• 13.09.2016, 18:50:07
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Arbeitsmigration: Blaue Karte light soll Weg in EU ebnen

EU-Ausschuss des Bundesrats hegt Bedenken über unionsweite Harmonisierung von Zulassungsbestimmungen für Hochqualifizierte

Utl.: EU-Ausschuss des Bundesrats hegt Bedenken über unionsweite
Harmonisierung von Zulassungsbestimmungen für
Hochqualifizierte =

Wien (PK) - Die EU braucht Fachkräfte. Hochqualifizierten Personen
aus Ländern außerhalb der Union soll daher die Arbeitsmigration
erleichtert werden: Mit diesem Vorsatz haben EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und sein Team im laufenden Arbeitsprogramm die
Überarbeitung der Blauen Karte angekündigt, die Drittstaatangehörige
zu Aufenthalt und Arbeit in der Europäischen Union berechtigt.
Angesichts des demografischen Wandels könne Europa seinen
Arbeitskraftbedarf sonst nicht decken, so die Befürchtung, denn die
Migration in die EU erfolge derzeit vor allem im Zusammenhang mit der
Schutzbedürftigkeit von Personen.

Die vor sieben Jahren analog zur Green Card der USA geschaffene Blue
Card der EU hatte zum Ziel, als einheitliche unionsweite Regelung im
Rahmen einer erfolgreichen Migrationssteuerung für Hochqualifizierte
praktikable legale Wege nach Europa zu bieten. Konterkariert wird
dieses Konzept nach Meinung der Kommission durch die Vielzahl
zusätzlicher nationaler Regelungen mit restriktiven
Zulassungsbedingungen, die es deswegen abzuschaffen gelte.

Kritik an einheitlichem Arbeitsmarktzugang

Im heutigen EU-Ausschuss des Bundesrats stieß die Ankündigung einer
EU-weiten Harmonisierung von Zuwanderungsregelungen zwar vor allem
bei der FPÖ auf Ablehnung, da man nach den Worten von Monika
Mühlwerth (F/W) vor allem danach trachten sollte, "die eigenen Leute
zu halten", die teuer ausgebildet worden seien. Der aktuelle
Richtlinienvorschlag zu "Bedingungen für die Einreise und den
Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassende
Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung" veranlasste aber auch
SPÖ und ÖVP zu einer kritischen Mitteilung an die Europäische
Kommission. Wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) ausführte,
gebe es große Bedenken bei einer Harmonisierung der
Zulassungsbestimmungen auf Kosten nationaler Regelungen; schon aus
Subsidiaritätsgründen, da nationale Systeme wie die Rot-Weiß-Rot-
Karte besser funktionierten als die Blaue Karte der EU, ergänzte
Stefan Schennach (S/W).

Die Grünen schließlich erwarten sich von der Politik vermehrt
Maßnahmen, um Österreich für Hochqualifizierte attraktiver zu machen.
Ungeachtet dessen sei eine stärkere Abstimmung zwischen
Mitgliedsstaaten in diesem Bereich zu befürworten, so Heidelinde
Reiter (G/S).

Problem: Fachkräftemangel in der EU

Die 2009 verabschiedete Richtlinie zur "Blauen Karte EU" sollte die
Zulassung und Mobilität hochqualifizierter ArbeitnehmerInnen aus
Drittstaaten und ihrer Familienangehörigen erleichtern. Das Bestreben
war, durch harmonisierte Einreise- und Aufenthaltsbedingungen und der
Festlegung bestimmter Rechte für diese Personengruppe dem Mangel an
entsprechend qualifizierten Arbeitskräften beizukommen und so
Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum der EU zu stärken.
Nach Einschätzung der Europäischen Kommission reicht die Blaue Karte
in ihrer jetzigen Form aber nicht aus, um durch gesteuerte
Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte die gegenwärtigen und
künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Immerhin seien von den
MigrantInnen, die ein EU-Zielland wählen, 48% gering und nur 31% gut
ausgebildet.

