- 08.07.2016, 11:09:52
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Bundespräsident Heinz Fischer zieht Bilanz und bekräftigt seine Grundsätze
Fischer: Verfassung bietet eine solide Grundlage für die Tätigkeit des Bundespräsidenten
Utl.: Fischer: Verfassung bietet eine solide Grundlage für die
Tätigkeit des Bundespräsidenten =
Wien (PK) - Bundespräsident Heinz Fischer sieht in Bezug auf die
Kompetenzen des Staatsoberhaupts kaum Änderungsbedarf. Das war heute
deutlich seinen Worten zu entnehmen, die er im Rahmen der Festsitzung
anlässlich der Beendigung seiner zwölfjährigen Amtszeit an die im
Historischen Sitzungssaal des Parlaments anwesenden
ParlamentarierInnen, Regierungsmitglieder und Gäste richtete. "Der
Bundespräsident ist von der Bundesverfassung mit einer Reihe von
Machtbefugnissen ausgestattet, um auch in sehr schwierigen und
kritischen Situationen ordnend und stabilisierend in das politische
Geschehen zum Wohle der Allgemeinheit eingreifen zu können", stellte
er dazu fest. "Wenn von manchen dieser Befugnisse seit Beginn der
Zweiten Republik kein Gebrauch gemacht werden musste, spricht das
nicht gegen die Verfassung, sondern für die Reife und Stabilität
unseres politischen Systems und auch für das Augenmaß der vom Volk
gewählten Bundespräsidenten." Er habe bei der Wahrnehmung seiner
Aufgaben immer das gute Gefühl gehabt, dass die Verfassung eine
solide Grundlage für die Tätigkeit des Bundespräsidenten bietet.
In diesem Zusammenhang verteidigte Fischer abermals die Entscheidung
des Verfassungsgerichtshofs, die Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22.
Mai dieses Jahres wiederholen zu lassen. Dies nicht nur deshalb, weil
es zu den Grundregeln des demokratischen Systems gehöre,
Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu respektieren, sondern
weil es ein wesentlicher Beitrag dazu sei, jedweden Zweifel an der
Korrektheit der Wahl seines Nachfolgers auszuräumen, sagte Fischer.
Mit Nachdruck wies er aber auch darauf hin, der
Verfassungsgerichtshof habe ausdrücklich festgehalten, dass keine
tatsächlichen Manipulationen bei der Wahl aufgetaucht sind.
Und an die beiden wahlwerbenden Kandidaten und ihre Teams gerichtet,
meinte er: Vor diesem Hintergrund dürfe man erwarten, "dass Stil und
Inhalt der bevorstehenden Wahlwerbung hohen Ansprüchen in puncto
Redlichkeit und Fairness gerecht werden."
Die Europäische Union ist verbesserungsbedürftig, aber für Europa
unersetzlich
Den Rückblick auf die letzten zwölf Jahre nahm das scheidenden
Staatsoberhaupt auch dazu wahr, jene Grundsätze zu unterstreichen,
die er immer bestrebt gewesen sei zu beachten: So habe er bei seinem
Amtsantritt Verfassungstreue und gewissenhafte Erfüllung seiner
Pflichten versprochen sowie sein Amt objektiv und unparteiisch
auszuüben; ferner ein fairer Partner für alle Bemühungen um eine
friedliche und gedeihliche Entwicklung Österreichs zu sein.
Er habe auch einen verantwortungsbewussten und ehrlichen Umgang mit
der Geschichte Österreichs zugesagt; wichtig sei es ihm immer auch
gewesen, seinen großen Respekt für die Leistungen von
WissenschftlerInnen und KünstlerInnen sichtbar zu machen und einen
respektvollen Umgang mit den Religionsgemeinschaften zu pflegen.
Fischer ließ keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm die weitere aktive
Mitarbeit an den Zielen und Werten einer europäischen Friedenspolitik
und am Projekt der europäischen Zusammenarbeit als zentraler Punkt
österreichischer Politik ist. "Die Europäische Union ist
verbesserungsbedürftig, aber für Europa unersetzlich", sagte Fischer,
er sei für ein vereintes und friedliches Europa. Dabei machte der
Bundespräsident auch unmissverständlich klar, dass er ein starkes
Bekenntnis zur österreichischen Heimat einerseits und eine
europäische Gesinnung andererseits nicht als Gegensätze betrachtet.
