• 22.09.2016, 10:09:31
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  • OTS0051

Sterbehilfe: Vereinsgründungsverbot für „Letzte Hilfe“ landet vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Wien (OTS) - Nachdem im März dieses Jahres der Österreichische
Verfassungsgerichtshof (VfGH) das polizeiliche Gründungsverbot für
„Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“, dem ersten
Sterbehilfeverein Österreichs, für verfassungskonform erklärt hat,
liegt nun dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine
umfassende Beschwerde vor. Im Schriftsatz wird insbesondere der durch
die Untersagung der Vereinsgründung bewirkte Verstoß gegen Art. 11
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), nämlich das Recht
auf Vereinigungsfreiheit, bemängelt. In weiterer Folge wird aber auch
eine Verletzung des Rechts auf Privatleben gem. Art. 8 EMRK
beanstandet. Mittelbar richtet sich die Beschwerde auch gegen das
strafrechtliche Verbot der „Mitwirkung am Selbstmord“ (§78 StGB),
eine Bestimmung, die als undifferenziert und unsachlich betrachtet
wird. Eingebracht wurde die Beschwerde von Eytan Reif, dem Vorstand
der „Initiative Religion ist Privatsache“, der bereits im Februar
2014 gemeinsam mit dem im letzten Jahr überraschend verstorbenen
Astrophysiker Prof. Heinz Oberhummer, der Landespolizeidirektion Wien
die Vereinsgründung angezeigt hat. An das Verfahren schlossen sich 30
weitere Personen an.

Obwohl der EGMR in seiner Rechtsprechung bisher kein generelles Recht
auf Sterbehilfe anerkannt hat, zeigt sich Reif aus gleich mehreren
Gründen optimistisch: „In Anbetracht der undifferenzierten und
unsachlichen Regelung wird leicht ersichtlich, dass der
österreichische Gesetzgeber mit dieser Gesetzesnorm vordergründig der
Gesamtheit eine bestimmte Weltanschauung aufzwingen will. Diese
verhindert ein Sterben in Würde und ist zudem in der österreichischen
Bevölkerung längst nicht mehr mehrheitsfähig. Spätestens dann, wenn
Grundrechte, wie das persönliche Selbstbestimmungsrecht, die
Gewissensfreiheit und das Recht auf Vereinsbildung, ideologischen –
und insbesondere kirchlichen - Wertvorstellungen untergeordnet
werden, hat der EGMR einzugreifen“.
Das – auch vom VfGH – oft ins Spiel gebrachte Argument, wonach §78
StGB primär Missbrauch im Bereich Sterbehilfe verhindern soll, lässt
Reif nicht gelten: „liberale Sterbehilfegesetze, die einen
selbstbestimmten Tod ermöglichen und gleichzeitig Missbrauch so gut
wie ausschließen, zeichnen gerade Staaten aus, die einen hohen Grad
an Rechtsstaatlichkeit aufweisen und eine erstklassige medizinische
sowie soziale Versorgung anbieten. Wenn Feigheit oder Faulheit den
österreichischen Gesetzgeber daran hindern, die komplexe Thematik
Sterbehilfe sachlich zu regeln, müsse die Zivilgesellschaft das Recht
haben, sich entsprechend organisieren zu dürfen und Antworten zu
liefern. Bei Vorliegen eines entsprechenden gesetzlichen Rahmens,
würden aber meine Mitstreiter und ich auf die Gründung des Vereins
gerne verzichten!“. Rechtsanwalt Wolfgang Renzl, der die Beschwerde
verfasst hat, führt dazu aus: „Die aktuelle Gesetzeslage, die jede
Form der Sterbehilfe völlig undifferenziert kriminalisiert, greift in
die durch Art 8 EMRK konventionsrechtlich geschützte Privatsphäre der
Betroffenen ein. Die Kriminalisierung missachtet jeden
wissenschaftlichen, aufgeklärten Ansatz zu dem Thema, selbst den der
eigens dafür eingesetzten Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.
Sterbewillige haben ein Recht, ihrem - oftmals als Qual empfundenen -
Leben ein menschenwürdiges Ende zu setzen, auch wenn sie dabei auf
die Hilfe Dritter angewiesen sind. Für niemanden sollte ein
gesetzlicher Zwang bestehen, leben zu müssen.“

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