PsychologInnenverband fordert rasche Hilfe bei Traumatisierungen
Utl.: PsychologInnenverband fordert rasche Hilfe bei
Traumatisierungen =
Wien (OTS) - Nizza, Würzburg, München, Ansbach,
Saint-Étienne-de-Rouvray, Japan und dazwischen Istanbul und Brexit:
Die Meldungen in den Medien zu Terror, Amok und politischer
Instabilität haben sich in den letzten Tagen überschlagen.
Mit belastenden Ereignissen konfrontiert zu sein, führt zu
Verunsicherung und Angst und kann in der Folge zum psychischen
Problem werden. Viele Menschen entwickeln nach traumatischen
Erlebnissen eine akute Belastungsreaktion. „Dies ist eine normale
Reaktion auf eine unnormale Situation. Im Allgemeinen legt sich eine
akute Belastungsreaktion nach einigen Tagen von selbst, wenn sich die
Situation bessert. Bleibt sie jedoch über Monate aufrecht, obwohl das
belastende Ereignis vorbei ist, kann sie sich zu einer
posttraumatischen Belastungsstörung mit allen negativen Folgen
entwickeln“, so Dr.in Sandra M. Lettner, Präsidentin des
Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP).
Aber nicht nur Personen, die direkt Zeugen eines traumatischen
Erlebnisses wurden, sind betroffen. "Man muss nicht dabei gewesen
sein, um von einem Ereignis betroffen zu sein", erklärt Lettner. „Die
Traumapsychologie bezeichnet dies als sekundäre Traumatisierung.
Diese kann auch auftreten, wenn Menschen über traumatisierende
Situationen berichten. Somit sind nicht nur Angehörige der Opfer,
sondern auch deren professionelle Helfer wie Rettung, Polizei oder
Dolmetscher betroffen.“ Zudem besteht die Möglichkeit einer
Retraumatisierung von Personen, die bereits ein Trauma erleben
mussten, und mit detaillierten Schilderungen eines belastenden
Ereignisses konfrontiert werden. Diese erleben häufig Flashbacks,
also ein plötzliches Wiedererleben deren eigener traumatisierender
Situation mit den damit verbundenen Angst- oder gar Panikzuständen.
Psychologische Hilfe bei Traumatisierung:
Oberste Priorität hat die Etablierung von Sicherheit und Stabilität.
In Fällen von Amok und Terror sind hier die staatlichen Institutionen
gefordert, Ruhe in die Situation zu bringen und zu signalisieren,
dass sie handeln und alles tun, um die Situation unter Kontrolle zu
bringen.
Auf individueller Ebene hilft es, das persönliche Kontrollerleben zu
fördern. „Traumatisierende Situationen zeichnen sich dadurch aus,
dass eine Kontrolle der Situation nicht möglich ist. Daher hilft
alles, was zur Wiedererlangung der persönlichen Kontrolle führt, und
seien es noch so kleine Entscheidungen, wie jene, welche Schuhe man
anzieht.“, erklärt Lettner.
Auch die Information – im Sinne einer Psychoedukation – über den
Umstand, dass die psychische Belastung eine normale Reaktion ist,
entlastet. Die Aktivierung eines Helfersystems, also von Familie,
Freunden, PsychologInnen, das sich um den/die Betroffene/n kümmert
und im Alltag unterstützt, ist ein weiterer Schritt zur Überwindung
von akuten Belastungsreaktionen. Die Entlastung durch Gespräche ist
wesentlich. "Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es im Volksmund.
Das stimmt auch in psychologischer Hinsicht", sagt Lettner. Um ein
tragisches Ereignis zu bearbeiten, kann auch ein gemeinsames
Trauerritual hilfreich sein.
Stellt sich nach mehreren Wochen keine Verbesserung der psychischen
Situation ein, so ist eine Traumabehandlung bei einer/m Klinischen
PsychologIn unbedingt notwendig.
Traumatisierungen verhindern Integration:
Nicht vergessen darf man, dass nicht nur die hiesige Bevölkerung
durch die oben genannten Situationen traumatisiert werden kann,
sondern dass auch viele Flüchtlinge und AsylwerberInnen von
Traumatisierungen betroffen sind: 50% der Menschen, die aus
Kriegsgebieten flüchten, sind traumatisiert. Das zeigen
wissenschaftliche epidemiologische Untersuchungen.
Hier muss psychologische Hilfe und klinisch-psychologische Behandlung
angeboten werden, um Traumafolgestörungen wie Depressionen,
Angststörungen, Suchterkrankungen oder erhöhtes Aggressionsniveau zu
verhindern oder zu mildern und dadurch Integration überhaupt erst zu
ermöglichen. Gleichzeitig wird dadurch einer Radikalisierung der
Nährboden entzogen.
BÖP hilft: Psychnet.at und kostenlose Helpline 01/504 8000:
Der PsychologInnenverband kann kurzfristig flächendeckend
PsychologInnen bereitstellen, die in Traumapsychologie qualifiziert
sind. Zusätzlich bietet der BÖP mit seiner kostenlosen Helpline
01/504 8000 niederschwellige und anonyme Telefonberatung an, wenn
sich Menschen aufgrund der aktuellen Ereignisse verunsichert oder
belastet fühlen. Über die Website www.psychnet.at des BÖP ist die
schnelle Suche nach kompetenten PsychologInnen jederzeit möglich.
Auch das Fortbildungsinstitut des PsychologInnenverbandes, die
Österreichische Akademie für Psychologie (ÖAP), bietet Seminare und
Supervision für FlüchtlingsbetreuerInnen und Lehrkräfte zum Umgang
mit traumatisierten Personen an. www.oeap.or.at
Schnelle und kostenlose Behandlung durch Klinische PsychologInnen
gefordert:
Angesichts der hohen Zahl an Menschen, die psychologische Begleitung
und Behandlung benötigen und der langen Wartezeiten bei
Psychotherapie auf Krankenschein, fordert der BÖP seit langem die
Aufnahme der klinisch-psychologischen Behandlung als
Krankenkassenleistung.
Wissend um die langfristigen Folgen von psychischen Erkrankungen und
den damit verbunden hohen Folgekosten durch Arbeitslosigkeit,
körperliche Erkrankungen, etc. ist eine Erweiterung der psychischen
Hilfsangebote um die klinisch-psychologische Behandlung dringend
notwendig.
Der BÖP ist die größte Interessensvertretung und vertritt mit rund
5.300 PsychologInnen in Österreich die Hälfte der aktuell rund 10.100
Klinischen PsychologInnen, die in der Berufsliste des
Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) eingetragen sind.
Die BÖP-Fachsektion Traumapsychologie beschäftigt sich mit den
Folgeerkrankungen, die durch Einwirkung traumatisierender Ereignisse
entstehen können, beispielsweise Gewalt, Krieg, Vertreibung, Folter,
Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung
u.v.m. Auch Naturkatastrophen wie Lawinen, Erdbeben, Tsunami etc.
können Traumafolgeerkrankungen nach sich ziehen.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PSY