- 21.07.2016, 09:53:19
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MRT/CT-Untersuchungen: Fehlversorgung in Österreich
WGKK-Obfrau Ingrid Reischl: “Termine nach Dringlichkeit staffeln, Untersuchungen zielgerichteter anwenden“
Utl.: WGKK-Obfrau Ingrid Reischl: “Termine nach Dringlichkeit
staffeln, Untersuchungen zielgerichteter anwenden“ =
Wien (OTS) - „Ständig mehr MRT- und CT-Untersuchungen anzubieten kann
sicher nicht die Lösung für das Problem zu langer Wartezeiten sein“.
Ingrid Reischl, Obfrau der WGKK und Vorsitzende der Trägerkonferenz
des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, findet klare Worte,
wenn es um die jüngsten Diskussionen rund um den vermeintlichen
Engpass bei Terminen für CT und MRT geht. Denn: Die Fakten zeigen,
dass von Unterversorgung hierzulande keine Rede sein kann. Im
Gegenteil.
In Österreich kamen im Jahr 2014 auf eine Million Einwohner 19,7
MR-Geräte. Ein Spitzenwert, wie der internationale Vergleich zeigt.
In Frankreich waren es laut OECD-Daten 10,9 Geräte, in Holland 12,9
Geräte pro einer Million Menschen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Inanspruchnahme dieser
bildgebenden Verfahren: Mit fast 120 jährlichen MRT-Untersuchungen
pro 1.000 Einwohner führte Österreich die Statistik der OECD Länder
vor wenigen Jahren deutlich an.
Untersuchungen oft unangebracht
Fazit: „Wir haben in Österreich ganz offensichtlich eine
Fehlversorgung in Form eines übermäßigen und unangemessenen Einsatzes
dieser Technologie. Zumal sich zeigt, dass die Menschen dadurch –
leider - nicht gesünder sind“, resümiert Reischl.
Statt dessen führe diese Praxis zu einem Teufelskreis: Denn
unangebrachte Untersuchungen können zu Kosten führen, ohne
klinische Ergebnisse zu erzielen. Dabei geht es nicht nur um den
direkten Aufwand für die Untersuchung, sondern auch um Folgekosten
für nachfolgende Therapien und in weiterer Folge steigende
Wartezeiten.
Für die Patientinnen und Patienten sind negative Konsequenzen wie
unnötige Tests und Behandlungen ebenfalls nicht auszuschließen.
Ulf Marnitz, Facharzt für Orthopädie, Sektionsleiter der Deutschen
Wirbelsäulengesellschaft und Berater des deutschen Bundestags, sieht
es ähnlich: „Gerade bei Rückenschmerzen ist der Einsatz von CT und
MRT in Deutschland weit verbreitet.
Die Gründe liegen unter anderem in der flächendeckenden Verfügbarkeit
und dem Bedürfnis von Betroffenen aber auch Ärztinnen und Ärzten,
sich schnell rückzuversichern.“ Eine teure und oftmals nicht
gerechtfertigte Praxis: „Gerade bei nicht spezifischen Kreuzschmerzen
ist eine bildgebende Diagnostik in den ersten vier bis sechs Wochen
eigentlich nicht erforderlich. Anders liegt der Fall, wenn konkrete
Risikofaktoren wie Tumore, Entzündungen oder Lähmungserscheinungen
der Arme und Beine auftreten“, so Marnitz.
Großstadtfaktor: Wien ist Spitzenreiter in Österreich
Wien ist als einzige Großstadt in Österreich besonders von der
Anwendung dieser Verfahren betroffen: Im Vorjahr gab die WGKK allein
im extramuralen Bereich rund 21,4 Millionen Euro für
MRT-Untersuchungen aus (2014: 20,7 Mio. Euro). Für den Bereich CT
waren es zuletzt sieben Millionen Euro (2014: 6,7 Mio. Euro).
Reischl: „Das bedeutet, dass gut ein Viertel der Untersuchungen in
Wien gemacht wird."
Heruntergebrochen auf den aktuellen Tarif ergeben sich beim MRT
Kosten zwischen 141,09 und 171,18 Euro pro untersuchter Region, bei
der Anwendung von CT liegt die Bandbreite zwischen 93,37 und 114,11
Euro.
„Diese Tarife sind allesamt gewinnbringend“, betont Reischl. Der
Ausbau der Kapazitäten nach dem Gießkannenprinzip könne also sicher
nicht das Mittel der Wahl sein.
Auch Schmerzexperte Marnitz kann dem Motto „Weniger ist mehr“
durchaus etwas abgewinnen: „90 Prozent unserer Patientinnen und
Patienten sind 40+ und klagen über Rückenschmerzen. Allein auf Grund
des Lebensalters würde ein MRT oder CT mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Diagnose bringen, etwa einen
Bandscheibenvorfall.
Damit verbunden ist aber die Riesengefahr, dass wir in solchen Fällen
in Richtung Spritzentherapie oder Operation gehen. Viel sinnvoller
und wirksamer wäre es, die Bewegungstherapie, also die körperliche
Aktivierung bei den Menschen, zu forcieren.“
Lösung: besser steuern, billiger einkaufen
Auf Grund der Faktenlage und der zuletzt teils untragbaren Situation
für Patientinnen und Patienten, die dringend eine Untersuchung
benötigen, lautet für Reischl das Gebot der Stunde, rasch zu einer
besseren Steuerung zu kommen: „Die Termine müssen nach Dringlichkeit
gestaffelt werden. Parallel dazu braucht es ein Umdenken, in welchen
Fällen diese Methoden Sinn machen und wo nicht.“ In beiden Fragen
seien die zuweisenden Ärztinnen und Ärzte gefordert, um insgesamt
die Treffsicherheit beim Einsatz von CT und MRT zu erhöhen.
Ein anderer Punkt betrifft den dringend erforderlichen, flexibleren
Einkauf der Leistungen. Aktuell ist die WGKK an den Gesamtvertrag
zwischen Sozialversicherung und Wirtschaftskammer Österreich
gebunden. Das heißt: Die Gebietskrankenkasse kann nicht einfach per
individuellem Vertrag mehr Leistungen beim preisgünstigsten Anbieter
einkaufen und im Gegenzug weniger beim vergleichsweise teuren. Statt
dessen normiert der Gesamtvertrag defacto einen Bestandsschutz der
einzelnen Institute.
WGKK-Direktor Andreas Obermaier: „Der Markt funktioniert hier nicht.
Das zeigt sich auch darin, dass eine Verlagerung von Standorten, die
angesichts der unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung in Wien
mitunter sinnvoll wäre, in der Praxis kaum möglich ist.“ Fazit: Der
Gesamtvertrag sollte entfallen, damit die Leistungen in Zukunft per
Einzelvertrag eingekauft werden können, so Obermaier.
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