• 14.10.2016, 12:05:24
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  • OTS0111

Vermeintliche Sex-Attacke: Diskriminierung von Flüchtlingen auf „krone.at“

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit zwei
Artikeln zu einer vermeintlichen Sex-Attacke auf ein Mädchen in einem
Schwimmbad in OÖ. Der Artikel „13-Jährige in Freibad von Asylwerber
missbraucht“, erschienen am 23.06.2016 auf „krone.at“, verstößt nach
Ansicht des Senats gegen den Ehrenkodex für die österreichische
Presse, der Artikel „Sex-Attacke in Badekabine: 13-Jährige schrie
Täter in die Flucht“, erschienen am 23.06.2016 auf „heute.at“,
hingegen nicht.

Im Artikel auf „krone.at“ wird berichtet, dass ein Mädchen vermutlich
von einem Asylwerber sexuell missbraucht worden wäre. Das Mädchen
hätte den Täter als „südländischen Typen“ beschrieben. Laut
Informationen der „Krone“ befänden sich im nahen Umkreis mehrere
Asylheime, eines davon liege nur 50 Meter vom Freibad entfernt.

Im Artikel auf „heute.at“ wird über denselben Fall berichtet. Laut
Artikel habe ein Ausländer eine Jugendliche in der Umkleidekabine
sexuell missbrauchen wollen; das Opfer habe allerdings laut geschrien
und der Verdächtige sei davongerannt. Die Täterbeschreibung lasse auf
einen Mann mit Migrationshintergrund schließen.

Der Senat hält zunächst fest, dass sich später herausgestellt hat,
dass das betroffene Mädchen die Geschichte erfunden hat. Zum
Zeitpunkt des Erscheinens der Artikel ist dies jedoch noch nicht
bekannt gewesen und daher für die Beurteilung des Falles auch nicht
relevant.

Zum Artikel auf „krone.at“

Der Senat kritisiert, dass bereits im Titel des Artikels auf
„krone.at“ von einem Asylwerber die Rede ist, obwohl zum Zeitpunkt
des Verfassens des Artikels keineswegs klar war, ob es sich um einen
Asylwerber gehandelt habe. Im Text selbst wird berichtet, der Täter
wäre vermutlich ein Asylwerber, im Umkreis des Tatorts lägen mehrere
Asylheime. Das betroffene Mädchen hat jedoch gegenüber der Polizei
lediglich von einem „südländischen Typen“ gesprochen. Die
Schlussfolgerung, dass es sich deshalb um einen Asylwerber handle,
bewertet der Senat als spekulativ. In dieser Spekulation erkennt der
Senat eine Pauschalverunglimpfung und Pauschalverdächtigung von
Asylwerbern. Außerdem mangelt es an der erforderlichen Genauigkeit
der Recherche, wenn anhand des dürftigen Sachverhalts sogleich
spekuliert wird, der Täter wäre ein Asylwerber.

Zum Artikel auf „heute.at“

Im Artikel auf „heute.at“ wird von einem ausländischen Täter
berichtet. Die Täterbeschreibung lasse auf einen Mann mit
Migrationshintergrund schließen. Der Senat sieht darin noch keine
Pauschalverunglimpfung, fordert jedoch dazu auf, vorsichtig mit der
Zuschreibung „Migrationshintergrund“ umzugehen, vor allem wenn diese
nicht belegt ist, weil dadurch Vorurteile geschürt werden können.

Nach Meinung des Senats hätte in beiden Artikeln stärker betont
werden sollen, dass es sich bloß um eine Verdachtslage handle, die
auf den Aussagen des Mädchens beruhe. Dieser Umstand reicht
allerdings für sich alleine noch nicht aus, um beim Artikel auf
„heute.at“ einen Verstoß gegen den Ehrenkodex festzustellen. Auch die
Polizei ging damals noch von der Richtigkeit der Geschichte des
Mädchens aus.

Beim Artikel auf „krone.at“ stellt der Senat einen Verstoß gegen die
Punkte 2 (Genauigkeit) und 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfung und
Diskriminierung) des Ehrenkodex fest. Gegen die Medieninhaberin von
www.heute.at“ wird das Verfahren eingestellt.

Der Senat forderte die Medieninhaberin von „krone.at“ auf, die
vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führt der Senat 2 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren
aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberinnen von „heute.at“ und „krone.at“
haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen
Gebrauch gemacht.

Bisher haben sich die Medieninhaberinnen der Tageszeitung „Heute“ und
der „Kronen Zeitung“ der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht
unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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