• 14.09.2016, 15:10:12
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Steuerschulden: Rechnungshof rät zu Risiko- und Förderungsmanagement

Von 2010 bis 2013 waren jährlich 478 Mio. € an Steuern uneinbringlich

Utl.: Von 2010 bis 2013 waren jährlich 478 Mio. € an Steuern
uneinbringlich =

Wien (PK) - Nach der Aussprache mit der neuen Rechnungshofpräsidentin
Margit Kraker startete der Rechnungshofausschuss mit der Debatte über
Prüfberichte zu finanzpolitischen Themen in die Herbstarbeit.
Zunächst stand ein Zielkonflikt zur Debatte, den der Rechnungshof
zwischen Grundsätzen der Verwaltungsökonomie und finanzieller
Vorsicht beim Löschen von Abgabenrückständen im Finanzressort ortete.
7,674 Mrd. € an vorgeschriebenen Abgaben waren von den
Steuerpflichtigen bis Ende 2013 nicht bezahlt worden, 4,128 Mrd. €
davon wertberichtigt. Auch unter den aufrecht gebliebenen Rückständen
vermutet der Rechnungshof viele Altfälle mit geringer
Einbringungswahrscheinlichkeit, wie im Prüfbericht III-245 d.B. zu
lesen steht, den der Ausschuss nach ausführlicher Debatte einstimmig
vertagte.

Besonders groß sei das Ausfallsrisiko bei der Umsatzsteuer, bei
Kleinbetrieben und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
schreiben die PrüferInnen. Fehlende Risikoinformationen, verspätete
Erhebungen und Außenprüfungen durch die Finanzbehörden rufen Kritik
im Rechnungshof hervor. Drohende Forderungsausfälle sollten
frühzeitig erkannt und Ausfallsrisiken so gering wie möglich gehalten
werden, rät der Rechnungshof. Ungenügende Zielvorgaben und Kennzahlen
im Finanzressort erlaubten es bei der Abgabensicherung derzeit nicht,
den Ressourceneinsatz bei der Einbringung zweckmäßig zu steuern,
heißt es im Prüfbericht.

Konkret empfiehlt der Rechnungshof die automatische Erfassung von
Löschungen in den Grunddaten, um diese beim Auftauchen neuer
Tatsachen (neue Einkünfte des Abgabepflichtigen, Vermögensvermehrung,
neue Informationen zum Aufenthaltsorts) widerrufen zu können. Auch in
den übrigen Fällen sollten die Finanzämter regelmäßig überprüfen, ob
die Voraussetzungen für den Widerruf dieser Löschungen vorliegen. Die
Finanzämter sollten in den Löschungsbescheiden die wirtschaftliche
Lage und die Vermögensverhältnisse der Abgabepflichtigen ausreichend
darstellen, um eine geänderte wirtschaftliche Lage im Falle eines
Widerrufs lückenlos beweisen zu können.

Besorgt wegen Abgabenrückstände in Milliardenhöhe, die bereits 10%
des Budgets ausmachten, zeigte sich Wolfgang Zanger (F) und forderte
ein besseres Risikomanagement. Bei gefährdeten Kleinbetrieben und
GmbH sollten Finanzämter und Gebietskrankenkassen aber nicht stur
sein, sondern über Stundungen und Ratenzahlungen hinaus
Entgegenkommen zeigen, denn es sei besser, 50% der Abgaben zu
bekommen als infolge einer Insolvenz gar nichts.

Hermann Gahr (V) hielt es für notwendig, das System beim Eintreiben
und beim Löschen von Abgabenrückständen zu verbessern. Interessiert
zeigte sich Gahr auch an einem neuen System für Risikoanalysen im
Finanzressort.

Überaus wichtig war das Thema auch Bruno Rossmann (G), der den
Zuwachs der Steuerrückstände auf 15% für erschreckend hielt.
Nachdenklich stimmten Rossmann zu wenige nachträgliche Kontrollen,
eine nicht ausreichende Darstellung der wirtschaftlichen Lage von
Abgabenschuldnern und die oft zu späten Anträge auf
Insolvenzverfahren durch die Finanzämter.

Zur Verminderung des Risikopotentials riet Karin Greiner (S) auf eine
gute technische Ausstattung der Datenbank über Löschungen bei den
Landesfinanzämtern.

