• 13.09.2016, 18:18:50
  • /
  • OTS0203 OTW0203

OÖNachrichten-Leitartikel: "Der beste Klebstoff für die Demokratie", von Christoph Kotanko

Ausgabe vom 14. September 2016

Utl.: Ausgabe vom 14. September 2016 =

Linz (OTS) - Norbert Hofer hat recht. Befragt zum Schlamassel bei der
Stichwahl, sagte er, in der Privatwirtschaft wären die
Verantwortlichen davongejagt worden.
In der heimischen Politik wird ein bisschen nachjustiert, das
Parlament macht rasch ein Gesetz, im Übrigen gilt: „Wer den Schaden
hat, hat den Spott“ (Innenminister Sobotka).
Mit milder Frotzelei ist es aber nicht getan. Manche Medien rufen
gleich das Ende der Republik aus; die Demokratie sei gefährdet, von
„ernsthaften Auflösungserscheinungen“ wird geschrieben und von einem
Land „unter Bananenrepublik-Verdacht“.
Das ist Unsinn, am Rande der Hysterie.
„Solche Pannen kommen in westlichen, reifen Demokratien selten vor“,
meint die FAZ, aber: „Wenn sie vorkommen, geht die Welt nicht unter.“
Dazu passt auch Van der Bellens Bitte, „die Kirche im Dorf zu
lassen“.
Kennzeichnend für österreichische Debatten ist, dass man mit aller
Hingabe die Nebenfragen diskutiert und die Hauptfragen nicht anrührt.
Die Lebensfragen des Landes zu erörtern und tragfähige Lösungen zu
finden, wäre der beste Klebstoff für die Demokratie.
Österreichs Realverfassung fußt bis heute auf der Nachkriegsordnung
von 1945. Es gibt den ordnungspolitischen Überbau (SP, VP,
Sozialpartner), ein institutionelles Gerüst (Parlament, Landtage,
Stiftungsräte etc.) und die geduldigen Steuer- bzw. Beitragszahler.
Dieses System hat Verdienste, doch es ist teuer und ineffizient. So
lange es hohe Wachstumsraten und entsprechend viel zu verteilen gab,
fiel das nicht auf.
Die Wirtschaftskrise entblößt die Mängel.
Österreich steht in der Welt immer noch relativ gut da, es reichte in
internationalen Rankings bisher für Rang 10 bis 15. Doch das Idyll
ist aus mehreren Gründen bedroht.
Die Kernfragen: Wie organisieren wir unser Gemeinwesen in der (nahen)
digitalen Zukunft? Wie können sich die Unternehmen im rasanten Wandel
behaupten? Wovon werden die Menschen leben, wenn ihre klassischen
Tätigkeiten nicht nachgefragt werden?
„Die Arbeit, sie erhält – die Arbeit, sie bewegt die Welt“ heißt es
in der ehrwürdigen Hymne der Sozialdemokratie. Das wird ein
nostalgischer Abgesang, falls Politik, Wirtschaft, Wissenschaft die
Kurve nicht kriegen.
Das Etikett für dieses Projekt ist egal, man nenne es „new deal“ oder
sonst wie.
Entscheidend ist, die Parallelwelt der Kleber- und Kuvertdebatten
rasch zu verlassen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PON

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel