• 24.08.2016, 21:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 25. August 2016 von Peter Nindler - Die Stunde null für die Bauern

Innsbruck (OTS) - Die Politik ist in der Landwirtschaftskrise mit
ihrem Latein am Ende und verschafft sich nur noch mit fragwürdigen
Lieferverzichtsprämien Luft. Und die Bauern haben für das notwendige
Umdenken und Innovation kein Geld mehr.

Von Peter Nindler
Da gibt es nichts mehr zu beschönigen: Die Schieflage der
Landwirtschaft kann die Politik nicht mehr geradereden. Spricht
insbesondere Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) von
Innovation und neuen Exportmärkten als Chance, um bessere
Produktpreise zu erzielen, so funktioniert weder das eine noch das
andere. Viele Bauern können nur noch zu 100 Prozent auf Pump
investieren, und Tiroler Käse in Amerika oder China ist etwas für die
Tourismusgalerie – aber in der Wertschöpfungskette vernachlässigbar.
Unabhängig von den politischen Diskussionen, ob es den
Landeskulturfonds als Hebel für die Unterstützung der Bauern in Tirol
benötigt oder nicht: Seine Investitionskredite in der Landwirtschaft
sind ein Abbild der Krise.
Die Liquidität bei den Bauern ist angespannt und die
Eigenkapitaldecke wird immer dünner. Gemessen an den
Agrarinvestitionskrediten von 18,3 Mio. Euro entfallen nur noch 13
Prozent auf das Oberland und das Außerfern. Die Stundungsanträge für
Rückzahlungen nehmen zu, in Reutte leidet bereits die
Kulturlandwirtschaft, weil die Bewirtschaftung nicht mehr
flächendeckend erfolgt. Die rund 120 Fördermillionen können den
Abwärtstrend in der kleinstrukturierten Landwirtschaft nicht stoppen.
Das Grundproblem: Die Kosten, auch für Stallumbauten, Infrastruktur
und Erneuerung, steigen, während die Erzeugerpreise sinken.
Neidvoll blicken die Landwirte deshalb nach Südtirol, und den
Wipptaler Bauern kann man nur gratulieren: Sie erhalten von der
Sterzinger Molkerei für konventionelle Milch 50 Cent, die Tirol Milch
zahlt nur noch 27,3 Cent. Trotz des europäischen Milchsees ist die
Krise auch hausgemacht. Tirols Bauern produzieren Top-Qualität, aber
Vermarktung und Wertschöpfungskette halten nicht mit. Allein das Ende
für die Tirol Milch als selbstständige Molkerei spricht Bände. Davon
hat sich die Landwirtschaft bis heute nicht erholt. Das
Agrarmarketing in allen Ehren, den Bauern fehlt einfach ein
Leitbetrieb für Vermarktung und Verkauf.
Was aber noch schwerer wiegt: Für die teils kostenintensiven
Umstellungsprozesse auf die preislich interessantere Bio-Schiene oder
ein breiteres Angebotsspektrum („Drehscheibe Bauernhof“) fehlt den
Landwirten inzwischen das Geld. Die Nebenerwerbslandwirte fragen sich
deshalb, warum sie sich das alles noch antun sollen, die
Vollerwerbsbetriebe leben nur noch von der Substanz. Aber solange die
Politik in der für die Bauern schon längst angebrochenen Stunde null
Lieferverzichtsprämien für Milch ausschüttet, ist auch sie bereits
mit ihrem Latein am Ende.

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