Christoph Vavrik (N) registrierte ein Ansteigen der Steuerrückstände,
sah die Quote der Löschung von Abgabenansprüchen mit 0,6 bis 0,8%
aber weit unter der Ausfallsquote von Banken. Ein systematisches
Forderungsmanagement wäre gut, zugleich müsse man sich aber fragen,
was es bewirken könne, denn der Finanzminister könne sich seine
Steuerzahler ja nicht aussuchen.

Umsatzsteuerbetrug - Schelling hofft auf Reverse Charge-System

Finanzminister Hans Jörg Schelling führte die Steigerung der
Löschungsquote auf einzelne Großinsolvenzen zurück und erklärte das
späte Löschen von Abgabenrückständen damit, dass viele
uneinbringliche Abgabenansprüche erst nach dem Abschluss eines
Insolvenzverfahrens gelöscht werden können.

Große Bedeutung maß Schelling den Steuerausfällen bei der
Umsatzsteuer zu und gab seiner Hoffnung auf grünes Licht von der EU
beim Reverse Charge-System Ausdruck. Österreich könnte sich davon
Mehreinnahmen von 2,8 Mrd. € erwarten. Das Personal, das sich in den
Finanzämtern mit dem Eintreiben von Steuerrückständen beschäftigt,
wird aufgestockt, teilte der Minister mit und kündigte die Umsetzung
auch anderer Empfehlungen des Rechnungshofes an. Ein spezielles IT-
Programm zur besseren Einhebung von Abgabenrückständen werde derzeit
getestet. Insolvenzanträge seien oft nicht der richtige Weg, um
Abgaben einzutreiben, sagte der Minister. Moratorien, Ratenzahlungen
und andere Erleichterungen führten meist eher zum Ziel. Die
diesbezüglichen Entscheidungen seien aber jeweils von Fall zu Fall zu
treffen.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker empfahl dem Finanzminister
Maßnahmen, die der Löschung von Abgabenrückständen vorgelagert sind
und Löschungen vermeiden. Noch besser wäre es, das Entstehen von
Abgabenrückständen durch Risikomanagement zu verhindern.
Voraussetzung für den Widerruf von Löschungen seien Nachkontrollen
durch qualifiziertes Personal, sagte die RH-Präsidentin, die der
Personalausstattung eine zentrale Bedeutung bei der Abgabensicherung
beimaß.

Gemeinnützigkeit - Kraker für Wirkungsanalyse der Begünstigungen

Bei der Prüfung der Steuerbegünstigung gemeinnütziger Zwecke im
Finanzressort fehle es an Konzepten mit konkreten Zielen und
messbaren Kriterien sowie an systematischen Analysen zur Wirkung von
Steuerbefreiungen. Auch sei dem Finanzressort nicht bekannt gewesen,
wie hoch die Einnahmeausfälle infolge von Begünstigungen bei den
öffentlichen Haushalten waren, stellt der Rechnungshof (RH) in seinem
diesbezüglichen Prüfbericht (III-213 d.B.) fest. Kritik übten die
Prüfer auch an der Vorgangsweise bei der Erfassung steuerlich
relevanter Vereine. Die 189 gemeinnützigen Bauvereinigungen (2012)
seien steuerlich erfasst, die Beurteilung der Gemeinnützigkeit von
Bauvereinigungen finde aber ohne Wissens- oder Erfahrungsaustausch
der dafür zuständigen Landesregierungen und Abgabenbehörden statt,
kritisieren die PrüferInnen. Zu den Empfehlungen des Rechnungshofs
zählen klare Formulierungen in der Bundesabgabenordnung und im
Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sowie die Festlegung qualitativer und
quantitativer Ziele für die Gemeinnützigkeit mit messbaren
Indikatoren zur Beurteilung von Zielerreichung, Wirkungen,
Treffsicherheit und Notwendigkeit der Begünstigung. Die
Gemeinnützigkeit eines Vereins soll in den Grunddaten gekennzeichnet
werden. Bei der Neuaufnahmen von Vereinen sollte das Ressort
einheitlich vorgehen und auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen
gleichmäßiger Besteuerung und vertretbarem Verwaltungsaufwand achten,
betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. - Der Bericht wurde
einstimmig vertagt.