Genaue Angaben zur Zahl hochqualifizierter Zuwanderer in die EU, wie
sie Christoph Längle (F/V) einforderte, seien derzeit nicht bekannt,
meinte ein Experte des Innenministeriums im Ausschuss. Ähnlich wenig
könne darüber gesagt werden, ob der Fachkräftemangel in den diversen
EU-Ländern in gleichartigen Bereichen vorhanden ist, da die
Anforderungen für bestimmte Qualifikationen noch sehr unterschiedlich
seien, erfuhr Ingrid Winkler (S/N). Laut EU-Kommission kämpft die
europäische Wirtschaft bereits mit strukturellen
Qualifikationsdefiziten und Missverhältnissen zwischen dem
Arbeitskräftebedarf und dem Arbeitskräfteangebot besonders in
Schlüsselbereichen wie den Informationstechnologien, dem
Gesundheitswesen oder im Ingenieurbereich kämpfe Wachstum,
Produktivität und Innovation würden darunter leiden und kleineren
Mitgliedsstaaten falle es sehr schwer, im internationalen Wettbewerb
um beruflich qualifizierte Fachkräfte zu bestehen. Schulungs- und
Höherqualifizierungsmaßnahmen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit
könnten den Bedarf nicht vollständig und keinesfalls sofort decken,
heißt es in den Erklärungen der Kommission für ihren Vorschlag,
aufbauend auf dem bestehenden Modell weitere Erleichterungen
einzuführen.

Erleichterungen zum Blue Card-Erwerb

Drei Jahre ununterbrochener Aufenthalt - statt bisher fünf Jahre -
sollten dem Richtlinienentwurf zufolge künftig ausreichen, um die
Rechtsstellung als InhaberIn einer Blauen Karte erwerben zu können.
Diese Änderung sehe man sehr kritisch, zumal dies den geltenden
Bestimmungen der Daueraufenthalts-Richtlinie widerspreche, erläuterte
der Vertreter des Innenministeriums. Ebenso sei das Vorhaben der
Kommission, das System auf hochqualifizierte Asylberechtigte
auszudehnen, problematisch, da die Verbindung zwischen Asyl und
qualifizierter Zuwanderung Österreich vermehrt zu einem Zielland für
MigrantInnen machen könne. Grundsätzlich halte man zwar Bestrebungen
zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Union für positiv, der
Zuzug Hochqualifizierter sei aber tunlichst nur mit Maß und Ziel zu
fördern. Das Verbot paralleler nationaler Zulassungssysteme sei
völlig abzulehnen, geht es nach dem BMI, da so nicht mehr flexibel
auf Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt reagiert werden könne.

Weitere von Brüssel geplante Erleichterungen zum Erwerb einer Blauen
Karte sind die Senkung der Einkommensschwelle sowie der
Mindestlaufzeit eines Arbeitsvertrags von 12 auf 6 Monate,
vereinfachte und verkürzte Verfahren zur Anerkennung von
Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung sowie die Möglichkeit, in
begrenztem Maß freiberuflich bzw. eine Zeitlang im EU-Ausland tätig
zu sein.

Zugesichert wird den Mitgliedsstaaten von der Kommission, auch im
Falle einer stärker harmonisierten EU-weiten Regelung und der
Abschaffung der parallelen innerstaatlichen Regelungen die
Zuständigkeit für bestimmte Aspekte beizubehalten. Dazu gehören laut
Entwurf unter anderem das im Vertrag verankerte Vorrecht, die
zulässige Zahl an ArbeitsmigrantInnen, die aus Drittstaaten
einreisen, festzulegen, und die Kontrolle über das Lohnniveau.
Erlaubt werden zudem Arbeitsmarktprüfungen in Bereichen, die von
hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind, ehe eine
Beschäftigungsbewilligung erteilt wird.

Aufenthaltstitel: Einheitliche Kartenform soll Betrug verhindern

Vereinheitlicht werden soll überdies das äußere Erscheinungsbild von
Aufenthaltskarten für Drittstaatenangehörige. Im diesbezüglichen
Verordnungsvorschlag der EU-Kommission heißt es, in den letzten
Jahren hätten sich in den Mitgliedsstaaten große Unterschiede bei der
Ausgestaltung der Aufenthaltstitel ergeben, vor allem aufgrund
zusätzlich angefügter Sicherheitsmerkmale. Durch einheitliches Design
und Kartenformat sowie dieselben Sicherheitsmerkmale und
Personalisierungstechniken will man nunmehr die Karten besser gegen
Betrug absichern. So müssen Grundsicherheitsmerkmale von allem
Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Dennoch will die Kommission fakultative Sicherheitsmerkmale weiterhin
zulassen. Wie genau diese auszuführen sind, will die Kommission in
einem künftigen Durchführungsbeschluss festlegen. Gebilligt werden
auch in einigen Ländern verbreitete Kontaktchips auf den Karten für
elektronische Behördendienste, obwohl diese zu einer gewissen
Uneinheitlichkeit des Formats führen.
Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Aufenthaltstitelkarten
werden vom Innenministerium ausdrücklich begrüßt, zumal Österreich
bei den Vorarbeiten zur Schaffung des neuen Aufenthaltstitels im
Scheckkartenformat aktiv mitgewirkt habe, wie der Vertreter des
zuständigen Innenressorts im Ausschuss sagte. (Fortsetzung EU-
Ausschuss) rei

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