In diesem Sinne bedauerte er die mehrheitliche Entscheidung der
Briten, aus der EU austreten zu wollen, als kurzsichtig und
kritisierte die Brexit-Befürworter, keine klare Strategie und
Verantwortung erkennen zu lassen.
Leistungsgesellschaft und Sozialstaat müssen vereint werden
Fischer warnte auch eindringlich vor Populismus und davor, dass
dadurch der Handlungsspielraum immer mehr auf das momentan Populäre
eingeschränkt werden könnte und damit das längerfristig Notwendige
immer mehr in die Defensive gerät und in den Hintergrund gedrängt
wird. Leben heiße Veränderung, sie sei oft unbequem, schmerzhaft und
anstrengend und könne zunächst Angst und Unbehagen hervorrufen. "Aber
auf Veränderung zu verzichten, kann noch viel schmerzhafter werden",
stellte er fest. Wenn das Land in der Spitzengruppe europäischer
Staaten bleiben will, müsse es in Bezug auf Leistung und Bereitschaft
zur Veränderung weit vorne stehen.
Leistung müsse auch honoriert werden, bekräftigte Fischer, mahnte
aber gleichzeitig auch ein, für Leistungsschwächere menschenwürdige
Lebensbedingungen anzubieten. "Die Leistungsgesellschaft darf nicht
inhuman oder unsozial sein oder werden", so das Postulat Fischers.
"Leistungsgesellschaft und Sozialstaat müssen nicht nur vereinbar
sein, sondern durch aktives Handeln vereint werden."
Flüchtlingspolitik soll sowohl durch Rationalität als auch durch
Humanität geprägt sein - nur eines der beiden ist zu wenig
In Erinnerung an die Geschichte seiner Familie fand Bundespräsident
Fischer klare Worte zum Thema Flüchtlinge. Er wende sich keineswegs
gegen Auffassungen und Sätze wie zum Beispiel "Österreich kann nicht
Flüchtlinge in unbegrenzter Zahl aufnehmen" oder "das
Flüchtlingsproblem kann nicht primär an unseren Staatsgrenzen gelöst
werden, sondern muss vor allem in den Herkunftsländern der
Flüchtlinge und auf europäischer Ebene gelöst werden". Allerdings, so
Fischer, fehlt hier noch ein weiterer Satz, welcher etwa lauten
müsste: "Wir sind aber bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten und
nach besten Kräften zu helfen und die Menschenwürde von Flüchtlingen
hoch zu halten". Flüchtlingspolitik sollte sowohl durch Rationalität
als auch durch Humanität geprägt sein. Nur eines der beiden wäre zu
wenig, stellte Fischer klar.
Der Bundespräsident rief alle dazu auf, bereit zu sein, aus der
Geschichte zu lernen und die Sinne für Chancen, Fehlentwicklungen
oder Gefahren zu schärfen. In diesem Sinn verurteilte er jede Form
von Hass und Gewalt. Aus vielen Gründen sei man in ganz Europa zu
einer breiten Koalition gegen Hass und Gewalt verpflichtet, denn "aus
dem Hass in den Köpfen entsteht der Hass in Wort und Tat", zitierte
er den Schriftsteller Gerhard Roth.
Ein Plädoyer für die Leistungen des Bundesheeres
In seiner Funktion als Oberbefehlshaber des Bundesheeres war es dem
Bundespräsidenten auch ein Anliegen, die Leistungen des
Österreichischen Bundesheeres im In- und Ausland zu würdigen. Er
verband damit auch die dringende Bitte, das Österreichische
Bundesheer in ideeller und materieller Hinsicht in ausreichendem und
notwendigem Maße zu unterstützen.
Fischer wurde schließlich mit minutenlangen Standing Ovations vom
Parlament verabschiedet. (Schluss) jan
HINWEIS: Fotos von der Festsitzung finden Sie im Fotoalbum auf
www.parlament.gv.at.
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