Die
Freiheitlichen würden mit ihrem Antrag einzig versuchen, den Minister
anzuschwärzen. Auch außerhalb der SPÖ fand die FPÖ-Abgeordnete im
Plenum nicht ausreichend UnterstützerInnen, der Antrag wurde
mehrheitlich abgelehnt. (Fortsetzung Nationalrat) rei
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