Auf klarere gesetzliche Grundlagen bei der steuerlichen Begünstigung
der Gemeinnützigkeit drängte Jessi Lintl (F) und unterstrich den
Vorschlag des Rechnungshofs auf Zusammenarbeit zwischen Finanzressort
und Landesregierungen bei Entscheidungen über gemeinnützige
Bauvereinigungen.

Die große Bedeutung gemeinnütziger Vereine in Österreich unterstrich
Johann Singer (V), der der "überbordenden" Forderungen entgegentrat,
Vereine steuerlich voll zu erfassen - das wäre eine bürokratische
Belastung.

Bruno Rossmann (G) brachte die bescheidenen Steuereinnahmen bei den
189 gemeinnützigen Bauvereinigungen zur Sprache und zeigte sich
verwundert darüber, wie wenig Interesse der Finanzminister daran
habe, den Wissensstand über Steuerausfälle infolge steuerlicher
Begünstigungen für gemeinnützige Vereine zu verbessern. Rossmann
verlangte, diese Steuerausfälle in den neuen Förderungsbericht
aufzunehmen. Zugleich kritisierte er eine unklare Begrifflichkeit
beim Thema Gemeinnützigkeit im Steuerrecht und wollte wissen, warum
es bei gemeinnützigen Bauvereinigungen und bei Vereinen an
Außenprüfungen mangle. Gemeinsam mit Abgeordneter Ruth Becher (S)
erkundigte sich Bruno Rossmann, welche Empfehlungen des
Rechnungshofes der Finanzminister bislang nachgekommen sei.

Christoph Vavrik (N) schloss sich Rossmann an und stellte
grundsätzlich fest, dass Steuererleichterungen für Gemeinnützige
berechtigt seien, massiv Förderungen an die Vereine zu verteilen,
lehne er aber ab.

Schelling gegen steuerliche Erfassung gemeinnütziger Vereine

Finanzminister Hans Jörg Schelling teilte mit, dass sein Ressorts an
der Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Jahr 2014
arbeite. Geringe Mehrwertsteuereinnahmen bei Gemeinnützigen
Bauvereinigungen führte Schelling darauf zurück, dass der
Mehrwertsteuersatz für Mieten nicht 20%, sondern 10% ausmache.

Er sei an mehr Wissen interessiert, sagte der Finanzminister. Wissen
über die Kosten der Steuererleichterungen bei gemeinnützigen Vereinen
würde dort aber umfassende Steuererklärungen voraussetzen. Das lasse
die Frage nach dem bürokratischer Aufwand stellen. "Welche Schlüsse
könnte man aus den so gewonnenen Erkenntnissen ziehen", fragte
Schelling weiter, denn das Ziel dieser Begünstigungen sei es,
privates Engagement für das Gemeinwohl zu fördern. Die Erfassung der
Gemeinnützigkeit in den Grunddaten werde ebenso umgesetzt wie die
Zusammenarbeit der Finanzämter und der Landesregierungen, die schon
bisher bestand, wie Schelling festhielt, nunmehr institutionalisiert.

Gabriela Moser (G) interessierte sich für unbürokratische
Möglichkeiten, die Steuerausfälle infolge der Förderung der
Gemeinnützigkeit zu erheben.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker hielt fest, dass der Bericht
des Rechnungshofes nicht gegen gemeinnützige Vereinigungen gerichtet
sei, die anerkanntermaßen wichtige Aufgaben für das Gemeinwohl
leisten. Sie halte es aber notwendig, klare Ziele bei steuerlichen
Erleichterungen vorzugeben, den Begriff Gemeinnützigkeit präzise zu
definieren und eine Evaluierung durchzuführen, um zu erkennen, ob die
Ziele erreicht werden, die man sich bei der Begünstigung
Gemeinnütziger Vereinigungen setzt. Außerdem gehe es um eine
gleichmäßige Besteuerung sowie um den ständigen Kontakt zwischen
Finanzämtern und Landesregierungen beim Thema Gemeinnützige
Wohnbauvereinigungen.

Den Vorschlag von Gerald Hauser (F), etwa Feuerwehren bei der
Anschaffung von Geräten von der Mehrwertsteuer zu befreien,
problematisierte Finanzminister Hans Jörg Schelling mit dem Hinweis
auf Vorschriften aus der Mehrwertsteuerrichtlinie. Teilweise erhalten
die Feuerwehren die Mehrwertsteuer über den Finanzausgleich zurück,
sagte der Finanzminister. (Schluss) fru

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