• 29.09.2016, 17:37:06
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  • OTS0239

Löst oder verschärft Zuwanderung die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Österreich?

Paneldiskussion beim Bad Ischler Sozialpartnerdialog 2016 zu den volkswirtschaftlichen Effekten von Migration und Integration

Utl.: Paneldiskussion beim Bad Ischler Sozialpartnerdialog 2016 zu
den volkswirtschaftlichen Effekten von Migration und
Integration =

Wien (OTS/ÖGB) - „Derzeit gibt es Migrationsbewegungen, die wir gar
nicht beeinflussen können, und zudem ein Überangebot an
Arbeitskräften“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar beim Bad Ischler
Dialog der Sozialpartner im Panel „Volkswirtschaftliche Effekte“.
„Wir konnten die Flüchtlingsbewegung 2015 nicht steuern, aber wir
können die volkswirtschaftliche Herausforderung auch als Chance
begreifen. Ohne Zuwanderung würde Österreich schrumpfen. Das würde
für die Volkswirtschaft und für die sozialen Sicherungssysteme ein
großes Problem darstellen.“

„Wir haben uns nie eingestanden, dass Österreich ein Zuwanderungsland
ist, obwohl wir immer schon Arbeitskräfte aus anderen Ländern aktiv
nach Österreich geholt haben. Zum Beispiel haben wir heuer das 50.
Jubiläum des Anwerbeabkommens mit dem damaligen Jugoslawien
begangen“, erinnerte Foglar. In der derzeitigen Lage könne Österreich
aber nicht mehr allein tätig werden: „Wir brauchen
volkswirtschaftliche Antworten auf europäischer Ebene - das kann man
nicht nationalstaatlich lösen.“

Brown: Zuwanderung führt nicht zu Verdrängung auf dem
Arbeitsmarkt

Die große Bedeutung von Zuwanderung aus Drittstaaten betonte Alessio
Brown vom Zentrum für Bevölkerungs-, Entwicklungs- und
Arbeitsökonomie an der United Nations University (UNU-MERIT) in
Maastricht. Denn weder EU-Binnenmigration noch Migration von
Asylbewerbern sei ausreichend, um im globalen Wettbewerb um die
knappen Humanressourcen zu bestehen. Und, so Alessio weiter:
„Zuwanderung wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus.“ Es komme
zu keiner Verdrängung von Einheimischen durch zugewanderte
Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt, so Brown. Viel mehr steigen
Produktivität, Löhne und Kaufkraft.

Vehement plädierte der Experte dafür, Investitionen in Integration
und Bildung als „Zukunftseffekte, die sich auszahlen“, zu begreifen.
Was es jedenfalls aber brauche, sind neben einer fairen und
effektiven Verteilung von Flüchtlingen ein Profiling bei der
Erstaufnahme, beschleunigte Aufnahmeverfahren sowie ein
Einwanderungsgesetz mit transparenten Auswahlverfahren für Zuwanderer
aus Nicht-EU-Staaten. Ein solches würde sowohl ein Signal nach außen
als auch nach innen darstellen, hielt Brown fest.

Siegl: Zuwanderung muss von Qualifikation des Migranten
abhängen, nicht von der des Schleppers

„Österreich braucht Migration. Das ist mit Hausverstand aus der
Geburtenrate ableitbar“, sagte René Siegl (Austrian Business Agency).
Österreichs Wirtschaft lebe sehr stark vom Export, „da brauchen wir
auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel die
entsprechenden Sprachkenntnisse haben.“ Siegl selbst ist in der
Flüchtlingshilfe aktiv – was aber nichts an einer pessimistischen
Einschätzung der volkswirtschaftlichen Effekte der
Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre ändert: „Ich denke, dass
die Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres in der rein ökonomischen
Bilanz für Österreich negativ ausfallen wird.“ Die Qualifikationen
der Flüchtlinge seien zu niedrig, gleichzeitig würden die
Anforderungen der Unternehmen immer höher werden, Stichwort
Digitalisierung.

Positiv bewertet Siegl die letzte Novelle zum
Ausländerbeschäftigungsgesetz, das die gesteuerte Zuwanderung mittels
Rot-Weiß-Rot-Card auf Start Ups ausgeweitet habe. „Ich hätte mir aber
mehr Mut gewünscht bei selbstständigen Schlüsselkräften – für die
gibt es nach wie vor keine Rot-Weiß-Rot-Card“, so Siegl, der
zusammenfasste: „Wir brauchen Migration, aber sie muss mehr
qualifikationsabhängig sein. Die Zuwanderung muss von der
Qualifikation des Migranten abhängen, und nicht von der des
Schleppers.“

Janisch: Unternehmer in die Pflicht nehmen – Integration
funktioniert nicht automatisch

ÖBB-Betriebsrätin Olivia Janisch schätzt die Effekte der Zuwanderung
deutlich positiver ein – aber nicht automatisch: „Ich bin überzeugt,
dass es anders kommt, wenn man denkt, und wenn man handelt. Von
selbst wird kein Erfolg kommen.“ Die ÖBB würden mit gutem Beispiel
vorangehen: „Bei uns arbeiten Menschen 56 unterschiedlicher
Nationalitäten.“

Seit 2012 gebe es bei der ÖBB ein Lehrlingsprojekt für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge:„Sie bekommen eine Berufsausbildung, aber
auch Deutschkurse, und sie sind in einem Mentoring-Programm. Derzeit
sind in dem Programm 70 Jugendliche. Ganz wesentlich: Sie bekommen
die volle Lehrlingsentschädigung, die ihnen laut Kollektivvertrag
zusteht.“ Janisch appellierte: „Hier sind auch andere Firmen gefragt.
Die Unternehmen sind in der Pflicht und Verantwortung, hier innovativ
tätig zu sein.“

Groß: Asylberechtigte Menschen möglichst rasch an den
Arbeitsmarkt heranführen

Amelie Groß aus dem Bundesvorstand der Jungen Wirtschaft (JW) als
Vertreterin der Jungen Sozialpartner plädierte in ihren Ausführungen
dafür, asylberechtigte Menschen möglichst rasch an den Arbeitsmarkt
heranzuführen: „Die Menschen möchten einen Beitrag leisten“, zeigte
sie sich überzeugt. Momentan seien einige Voraussetzungen für den
Erhalt einer Rot-weiß-Rot Card in Österreich gerade am Anfang oftmals
noch schwer zu erfüllen, so Groß mit Verweis etwa auf
Sprachkenntnisse.

Weiters trat sie dafür ein, auch denjenigen Zuwanderern, die aktuell
schon in Österreich sind, „die Möglichkeit zu geben Unternehmen zu
gründen und Arbeitsplätze zu schaffen.“ Positive volkswirtschaftliche
Effekte von Migration und Integration seien allerdings nur dann zu
erreichen, wenn sich etwas ändere, meinte die Vertreterin der Jungen
Sozialpartner etwa mit Verweis auf die Anerkennung von Fähigkeiten
sowie der vorangegangenen Ausbildung in Österreich.

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